www.Crossover-agm.de
No Silent Backlands Festival   23.-25.07.2009   Weißenfels
von rls

Auch anno 2009 scheute die rührige Jugendinitiative Weißenfels weder Kosten noch Mühen, um neben ihren zahlreichen anderen Aktivitäten auch das zentrale Event im Jahresplan auf die Beine zu stellen, nämlich das dreitägige No Silent Backlands Festival. Der explizit antirassistische Aspekt kam diesmal im Eröffnungsfilm "Gerdas Schweigen" am ersten Abend am deutlichsten zum Tragen, die anderen Angebote trugen eher aktiv-integrativen oder aber unterhaltenden Charakter; die Berichterstattung hier beschränkt sich wie im letzten Jahr auf die musikalischen Aktivitäten, welche die Abende des zweiten und dritten Festivaltages prägten und den Schloßhof unter eine kräftige Lärmdecke legten. Im Gegensatz zum Vorjahr hatte man diesmal auf das Aufstellen getrennter Bühnen für die beiden Konzertabende verzichtet, ließ also auch die regionalen Nachwuchsbands, die den ersten dieser Abende bestritten, auf der großen Bühne spielen, was einerseits eine faire Geste bedeutete und andererseits auch den ganz praktischen Nutzen der Aufwandsminimierung für die Veranstalter beinhaltete.
Nachdem tagsüber einige gewittrige Schauer über dem südlichen Sachsen-Anhalt niedergegangen waren, hielt sich das Wetter mit Unbilden am Abend zurück, so daß Miracle M fast pünktlich den Freitagabendreigen eröffnen konnten. Das Quartett spielte eine recht undefinierbare Sorte von Rockmusik irgendwo zwischen Tradition und Moderne, wobei die klassischen Hardrockeinflüsse eher in den Instrumentalstücken dominierten, während die mit Gesang versehenen Werke einen stärkeren Indieeinfluß erkennen ließen. Dazu pendelte der Gesang zwischen Deutsch und Englisch im Verhältnis von geschätzt 25 zu 75%, wobei man sich viel Mühe geben mußte, das herauszuhören, da der Gesang deutlich zu leise abgemischt war, während die Balance der Instrumente untereinander stimmte, das Schlagzeug positiverweise nicht zu laut war und auch der stark verzerrte Baß nicht alles unter sich begrub. Am Mikro stand übrigens eine Blondine mit mäßig langem Haar, die auch Gitarre spielte und in der Zeichnung ihres Überrocks sich als verkappte Anhängerin der Headliner dieses Abends, Zen Zebra, zu erkennen gab. Bisweilen baute das Quartett, wenngleich relativ zurückhaltend, erste Soundwälle auf, blieb aber in allem, was zu hören war, irgendwie harmlos und unspektakulär; Freaks dürften darüber hinaus noch erkannt haben, welche Stücke Eigenkompositionen und welche Coverversionen waren, aber Nichtfreaks hatten damit allein schon aufgrund des kaum hörbaren Gesanges ihre Probleme. Als Closer intonierte man punkiges Getrümmer, das jeweils durch Generalpausen mit "1-2-3-4"-Shouts des Drummers und einen Brüllaut des Gitarristen gegliedert wurde und einige Enthusiasten zu Zugabeforderungen animierte, welche dann eine Dreiviertelstunde Spielzeit komplettierten und Weisheiten wie die, daß ein gewisser Herr Ekhof (oder so ähnlich) keinen Strom hätte, kundtaten. Solide Leistung.
Return Of The Momma spielten einen eher kurzen Set von nur einer halben Stunde, aber man hätte eigentlich gern mehr von ihnen gehört. Komischerweise unterließen selbst die Menschen bzw. Menschinnen in der ersten Reihe, die sich per Shirt als Groupies der Band outeten, Zugabeforderungen, so daß es bei sechs Songs in den erwähnten 30 Minuten bleiben sollte. Das Quintett spielte eine Art Siebziger-Hardrock mit einer gewissen Stoner-Schlagseite, aber im Zweifel eher traditionsbewußt, und das bedeutete: Black Sabbath als Vorbilder, wenngleich eher deren psychedelischer angehauchte Songs als die kantigen Metalbrocken. Der Opener "Angel Dust" gab die Marschrichtung vor, offenbarte allerdings auch das generelle Problem, daß für diese Sorte Musik der Sound insgesamt etwas drucklos (wenngleich aber positiverweise balanceseitig ausgewogen) herüberkam. Das störte freilich in Songs wie "Lack Of Love" nicht, denn dessen mit Akustikpassagen durchsetzte Struktur bot auch so genügend Kontrast innerhalb des Songs, und die erwähnten ruhigeren Teile erinnerten wahlweise an Black Sabbaths "Planet Caravan" oder dessen Coverversion durch Pantera. Dem gegenüber stand "Fever", aus einem dieser psychedelischen Sabbathianer später in ein Speedsolo der klassischen Metalgitarrenheldenschule überwechselnd, dessen Intonateur der Sänger spaßeshalber als "Keith Richards" vorstellte. Daß das Weißenfelser Quintett seinen starken Set mit einem Cover von Wolfmother abschloß, paßte irgendwie perfekt ins Bild.
