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HEAT-Festival   28.09.2008   Ludwigsburg, Rockfabrik
von gl

Mit dem HEAT-Festival wurde eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, die in direkter Tradition der United Forces Of Rock-Serie steht, mit dem Unterschied, dass das Ganze zwar in der Rockfabrik (immer wieder sonntags) stattfand, aber diese erste Ausgabe zunächst mit Deutschen und einer Schweizer Band bestritten wurde. Dass sich jene sehr wohl lohnen, davon konnten sich zu "Spitzenzeiten" ca. 350 Anwesende ein Bild machen. Leider wurde auch die sich durch alle drei UFOR ziehende Verschleppung der Anspielzeiten kurioserweise übernommen.

Nektarios von CIRCUIT VISION  ... und die Sängerin von CIRCUIT VISION
Den Reigen eröffneten CIRCUIT VISION, die neue Band von Nektarios, an dessen Stimme und Stage-Acting man sicher nichts kritisieren kann, sehr wohl jedoch am wie festgeschraubt dastehenden Gitarristen und der unsicher wirkenden Backing-Sängerin, die bei einem Song von Neki vorgeholt wurde, es aber dann doch vorzog, neben dem Schlagzeug zu warten, das wirkte unprofessionell. Die Band war letztes Jahr live stärker und Nektarios (den ich an anderer Stelle schon mal verteidigt habe gegen Vorwürfe) sollte sich entscheiden, ob er nun Metal machen will (die Fähigkeiten dazu sind ja da) oder wie geschehen wieder an Unfug wie "Die DSDS-Teilnehmer treffen sich mit Mark Medlock und Alexander Klaws" teilnehmen will. Das schadet nämlich eher der Glaubwürdigkeit.

Heute zweimal on stage, erst mit Circuit Vision, dann mit SceneS: Basser Jan Ebert  Ja, wir wollen's wissen! Scenes-Sänger Alex

Marcus von PUMP als Gast bei SceneS auf der Bühne
Wie eng die beiden Bands noch immer verbunden sind, zeigte sich, als SCENES die Bühne erklommen und Basser Jan Ebert zum zweiten Mal ran musste. Er hatte wie Nektarios die Band eigentlich schon verlassen, half aber heute noch mal aus. Letztes Jahr habe ich die Band bei einem sensationellen Club-Gig gesehen, als sie sich vor 45 Hanseln verausgabten wie vor 450, da kamen sie heute leider nicht dran, zudem fehlte heute auch der Stamm-Schlagzeuger noch. Nicht einmal der 80er-Hit "Such A Shame", den sie "vermetalt" haben, lockte die apathisch zusehende Menge aus der Reserve, "Such A..." rief der charismatische Sänger Alex und hob das Mikro rüber: Resonanz null! Ja, es ist eine Schande, dass solch eine tolle Truppe untergeht und von der im Mai 2007 angekündigten zweiten Scheibe jetzt leider keine Rede mehr ist. Ich liebe die vertrackten Songs des Scenes-Albums "Call Us At A Number You Provide", aber für die Allgemeinheit hat sich die Band wohl zwischen alle Stühle gesetzt: Für die Progger zu heavy, für die Metalheads zu proggig und für die AOR-Freaks zu verkopft musizieren die Schwaben zwar tapfer weiter, aber erhalten nur Höflichkeitsapplaus.

Gibt alles trotz Erkältung: Sänger Alex (VIRON)  VIRON-Gitarre 2

VIRON-Gitarre 1
Dazwischen spielten VIRON und machten es genau richtig, indem sie die besten eigenen Songs ihrer beiden Alben vortrugen und heute auf obskure Coverversionen von MANILLA ROAD oder EXXPLORER verzichteten. Die Band wirkte trotz auch weniger Konzerte gut eingespielt und bot heute die beste Mannschaftsleistung (neben den noch folgenden Youngstern) ab mit einer tighten Performance und mitreißenden Songs wie "On The Run" und "Blow The Fuse". Warum VIRON bei den Metalheads, die zu Tausenden jetzt wieder die neue Metallica kaufen, nicht besser ankommen, ist ein weiterer bedauernswerter Fakt.

