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Theocracy, Cathedraya, Kashee Opeiah, Relief In Silence   23.10.2009   Dresden, Unterirdische Welten
von rls

Unter keinem glücklichen strukturellen Stern schien der Auftaktgig zur ersten Europatour von Theocracy zu stehen: Genau vier Tage vor der Show mußte selbige aufgrund von Locationproblemen von Bautzen nach Dresden verlegt werden, und dort erwischte man mit den Unterirdischen Welten auch noch einen Ort, der mit normalen Mitteln immens schwierig zu beschallen sein dürfte, nein, ist, wie man bereits beim Soundcheck bemerkte, der einen Dröhnfaktor offenbarte, welcher die Lokalität zum ultimativen Geheimtip für Drone-Gigs stempelt. Immerhin stimmte das Ambiente positiv: Die Unterirdischen Welten sind ein in den felsigen Nordhang des Lockwitztales geschlagener früherer Weinkeller einer ortsansässigen Kelterei, und die Wände sind größtenteils nicht verkleidet, sondern lediglich an etlichen Stellen mit Draht gegen herabfallendes Gestein gesichert worden, was also ein angenehm naturbelassenes Höhlenfeeling erzeugte und den Gemütlichkeitsfaktor in Tateinheit mit ein paar Sesseln, Sofas und Aquarien (!) in die Höhe trieb. Dazu dann noch das äußerst ansehnliche dunkelhaarige weibliche Wesen mit Pferdeschwanz, das phasenweise durch Tragen einer grünen Schürze als Getränkeversorgungsfachkraft gekennzeichnet war, sich aber auch des öfteren ohne selbiges Accessoire oder auch mit demselben in der "Haupthalle" aufhielt ...
Mit anderthalb Stunden Verspätung eröffneten Relief In Silence den Gig, und obwohl sie nur einen Gitarristen besaßen, wurde das Soundproblem schon hier sehr deutlich: Drums schwankend, Vocals oft sehr weit im Hintergrund, Leadgitarren ab und zu mal hörbar und der Rest irgendwie wandähnlich, besonders dann, wenn der Drummer etwas schneller agierte. Allerdings tat er das eher selten, denn Relief In Silence siedelten ihren Metalcore doch recht nahe am Doombereich an und wechselten des öfteren in äußerst schleppende Gefilde, wobei die Soundverhältnisse eine eingehendere Beurteilung, ob sie unter Normalbedingungen den Brachialitätsfaktor von Crowbar erreichen, unmöglich machten. Wenigstens hatte die Soundfraktion das während des Soundchecks noch sehr häufig auftretende Rückkopplungsproblem halbwegs in den Griff bekommen. Sechs Songs genügten als erster Höreindruck durchaus, und das nicht eben zahlreiche Publikum sorgte nichtsdestotrotz schon für positive Stimmung.
Kashee Opeiah hatten eine Gitarre mehr abzumischen, aber eine äußerst stringente Problemfindungsstrategie des Sängers sorgte dafür, daß der Sound geringfügig besser wurde. Der teils recht komplexe Metalcore der Chemnitzer dürfte für Nichtkenner allerdings trotzdem recht schwierig nachzuvollziehen gewesen sein, aber die Nichtkenner im Publikum scherten sich nicht darum und tobten vor der Bühne herum. Neben Material des "Panic In Solitude"-Albums spielten Kashee Opeiah auch neues, bisher noch nicht konserviertes, das allerdings deutlich machte, daß nicht mit großartigen stilistischen Veränderungen zu rechnen ist. Tempotechnisch recht variabel, trieb besonders der engagierte Sänger (nur echt mit Pudelmütze, zumindest außerhalb der Bühne) das Ganze als Motor an, und da dem Publikum die reichliche halbe Spielstunde nicht genügte, holte man die Band mit lautstarken Forderungen noch für einen Zusatzsong zurück.
Cathedraya spielten keinen Melodic Doomrock mit weiblichen Vocals, wie man aus dem Bandnamen mutmaßen könnte (eine Zusammensetzung aus Cathedral und Saraya?), sondern holten die Thrashkeule heraus. Aufgrund des sehr hervorstechend abgemischten Schlagzeuges konnte man die Tempostruktur ihrer Songs sehr gut verfolgen, während der Rest der Instrumente dann wieder eher wandartig aus den Boxen drang und man somit Riffstrukturen, aber keinerlei tonale Veränderungen ausmachen konnte. Dazu kam, daß das Backingmikro des rechten Gitarristen lauter eingestellt war als das Frontmikro seines linken Nachbarn, was den bisweilen eingestreuten Gangshouts eine eigenartige Färbung gab. 75% der Spielzeit bewegten sich im Highspeedsektor, der Rest setzte mit groovigen bis mittelschnellen Passagen wirkungsvolle Kontrapunkte in den Songs, und auch der rauhe Leadgesang paßte sich dieser Mixtur, die an diesem Abend an Frühneunziger-Sepultura denken ließ, perfekt an. Leider haperte es mit der Professionalität des Quartetts etwas: Mehrere Songs mußten wegen Verhasplern abgebrochen werden, die Publikumskommunikation ließ auch arg zu wünschen übrig, und am Setende noch einmal wieder auf die Bühne zu kommen, obwohl außer einem einzelnen Enthusiasten niemand eine Zugabe wollte, dann aber nur ein kurzes Drumsolo und ein bissel isoliertes Geriffe zu spielen, das hinterließ auch nicht gerade den positivsten Eindruck.
Theocracy betraten letztlich kurz vor 1 Uhr die Bühne und hatten den besten Sound des Abends - keinen guten wohlgemerkt, aber zumindest einen mit relativ niedrigem Grunddröhnlevel, der lediglich den Leadgesang bisweilen zu weit in den Hintergrund stellte und das Heraushören unterriffter Gitarrenleads zu einer schwierigen, aber lösbaren Aufgabe gestaltete. Auf die Keyboardeinspielungen verzichtete die Band von vornherein (oder falls sie doch erklungen sein sollten, hörte man zumindest nichts von ihnen) und setzte auf einen sehr speedlastigen Set, in dem der Drummer dankenswerterweise trotzdem nicht alles niederknüppelte, was sich ihm in den Weg stellte. Die Band präsentierte sich als eingespielte Einheit - das knappe halbe Jahr seit dem laut Kollege Thorsten doch noch unausgereiften Europadebüt auf dem Elements Of Rock-Festival ist offensichtlich für intensive Arbeit genutzt worden, und zudem hat man endlich einen Bassisten am Start, der auch gleich noch für die Backing Vocals verpflichtet wurde. Das reichte dann bis zum dreistimmigen Satzgesang mit dem Sänger und dem rechten Gitarristen. Der neue Song "Nailed" machte deutlich, daß sich an der generellen stilistischen Linie auch auf dem nächsten Album wohl wenig ändern wird: oft speediger melodischer Metal mit progressiven Elementen, wobei man den einen oder anderen Tempowechsel keineswegs schon beim ersten Hören entschlüsseln kann, was einen gehörigen Anreiz für Langzeitarbeit darstellt, da sich andererseits die hymnischen Refrains von Songs wie "Lay The Demon To Rest" schon beim ersten Hören im Gedächtnis festkrallen. Neben diesem Song erklangen noch etliche andere vom neuen Album "Mirror Of Souls", wobei man den 22minütigen Titeltrack nicht in voller Länge darbot, sondern sich auf seinen dritten Teil beschränkte. Auch das selbstbetitelte Debüt wurde mit "The Serpent's Kiss" bedacht. Die positive Energie des Quintetts sprühte nur so durch den Saal, und nachdem ein kurzhaariger Jungspund mitbekommen hatte, daß man zu dieser Musik headbangen und nicht andere anrempelnd durch die Gegend pogen sollte, herrschte auch vor der Bühne friedliche Feierstimmung. "On Eagles' Wings" beendete den regulären Set, aber ohne Zugabe ließ man die fünf Amerikaner natürlich nicht gehen, und so setzte "Absolution Day" als gerade mal achter Song innerhalb einer vollen Stunde Spielzeit den Schlußpunkt unter den ersten Deutschlandgig Theocracys, der bei klarerem Sound und größerer Zuschauerzahl noch denkwürdiger ausgefallen wäre, aber sich auch so in die Herzen der Anwesenden gebrannt hat. Wer das Review gleich nach Onlinegehen liest, schaue mal auf www.theocracymusic.com nach, ob einer der noch anstehenden Gigs in der Nähe liegt.



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