Zen Zebra ... schon mal irgendwo gehört, den Namen, aber noch keinen Ton von der Band. Nanu? Ein alter Bekannter am Baß, nämlich Max von Cutterfly bzw. Nitrolyt - und auch Drummer Johnny konnte man von Blossom und zwischenFall bereits kennen, wobei letztere beiden keinen Einfluß auf den Sound von Zen Zebra ausgeübt haben dürften, erstere beiden dahingegen zumindest punktuell. Zen Zebra warfen sämtliche gängigen Post-Stile in einen Topf und kochten daraus ihr eigenes, teils arg psychotisches Postrocksüppchen, in dem die Halbballade "Shades" einen überraschenden Ruhepol markierte, während ansonsten eher das mehr oder weniger gebändigte mathematische Chaos vorherrschte, und das bei gar nicht mal so hohen Tempi (zwar steht auf der Homepage der Band was von Alternative, aber zumindest live zerbröselte dieser Terminus schnell). Eingängigkeit wurde also eher klein, Energie aber groß geschrieben, wobei der Sound dem Powertransport eher entgegenkam und nur die Vocals einen ganz kleinen Tick zu stiefmütterlich behandelte, was der Sänger aber durch eine Extraportion Einsatz wieder wettmachte. Neben vorherrschendem psychotischem Gebrüll (mit einer hübschen Demonstration, welche Effekte man erreichen kann, wenn man sein Mikrofon mit sägeartigen Armbewegungen von seinem Gesicht hin und her bewegt) beherrschte er auch eine eigentümliche Art des Klargesangs, die an eine extrem verzweifelte Version von Geddy Lee denken ließ; zudem erwies er sich auch als Bühnenaktivposten, wenngleich ihm seine Bandkollegen diesbezüglich nur wenig nachstanden und mit einer wilden Show punkteten. Freilich müssen Zen Zebra noch lernen, ihre zweifellos im Übermaß vorhandenen Fähigkeiten ein wenig zu kanalisieren - nicht jede Schleife am Songende und nicht jede Generalpause ergaben noch richtig Sinn, wie speziell "What Else" (Closer des regulären Sets) und "Consequences" (Zugabe) deutlich erkennbar machten. Und eine richtig eigene Linie geht Zen Zebra im Gegensatz zu etlichen der erwähnten Ex-Bands auch noch ab - aber daran läßt sich arbeiten. Ein starker Gig einer großen Nachwuchshoffnung, nach dem die Veranstalter auf Konservenmusik umschalteten, welchselbige im Gegensatz zum Vorjahr diesmal der musikalischen Sozialisation der meisten Anwesenden deutlich besser entsprach (nur die Ü30-Methusalems im Publikum wie der Rezensent fühlten sich mit der Musik der ersten Umbaupause, u.a. mit Motörheads "Stand" oder Twisted Sisters "We're Not Gonna Take It" noch ein wenig besser unterhalten).

Nachdem die diversen sportlichen Wettbewerbe am Samstag (Streetsoccer und Streethockey) immer mal eine schauerliche Dusche abbekommen hatten, beruhigte sich das Wetter gegen Abend wieder, und Annisokay eröffneten pünktlich um 19 Uhr den zweiten Konzertabend. Die Hallenser boten fünf Songs Metalcore, der sich überwiegend in unteren bis mittleren Geschwindigkeitsregionen aufhielt, allerdings ein wenig unter Technikproblemen bei beiden Mikrofonen litt - sowohl das Gebrüll des hauptamtlichen Sängers als auch die sehr emotionalen, hohen, fast wie vor dem Stimmbruch klingenden Vocals des Rhythmusgitarristen (dessen Gitarre gleich zu Anfang nicht richtig eingestöpselt war, was den Stimmungsübergang vom Intro in den ersten Song nachhaltig versaute) erzeugten in regelmäßigen Abständen Übersteuerungen, bezüglich derer auch nach einigen Songs noch kein Gewöhnungseffekt eingetreten war, wenngleich sich ihre Dichte mit zunehmender Setdauer wenigstens etwas verringerte. Das Quintett zeigte in "Fever", daß es auch etwas flottere Beats beherrscht, setzte diesen Song allerdings offenbar gemäß dem textlichen Programm um - es ging um alte Autos, und die pflegen bisweilen auch mal stehenzubleiben, so daß sich die Breaks bis zur Generalpause, also zum Stillstand, auszuwachsen begannen. Der etwas doomigere Setcloser überraschte in seinem Finale noch mit einer kleinen Balletteinlage der vier Frontleute, bei der freilich an der Exaktheit noch ein wenig gearbeitet werden darf. Trotzdem ein guter Auftritt, wenngleich ohne wirklich eigene Note.