Karneval im September! Human Zoo-Sänger Thomas Seeburger  Human Zoo Guitar

Ein Saxophon im Nebel (Human Zoo)
HUMAN ZOO kennen diese Bühne gut, eröffneten sie doch vor genau einem Jahr hier das Festival. Und es war Karneval im September, zumindest wenn man das Stars and Stripes-Outfit von Sänger Thomas Seeburger sah, gewagt oder mutig, jedenfalls unterhaltsam. Und die Band hat bekanntlich in Saxophonist und Phil Collen-Doppelgänger Boris einen Trumpf, den sie heute geschickt ausspielte und somit gelungen auflockerte und sich vom Genre etwas abhob - cooler Gig, bei dem jedoch leider der übermäßig eingesetzte Stroboskop-Einsatz den Konzert-Genuss schmälerte. Muss der Quatsch denn minutenlang sein?

'Engel' - Sänger von Saidian  Saidian-Keyboarder und -Songwriter Markus Bohr
Auch SAIDIAN haben zwei Alben, aus deren Fundus sie schöpfen und das 3. ist bereits im Kasten. Kaum überraschend war, dass es bei SAIDIAN, die aus der Gegend kommen, vorne etwas enger wurde und die Truppe fulminant mit ihrem Melodic Metal losstürmte. Auch hier war die Songauswahl gelungen, und das noch unveröffentlichte "Solomon's Dance" wird ein kleiner Hit werden! Zudem gelang der Band die Überraschung des Tages, als sie doch tatsächlich "Tokio" von TOKIO ausgruben und in einer klasse Version nachspielten. Dass Neid und Missgunst hier keinen Platz haben, zeigte sich wieder, als Sänger Engel Alex von SCENES auf die Bühne bat und somit den Gefallen erwidert, da er zuvor bei jenen Gast bei einem Song war. Am Mischpult übrigens der Produzent der 3. CD, die dann 2009 erscheinen wird.

We are the youth gone wild!! KISSIN' DYNAMITE-Sänger Hannes  Posen wie die Großen

Klasse Gig der Youngster!  Und ein bisschen Maskerade auch dabei!
KISSIN' DYNAMITE waren der eigentliche Headliner dieses Festivals! Was die Jungspunde hier heute abfackelten, war geradezu sensationell zu nennen. Noch nicht volljährig aber ein Feuerwerk an mitreißender Musik, nicht zu einstudiert aber trotzdem choreographiertes Stageacting und ganz starker Gesang von Hannes. Daß wir "alten Säcke" dieser jungen Band zujubeln (Teenies waren übrigens so gut wie gar nicht im Publikum!), ist schon außergewöhnlich. Einer übertreibt's: "Ihr seid so geil" ruft ein ca. 40-Jähriger in der 1. Reihe, und um das zu toppen, streicht er noch sanft zu dessen Irritierung über Hannes' Fuß, als jener diesen auf die Monitorbox setzt. OK, der junge Mann hat durchaus feminine Züge, aber wenn der Typ noch etwas weitergemacht hätte, müsste man ihn an der nächsten Polizeidienststelle wegen Belästigung Jugendlicher abgeben. Die 5 Schüler begeisterten durchweg mit einer klasse Performance und zwei eingestreuten Coverversionen: "Wings Of Metal" gibt mir meine Informantin, die sich die Setlist von der Bühne gekrallt hatte, am Telefon durch, und auf Rückfrage, ob das vielleicht ein K ist bei dem MANOWAR-Song, kommt die Erklärung, die aus einem Schulheft rausgerissene Seite in Krakelschrift sähe nun mal so aus! Und nicht den Song von AC/DC, nach dem sie sich benannt haben, spielen sie, sondern "Whole Lotta Rosie" mit kleiner in ihrer dilettantischen Unbekümmertheit schon wieder herrlicher "Schauspieleinlage". Zum Schluss der Party im krachenden Finale ließ Hannes einen dermaßen hohen langen Schrei los, dass eigentlich nur noch das hingehaltene Glas fehlte, das sicherlich zersprungen wäre. Grandios!!!

