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HEAT-Festival   27.09.2009   Ludwigsburg, Rockfabrik
von gl

Welches Rindvieh hat die Bundestagswahl auf den Termin des 2. HEAT-Festivals gelegt?! An dem Tag durfte (muss man wohl in diesen harten Zeiten sagen ...) ich nämlich arbeiten, so daß eine Verspätung unausweichlich war und genau das geschah, womit man die Bands "unten" im Billing eben nicht abstrafen sollte, nämlich sie zu ignorieren. (Zu Recht kam kürzlich ein Vertreter einer jener "kleineren" Bands und beschwerte sich über zu oft gelesene Berichte über verspätete Redakteure, die die Vorband nur am Rande abhandeln.)
Black Rain  Black Rain
Also sorry an Shotgun Express - und auch über die noch mitbekommenen anderthalb Songs der Franzosen Black Rain lässt sich zu wenig sagen, um sie gerecht beurteilen zu können. Die recht üppig vertretene Sleaze- und Glam-Fraktion, die die vier Tätowierten in zerrissenen Klamotten schon um 15.00 Uhr von der Wahlurne wohl eher nicht, aber aus der Herbstsonne in den Club zitieren konnte, stand jedoch Beleg für gute Unterhaltung. Der Gitarrist in seinem Buckcherry-Shirt erinnerte optisch an CC Deville und es ist eine schöne Sache, daß das Organisations-Team der Veranstaltung (Hot, Eddy, Alex und Tommy - jetzt wisst Ihr auch, wo der Name her kommt!) die Franzosen zu ihrem ersten Deutschland-Gig einlud.

Pumpende Action  Marcus Jürgens

Stef Bertolla
Somit waren Pump die erste Band, deren Auftritt in Gänze beurteilt werden kann. Die Schwaben haben wieder einmal umgruppiert und sind mit ihrem 3. Line-Up und ihrer 3. Platte (auf dem 3. Label ...) unterwegs. Jene kam erst 2 Tage zuvor raus, dennoch wurde mutig der Löwenanteil des Sets, gleich 7 von 10 Songs, mit Material von "Sonic Extasy" bestritten. Das zeugt von großem Vertrauen und dieses Wagnis kam aber vor der Bühne gut an, da die Band ständig in Bewegung war und es gar nicht zuließ, dass ggf. Langeweile in Folge von Unkenntnis der Songs aufkam. Lieber mal einen Rempler als auf der Stelle festgeschraubte Musikanten! Neu-Gitarrist Stef Bertolla fügte sich mit einer zurückhaltenden, sympathischen Ausstrahlung und Können an der Klampfe gut ein neben den Gründungsmitgliedern Marcus und Aki. Als sportliche Großleistung des Tages muß die Aktion von Micha Vetter bewertet werden, der mal eben so von der Bühne aber vor allem auch wieder RAUF hüpfte! Mit umgeschnalltem Bass wohlbemerkt - versucht das mal bei der Höhe der Bühne in der RoFa! Und das Angebot, blankzuziehen gegen ein Shirt, wurde tatsächlich wahrgenommen von einem weiblichen Fan vor der Bühne. Auch wenn auf Zuruf gepasst werden mußte in Bezug auf das ruhigere "I'm Free", stimmte Marcus jenes zumindest kurz an, der Song kann ja noch einstudiert werden vom neuen Line-Up ...

Steffen und Frank (Dark Sky)  Claudio (Dark Sky)

Steffen und Winnie (Dark Sky)
Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr sah ich Dark Sky - und endlich mal nicht als Opener! Die Band spielte trotz Ermangelung konstanten Tourens wie aus einem Guß und bestätigte ihre gelungenen Auftritte vom Rock Over Munich und dem Rock Of Ages Festival mit einer erneut runden Leistung, wobei sie wie in Seebronn ebenfalls auf ruhigere Lieder wie z.B. "Hope Still Hasn't Gone" verzichteten, was dem Set eine balladeske Abwechslung verpasst hätte. Doch zu meckern gab's einmal mehr nichts und da bin ich anderer Meinung als Kollege Brandlhuber: Sänger Frank Breuninger hat einfach eine stets positive Ausstrahlung. Verständnis habe ich für den Einbezug des allseits bekannten 80er-Hits "Maniac", um auch Laufkundschaft zum Kopfwippen zu bewegen. Die massig in die Meute geworfenen Plastik-Gitarren wurden gern entgegengenommen und dann auch dementsprechend "bearbeitet". Lediglich Gitarrist Steffen Doll - an der Gitarre mit einigen wenigen schrägen Tönen - machte mit seinem ausgefransten Iro, dessen Ausläufer zauselig herunterhängen, in Sachen alberne Frisuren Viron-Trommler Andreas "Neudi" Neudert Konkurrenz!

Spaß und Air-Guitar-Action im Publikum  Spaß und Air-Guitar-Action im Publikum
Nein, die Fashion-Trends wurden heute vom Publikum gesetzt: Mehrere Mädels machten mit einem sehenswerten Mix aus 60ies-Frisuren gepaart mit Glam-Accessoires auf sich aufmerksam und sorgten zudem für einen regen Auf- und Abtrieb vor dem Backstage-Einlass.