In der folgenden Umbaupause ging der letzte Schauer des Abends hernieder, so daß das Publikum bis auf drei, vier Demoria-Die Hard-Anhänger unter die Dächer der Bierstände und des Mischpultwagens flüchtete. Demoria aber brachten die Wolken schnell zur Auflösung, und so bevölkerte sich das Gelände vor der Bühne bald wieder. Das Sextett intonierte fast reinen Death Metal nahezu ohne jegliche Core-Zutaten, wobei in den Midtempopassagen ein gewisser hymnischer Einschlag unverkennbar war und automatisch eine Synapsenverknüpfung zu Amon Amarth herstellte, wohingegen die schnelleren Passagen vor allem aufgrund ihrer Melodiearmut etwas mehr Eigenständigkeit beanspruchen konnten. Freilich könnte sich dieses Urteil beim Lauschen von Studioaufnahmen oder einem Gig mit anderen Soundverhältnissen auch anders gestalten, denn die Saiteninstrumente flossen des öfteren zu einer betonartigen Masse zusammen (vor allem den Rhythmusgitarren fehlte es an Deutlichkeit), und auch den Keyboarder hörte man hauptsächlich in einigen Breaks oder dann, wenn er irgendeinen Soundeffekt einwarf, der vom Frequenzspektrum her alles andere durchdrang (so etwa die Sirene im abschließenden "I Am The Bomb"). Selbiger Keyboarder war mit seinem kleinen tragbaren Kasten und seiner psychotischen Bühnenshow der optisch auffälligste Akteur der Band neben dem Muskelpaket von Sänger, der sich übrigens auf Gebrüll beschränkte und sich von Cleaneinschüben konsequent fernhielt. Die Rhythmusgruppe schien übrigens ein gutes Stück älter zu sein als der Rest der Band (der Drummer trug gar noch ein Napalm-Death-Shirt), der Leadgitarrist spielte ein bundloses Instrument, und der Rezensent überlegt immer noch, von welcher anderen Band her er den Rhythmusgitarristen zu kennen glaubt. Die Weißenfelser Lokalmatadoren brachten in ihren 25 Minuten sechs Songs unter, lockerten das Stilspektrum gekonnt auf und machten trotz der Soundprobleme durchaus Hörspaß.
The Handshake Affair traten nur als Quartett an - der zweite Gitarrist befindet sich seit zwei Monaten in Australien, und man sucht händeringend nach einem Nachfolger. Keine Ahnung, wie der Metalcore der Truppe mit zwei Gitarren klingt, aber das, was man an diesem Abend mit einer Gitarre fabrizierte, ließ doch noch viele Wünsche offen, beispielsweise den nach irgendwelchen Strukturen innerhalb der wirr anmutenden (aber vermutlich nicht bewußt mit dem Stilmittel Wirrnis angelegten) Songs, die ein Gefühl der Hilf- oder/und Orientierungslosigkeit hinterließen. Dazu kam ein Sänger, der zwar durchaus engagiert wirkte, aber seine heiseren Shouts so angestrengt intonierte, daß man ihm hätte helfen wollen, wenn man nur gewußt hätte, wie. Melodien blieben akute Mangelware, auch der Energietransport klappte nicht so richtig, und so blieb es dem Drummer hinter seinem vergleichsweise winzigen Kit vorbehalten, mit seinem sehr tomlastigen Spiel wenigstens einige positive Akzente zu setzen. Im letzten Song beschloß die Gitarre dann irgendwann, ihre Arbeit zu verweigern, was ein perfektes Sinnbild für diesen Gig abgab.
Lionheart waren im Billing mit der Länderherkunft "US" gekennzeichnet worden - also kein anglifizierter Geheimgig des Manos-Vorgängers Löwenherz aus dem nicht sonderlich weit von Weißenfels entfernten Querfurt, sondern die kalifornischen Hardcoreler, deren Set unterstrich, daß man auch heute noch Hardcore fast ohne jegliche Zutat von Metal spielen kann; allenfalls in der bisweilen etwas komplexeren und doublebasslastigeren Schlagzeugarbeit konnte man Spuren von Metal ausmachen. Der Rest: klassischer Hardcore, einige Breaks, viele Tonwiederholungen im Riffing, viel Energie bei schnellem Geknüppel wie bei ausgedehnten Breakdowns und die ersten Circle Pits im Publikum, wenngleich schon hier deutlich wurde, daß das Auditorium des Vorjahres in puncto Bewegungsaktivität das diesmalige um Längen schlug. Der linke Gitarrist und der Drummer ergaben im Durchschnitt zwei Menschen mit Idealfigur, und der Sänger outete sich in seinen Ansagen als absoluter Schnellsprecher, gegen den Dieter Thomas Heck als Doomfreak durchgehen würde - der dadurch unterzubringende viele Inhalt wurde durch diverse Botschaftswiederholungen bestritten. Ein unterhaltsamer Gig und wieder eine gelungene Auflockerung des Stilspektrums.