Crystal Ball-Gitarrist  Mark Sweeney von Crystal Ball

Mark mit hübscher weiblicher Gesangsunterstützung  Dieses Doppel von Crystal Ball sieht auch nicht schlecht aus
CRYSTAL BALL hatten es danach sehr schwer, zumal fast die Hälfte der Anwesenden die RoFa verließ, aber die Band mit der meisten Erfahrung heute war routiniert genug, um dies wegstecken zu können, und Sänger Mark Sweeney thematisierte dies sogar. Der woanders für sein "Aushilfs-Karate Kid"-Outfit gescholtene Schweizer kam im Gegensatz zu seinem Kollegen von SHAKRA nicht aufgesetzt, sondern natürlich und sympathisch rüber. Auch wenn der Gig an sich ordentlich war, hatte er einen kleinen Durchhänger, was aber ggf. nur auf die kurzweilige Show kurz davor zurückzuführen war. Mit dem genialen "My Life" (dem Lieblingssong dieser Band beim Unterzeichner) vom Album "Hellvetia" aus dem Jahre 2003 im Set kann jedoch auch dieser Auftritt als gelungen bezeichnet werden.

Die Gitarristen von LETTER X, rechts Rüdiger Fleck, ex-Rawhead Rexx  Steffen, der neue Sänger von Letter X

Frank Hildenbrand brachte die Band wieder zusammen
LETTER X spielten eine Reunion und ihr erstes Konzert seit über 13 Jahren und waren (s.o.) nur auf dem Papier Headliner. Es waren jetzt nur noch ca. 100 Leutchen da, die diesen Auftritt sehen wollten, und dennoch machte sich eine kleine Spannung breit. Letter X haben drei Platten mit drei Sängern eingespielt und heute stand der vierte hinterm Mikro, der zwar stimmlich überzeugen konnte, vom Gebaren aber nicht dazu passte. Gehopse, Schweinderlquieken (Uik, Uik) und der Ausruf "Letter X is in da house" im Rap-Stil passen absolut nicht zu der traditionellen Musik der ersten beiden Letter X-Platten, die die Musiker vernünftig vortrugen. Auf einen Keyboarder verzichtete man, so dass neben den Intros und dem Keyboard auch die Backgroundgesänge komplett vom Band kamen. (Im Gegensatz zu HUMAN ZOO, wo die Backings auch eingespielt wurden und die so taten, als würden sie singen, beließen es die Ludwigsburger dabei und so ertönen eben Gesänge aus dem Off.) Darüber echauffierte sich ein Zwischenrufer lauthals, und man muss ihm sogar bedingt Recht geben, nur wo fängst du an, bei KAMELOT oder WASP?!? Sehr diplomatisch bedankte sich Hilde als Antwort bei denjenigen, die dies am Computer vorbereitet haben. Und Hilde ergriff noch einmal gegen Ende das Mikrofon und jetzt geschah etwas völlig Unerwartetes - er erläuterte die Intention dieses Auftritts und sprach von der Menschlichkeit und dem Gesetz der Resonanz, bevor zum 1. Mal überhaupt "Makin My Way To The Light" live gespielt wurde. Sehr interessant, wenn man bedenkt, dass der Song aus dem Jahre 1991 stammt. Dieser angesprochene, wohl an diesem Ort von keinem erwartete Paradigmenwechsel ist ja nicht nur in der Menschheit sondern auch im Rock-Biz vonnöten. Sehr bemerkenswert meines Erachtens.

Mit dem Festival und der Organisation darum hat sich die Mannschaft um Eddy Freiberger ein Lob verdient - die Anregung, eine Band weniger in das Billing zu nehmen, wurde bereits aufgegriffen und es wird nächstes Jahr weitergehen.

Fotos: Georg Loegler






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