Crazy Lixx  Crazy Lixx

Crazy Lixx
Selbige Fraktion stand dann beim ersten Deutschland-Auftritt der Schweden Crazy Lixx komplett auf der Tanzfläche (sprich: vor der Bühne). Die Band kam gerade von einer kleinen Italien-Tour zurück - dort können solche Gruppen in der Tat noch touren - und war baff über die euphorischen Reaktionen. Zumal sie vor kurzem einen neuen Gitarristen integrieren mussten. Die beiden anderen Frontleute vermittelten einen komplett unterschiedlichen Eindruck: Der Sänger Danny Rexon, ein Womanizer mit angenehmer Ausstrahlung, stand neben einem Unsympathen am Bass, der den Set komplett grimmig durchstand und mit seinem Bart auch bei Amon Amarth tätig sein könnte. Die Band vermittelte jedoch mit ihrem ungestümen Gute-Laune-Rock einfach pure Lebensfreude in der Schnittmenge Crash Diet/Hardcore Superstar/Mötley Crüe und die Fans dürsteten regelrecht nach solcher Musik, das war spürbar. Gegen Ende des Auftritts, der naturgemäß mit Songs des einzigen Albums "Loud Minority" und einem neuen Stück bestritten wurde, wurde der (Mini-)Hit "Heroes Are Forever" - der andere der Band ist "Doctor Hollywood" - regelrecht verlangt! Ganz klasse Auftritt der Schweden. Über die Band, die übrigens jetzt bei Frontiers einen Deal unterzeichnete, lässt sich nichts Negatives sagen - außer ggf., daß der "Grantler", als ich grad aufs Klo latschte, mit der Faust auf den Kondomautomaten hämmerte!

Das H.e.a.t-Laken  Jimmy von H.e.a.t

H.e.a.t  Kenny von H.e.a.t
Es ist schon komisch: Im Januar nach der Edguy-Show im nahen Filderstadt standen keine 10 Gestalten bei H.e.a.t (bitte stets korrekt ohne Punkt hinter dem t schreiben!) am Stand, um mit den Jungs zu plaudern, und gut ein halbes Jahr später hat sich eine klitzekleine Star-Mania entwickelt mit einem hellen Schrei ("JIMMY!!!"), wenn der drollige, an Willy von Biene Maja erinnernde Bassist vorbeilief, und sogar einem beschrifteten Bett-Tuch ("We wanna feel the H.e.a.t!") von engagierten Fans - auch ewig nicht gesehen bei Club-Shows. Keine Frage - H.e.a.t waren die heimlichen Headliner, es wurde nun am engsten vor der Bühne und das Sextett wurde mit lautem Gejohle empfangen. Das Intro und "There For You" waren auch ein klasse Einstieg und die Sympathiewelle, auf der die Band schwamm, sollte im Verlauf der 60 Minuten selbst bei dem im Gegensatz zu der Studioversion noch ruhigeren nur mit Keyboard begleiteten "Cry" nicht abebben, im Gegenteil. Dieser sanfte Moment vermittelte mit einem Melodic-Kracher hinterher ein perfektes Bild dieses Retro-Trips zurück zu einer Zeit, als selbst Zweite-Liga-Bands wie Firehouse, Slaughter oder Britny Fox Verkäufe im 7-stelligen Bereich verzeichnen konnten. Sänger Kenny Leckremo forderte das Publikum zu einem Gesangsduell auf, welches immer höher ging, mit jedem Schrei wurde die Antwort dünner - nur einer konnte mithalten bis zum Ende, man dreht sich um und wer isses? Klar: Hannes von Kissin' Dynamite! Unbedingt erwähnt werden muss natürlich noch die willenlose Dreiviertel-Leggins vom Drummer in Schweinchen-Rosa mit knallgelbem Bandlogo-Aufdruck!

Claudio Matteo  Eric St. Michaels
Es war nun wie letztes Jahr, als Frank 'Mr.Hug' Hildebrand mit Letter X hier aufspielte: Die Hälfte der Anwesenden verließ den Club, und das, obwohl diesmal der Zeitplan vorbildlich eingehalten wurde. Die Schweizer von China traten nach 15 Jahren Deutschland-Abstinenz erstmals wieder auf, diese Zeitspanne war wohl eindeutig zu groß. Leider machten China den Fehler und spielten einfach zu viele neue Songs, so daß während des Sets noch mal einige gingen, was schade war, denn keineswegs war das Gebotene halbgar oder lustlos. Nein, Sänger Eric St. Michaels, ein Amerikaner, der ausschließlich in Englisch kommunizierte und die Ungewissheit, in welchem Line-Up denn die Band antreten würde, selbst ansprach, und die anderen Akteure um das einzig verbliebene Ur-Mitglied Claudio Matteo an der Gitarre boten solides Handwerk, nämlich erdigen kraftvollen Rock'n'Roll. Sie waren aber auch die einzige Band heute, die Soundprobleme hatte (Drums zu schepprig, Gesang zu leise im Vergleich zu Gitarren und Bass, und allgemein viel zu laut!), so daß dieses Comeback zunächst nur als halb gelungen bezeichnet werden darf. Schlecht war es beileibe nicht, die Auflockerung durch Van Halen's "Ain't Talkin' bout Love" kam gut und eine Minderheit von treuen Fans vor der Bühne feierte die Band ab, während der große Rest entweder ausgepowert am Rand saß oder schon auf dem Heimweg war.

Wir sind uns einig, daß hier ein absolutes Spartenpublikum bedient wurde, das aber mitunter erhebliche Strecken auf sich nahm, um diese Künstler zu sehen. Der Breakeven-Punkt der Veranstalter wurde gerade eben erreicht, so daß 2010 auf eine Neuauflage dieses von den Umbaupausen und dem Drumherum sehr gut organisierten Festivals gehofft werden darf.

Fotos: Georg Loegler






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