As We Fight stellten so etwas wie die heimlichen Headliner des Festivals dar, und gemäß der Publikumsreaktionen waren sie das auch. Die Dänen spielten einen äußerst energiegeladenen Set in der Grauzone zwischen Metalcore und Melodic Death, wobei man bis auf die geringfügig zu verwaschenen Gitarren wenig am Sound aussetzen konnte. In der Setlist berücksichtigt wurden alle drei Alben, wobei auffiel, daß die Exempel vom Debüt "Black Nails And Bloody Wrists" die schnellsten Passagen des gesamten Sets beinhalteten, was einen reizvollen Kontrast von "Bringing It All Together" zum gleich darauf folgenden, vom neuen Album "Meet Your Maker" stammenden "Witness The Slaughter" ergab, das eher schleppend, nur durch einen kurzen schnelleren Zwischenpart aufgelockert daherkam und in dem die Band (welche Metalcoreband macht das schon?) das Publikum aufforderte, jetzt bitteschön nicht zu pogen, sondern zu bangen. Die beiden Sänger (die sich brüderlich in die Aufgaben teilten - der eine kreischte, der andere shoutete, wobei sich der erstgenannte auch noch als Bühnensprinter entpuppte) machten sich mit ihren rudimentären Deutschkenntnissen schnell beim Publikum beliebt, und die Ausrufung einer "Bierpause" wurde schnell zum Running Gag zwischen den Songs. Die schon bei Lionheart festgestellte Bewegungsarmut des Publikums fand hier ihren Ausdruck, als der erste (und einzige) Stagediver die Bühne erklomm, aber niemanden fand, der ihn auffangen wollte, und somit die Bühne wieder auf dem Normalweg verließ. Putzig - aber trotzdem ein starker Gig.
Einen solchen spielten auch Fear My Thoughts, allerdings auch einen eigenartigen, denn das Quintett hatte seine Sorte von Metalcore mit einiger Progressivität angereichert, was die Kompositionen nicht leicht nachzuvollziehen und für Bewegungsaktivitäten bei noch nicht kompletter gedanklicher Durchdringung seitens des Publikums (und dem war offensichtlich so) weitgehend ungeeignet machte. Soll heißen: Man stand eher interessiert da und lauschte dem, was die Südwestdeutschen da von sich gaben. "Five Friends" geriet gar zur Halbballade, während der Speed von "Windows To The Death Of People" diesbezüglich einen Kontrapunkt setzte. Die zahlreichen Soundeffekte kamen vom Band und waren unterschiedlich gut wahrnehmbar; positiverweise konnte man aber das Gros der Leadgitarren problemlos durchhören. Der Sänger sammelte mit Aufforderungen wie "Unterstützt eure lokalen Brauereien" Punkte und entschuldigte sich mehrfach augenzwinkernd dafür, daß man jetzt so kompliziert musiziere. Das Publikum hatte ganz offensichtlich seine liebe Mühe, die Werke nachzuvollziehen, aber die Stimmung blieb trotzdem gut, wenngleich es schon symptomatisch war, daß As We Fight laute Zugabeforderungen geerntet hatten (die wegen des strikten und auch eingehaltenen Zeitplanes nicht erfüllt werden konnten), Fear My Thoughts aber nicht.
Die "Aftershowshow" bestritten dann Beneath The Dying Sky, über die der Rezensent aus hier nicht näher zu erörternden Gründen (nein, Alkohol oder andere bewußtseinserweiternde Mittelchen waren nicht im Spiel) wenig sagen kann. Festzustellen war, daß das Sextett ebenfalls im Metalcore beheimatet war, die Verwendung dreier Gitarren aber nicht eben zu einem klaren Soundbild beitrug. Im letzten Song kam dann noch ein Gastsänger zum Einsatz, und gegen 1 Uhr endete ein erneut gelungener Jahrgang des No Silent Backlands-Festivals. Nächstes Jahr wieder? Sicher - www.jugend-wsf.de hält den Interessenten über Termin, Billing und alles sonstige Wissenswerte auf dem laufenden.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver