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Knock Out Festival   12.01.2008   Karlsruhe, Europahalle
von gl

Der Flyer zur Veranstaltung
Dass zu Beginn des Jahres gleich über 4000 Metal-Fans zu diesem Festival strömen würden, hätte (sicher nicht nur) ich nicht gedacht, bestätigt aber einmal mehr den erstarkten Metal-Markt und die Treue der Anhänger dieser Musik. Das attraktive Billing mit 6 angesagten Bands und der im Vergleich zu Einzelkonzerten günstige Kurs von (nur) 34,- Euro für diese Veranstaltung bewiesen, dass es doch geht und vom musikalischen Verlauf des langen Tages wird es kaum Beschwerden gegeben haben. Wo man allerdings massiv nachbessern muss, ist der Ablauf im Getränke- und Essens-Verkauf, der geradezu dilettantisch vonstatten ging und mit über 15 Minuten Wartezeiten und einem vollkommen überforderten Personal durchgeführt wurde. Die Veranstalter hatten wohl nicht mit einem solch großen Ansturm gerechnet, denn es wurde im Verlauf des Tages eher schlimmer. (Um dies zu entzerren, könnte man doch auf der Gegenseite ebenfalls Getränkestände einrichten oder einen separaten Stand für die Becherrückgabe, wie das beim Deep Purple-Konzert vor einigen Jahren an gleicher Stelle gemacht wurde.)

Ist krank aber lässt sich nichts anmerken: Simone Simons  EPICA auf Tuchfühlung - Simone: 'Wenn du nochmal so grunzt, war's das!' Mark Jansen: 'Meinst du wirklich?'

Cookie-Monster vocals bei EPICA  Simone steht den Gig tapfer durch, aber cancelt danach alles weitere

Augenweide und Ohrenschmaus in einem  Profis @ work
Eröffnet wurde der musikalische Reigen um 17:00 von den Holländern EPICA und hier war ich positiv überrascht, dass die Band überhaupt spielte, denn tags zuvor wurde vermeldet, dass Simone Simons ernsthaft krank sei und die Band mehrere Konzerte dieses Frühjahr absagte. Die Sängerin, offensichtlich eine Kämpfernatur, ließ sich aber nichts anmerken, fragte sogar noch, wie es uns geht, und meinte dann "Mir geht's auch gut!" und nur wer nahe dran war, sah, dass dem eben nicht so ist, was nur minimal hörbar war gegen Ende des kurzen Auftritts. (Mir fiel ja bei der Gelegenheit im Gegenzug das lächerliche Gejammer des EVERGREY-Frontmanns beim Bang Your Head 2007 ein, der lamentierte, er habe solche Kopfschmerzen und es ginge ihm so schlecht ... welch ein krasser Unterschied ...) Bei EPICA bin ich wieder einmal gespalten von der Vorstellung der Sängerin und der guten Musik einerseits und den zu der Band aber oft dazugehörenden Growls von Gitarrist Mark Jansen andererseits (wie bei LEAVES EYES auch), so dass mir persönlich die Tracks die ohne Gegrunze auskommen, wie "Never Enough" eben am Besten gefallen. Aber okay, die Band fährt damit gut, hat viele Anhänger und ist eigentlich schon weiter als ein Festival eröffnen zu müssen, was wiederum für die Hochklassigkeit des Abends spricht. Leider blieb in den 40 Minuten keine Zeit für das klassische orchestrale, ... tja epische "The Phantom Agony", was aber gesanglich für Simone sicherlich eine hohe Anstrengung gewesen wäre. (Das Gleiche gilt für das eher ruhige "Faint", das heute natürlich auch fehlte.) Die Band und vor allem ihre sehr gefragte Sängerin (siehe ihre Gastauftritte mit KAMELOT, AYREON und PRIMAL FEAR) werden sicher kein Festival mehr als Opener bestreiten.

Für AXXIS on stage Ana Mladinovici, Sängerin der rumänischen Band MAGICA  Die neue Axxis-Axe: Marco Wriedt

Ständig in Bewegung: Bernhard Weiß
Auch AXXIS haben eine Sängerin - hier jedoch als Ergänzung - mit dabei, und da hat sich kürzlich was geändert. Kurzfristig eingesprungen ist die rumänische Sängerin Ana Mladinovici von der Band MAGICA, die just ein gutes Album herausgebracht hat. Bernhard Weiß hat ja eine ganz eigene Art des Mitgehens auf der Bühne, die unüblich ist (er tänzelt und boxt imaginär in den Boden), sieht irgendwie drollig aus, aber immer noch besser als die tausend mal gesehen Standardposen. Ich habe AXXIS einige Jahr gar nicht auf dem Schirm gehabt und sie haben mich mit ihrem jüngsten Album "Doom Of Destiny" begeistert und diesen Eindruck haben sie heute mit einer klasse Performance und Songauswahl voll bestätigt. Auch wenn mein Lieblingssong der Band "Stay Don't Leave Me" gefehlt hat, man kann eben nur diese geringe Anzahl von 9 Liedern spielen, "Living In A World" und "Kingdom Of The Night" haben dies zum Schluss rausgerissen.

Henjo Richter hat Spaß  Kai Hansen konzentriert

Na, wer ist das wohl?! :-)  Macht eigentlich immer eine gute Figur, der Mann

Rockten zu kurz: Gamma Ray  Smoke on the water?
Auch GAMMA RAY haben nur 50 Minuten und sie nutzen die genauso gekonnt mit den folgenden Songs:
Setlist Gamma Ray
Nach der starken neuen Platte "Land Of The Free II" hatte ich nichts weniger erwartet als einen erstklassigen Auftritt, den die vier Hamburger der Meute auch geben, spielerisch wertvoll und sichtlich eingespielt wurde hier der gute alte Metal in Reinform kultiviert. Es ist schon irgendwie skurril, wenn später HELLOWEEN selbst auf der Bühne stehen, und Kai Hansen spielt mit seiner Band "Ride The Sky" aus einer Zeit, als er selbst noch in der Band war. Aber machen wir uns nichts vor, genau DAS wollen wir alten Säcke doch hören, oder?!? ;-) Zumal ja die Zugabe davon schon angekündigt war ...

Steve Edmondson am Bass  Den ganzen Set die gleiche Auf-und-ab-Bewegung ... Aaron Aedy an der Rhythmus-Guitarre

Nick Holmes  Heute wieder einmal etwas schlecht gelaunt: Nick Holmes, Sänger von Paradise Lost
Es kann einem nichts alles gefallen, aber wenn "man" mal versucht, objektiv zu werden, war die Hereinnahme von PARADISE LOST auf dieses Festival ein richtiger Entschluss. (Noch eine Band der ähnlichen Stilistik mehr, z.B. KAMELOT hinzuzunehmen, wäre, so sehr ich sie auch mag, nicht dienlich gewesen.) Man erreichte so - zusammen mit dem Headliner natürlich - eine weitere Zielgruppe und im Großen und Ganzen Leute, die härtere Rock-Musik hören wollen. PARADISE LOST aber leiden am meisten wohl selbst darunter, dass sie nicht mehr die ganz große Geige spielen (vergleiche ihr Auftritt bei Rock Am Ring vor einigen Jahren, aber selbst dort hat der Frontmann ja wütend das Mikro auf den Boden geschmissen ...) und hier im "Mittelfeld" antreten müssen - und lassen dies sogar das Publikum spüren: Zwei Helloween-Fans, die sich offensichtlich schon in der 1. Reihe postiert haben und der Band Desinteresse entgegenzubringen scheinen, werden von Sänger Nick Holmes als "miserable faces" bezeichnet und er äußert sich etwas spöttisch darüber, dass sie wohl nur auf die Band nach ihm warten ... Dieses sehr selten erlebte Gebaren ist unprofessionell, darüber sollte man eigentlich stehen als etablierte Band. (Wobei Paradise Lost als typische Briten auch einen dunkelschwarzen britischen Humor pflegen, und so ein Einwurf könnte also auch ironisch gemeint gewesen sein - Anm. rls) Im Grunde bin ich absolut der falsche Mann, den Live-Auftritt der Band zu kommentieren, da ich mit ihnen nix am Hut habe, sie hatten ihre Zuhörer (Publikumsreaktionen waren nicht auszumachen, die Leute standen halt da und schauten zu) und den lustigsten Zwischenruf des gesamten Tages in einer ruhigen Phase: "FREIBIER UND ANTIDEPRESSIVA!!" forderte einer lautstark und erntete Gelächter und Zustimmung. Sie sind wahrlich bei HIM im Vorprogramm nur einen Monat später passender aufgehoben.

'Ihr seid zu leise - ich kann euch nich hörn'  Michael Weikath etwas im Düsteren

TATTOO YOU: Markus Großkopf und Andi Deris  Sein Gegenpart Sascha Gerstner dafür im rechten Licht

Hat ein Heimspiel: Andi Deris  Bassinvader Großkopf und Sascha Gerstner in Aktion
Nun kamen HELLOWEEN, was schon während des Gigs von Gamma Ray durch einen durch den Fotograben latschenden Roadie angekündigt wurde, der ein orangenes Riesen-Zelt hinter sich herzog, was dann während Paradise Lost zu einem Kürbis aufgepumpt wurde. Auch der Kauz vom neuen Albumcover steht in XXL auf der Bühne, ebenso wie das Glücksrad. Die Band, deren Sänger Andi Deris bekanntlich aus Karlsruhe kommt, erntete die euphorischsten Publikumsreaktionen des Tages mit einem furiosen Set, der wohl auch Skeptiker (wie mich) überzeugte. Der lange Song "Halloween" gleich am Anfang sorgte für offene Münder; Mann, dass man das noch erleben darf - DANKE!!!
Die Showeinlage
Helloween fügten ein Show-Element in ihren Auftritt ein, das wie folgt aussah: Gerstner, Deris und Großkopf als Zwerge mit Bärten verkleidet intonierten "Smoke On The Water" aus einer Mini-Bühne heraus und der Weiki "erschoss" sie dann mit einer MG-Attrappe. Trotz des sehr überzeugenden Auftrittes kann man ggf. noch anmerken, dass sowohl Helloween (wie Gamma Ray im übrigen auch) jeweils gerade mal EIN Stück von ihren neuen gutklassigen Alben spielen ("As Long As I Fall" bzw "From The Ashes"), sich somit nicht wundern müssen, wenn potentielle Neukäufer doch eher im Zweifelsfall auf das alte Material zurückgreifen. Gut, die beschränkte Spielzeit heute bedacht, wird auf der regulären "Hellish-Rock"-Tour sicherlich mehr Neues gespielt.
Gammaween/Helloray-Jam: Kai, Henjo, Weiki  Der einstige und der heutige Helloween-Sänger

Wieder 'vereint': Kai, Weiki und Markus
Und dass alle Hamburger bestens - auch aufeinander - eingespielt sind, wurde jetzt noch mit der "Helloray/Gammaween"-Jamsession eindrucksvoll belegt. Jene wurde kurioser sogar geplant und angekündigt, was ja ein Widerspruch an sich bei einer Jamsession ist. Sollten die beiden gespielten Kracher "Future World" und "I Want Out" doch den Höhepunkt des gesamten Tages bilden. Dass da überhaupt kein böses Blut mehr zwischen Kai Hansen und seinen ehemaligen Bandmitgliedern herrscht, das wurde auch dem letzten klar, denn soviel gute Laune, Begeisterung, und Power sowie gegenseitiges Anfeuern unten und oben war selten - sensationell!!!

Die Setlist

Sharon heute zum 1. Mal OHNE ihren Ehemann auf der Bühne  Kann vor lauter Aufregung im Fotograben schonmal vorkommen ... ;-)

WT-Bassist Jeroen van Veen ...  ... und seine Fans in der 1. Reihe!

Sieht immer gut aus: Sharon den Adel  Die Sonne geht auf!
Um viertel vor Zwölf verließen zwar einige wenige (Hunderte) die Halle, SOO groß wie befürchtet war der Exodus jedoch auch nicht. (Zur Erinnerung: Zunächst war das Festival ohne WITHIN TEMPTATION geplant, die dann sozusagen nachträglich als Headliner oben draufgesetzt wurden, was einiges an Murren bei den Fans der Power Metaller auslöste.) Und zu allem Unglück hatten die Holländer parallel zu ihren Landsleuten von EPICA ein Problem, denn Gitarrist Robert Westerholt konnte nicht auftreten, so dass die Band heute nur als Quintett spielte. Aushängeschild Sharon Den Adel, die - let's face it - mehr als die Sängerin der Band ausmacht, zog natürlich wieder alle Blicke auf sich und sorgte für Rempeleien im Fotograben ...: (Und zum Fashion-Statement des Monats noch ohne Dauerwellen - habt Ihr sie inzwischen mal gesehen? Sie sieht aber immer gut aus, egal wie sich kleidet.) Ihre eigenwilligen aber dennoch eleganten Armbewegungen, eine Mischung aus Thai-Tanz, Tai-Chi und Schutzmann beim Verkehrsregeln, haben irgendwie was Anmutiges an sich. Und singen kann sie ohnehin wunderbar, das muss man zweifelsfrei konstatieren. Wohl denen, die 2 Gitarristen haben, somit bleibt Ruud Jolie heute die Aufgabe übertragen, den Set zu bestreiten, was kein bisschen auffiel. Und in diesem Zusammenhang meine Kritik: Den ganzen Auftritt von WITHIN TEMPTATION hindurch hatte ich das ungewisse Gefühl, dass der Live-Charakter dieses Auftritts durchgehend mit Konservenmusik unterlegt würde, sei es nun, dass Chöre verstärkt oder Harmonien "satter" gemacht bzw. ergänzt wurden, das Ganze hörte sich einfach zu vollkommen an, es war ständig ein diffuses "Ahhh ..."- oder "Ohhh ..."-Rauschen während aller Songs zu vernehmen. Das schien aber die verbliebenen ca. 3000 Leute, die sich das bis um ca. 1.00h anhörten, nicht zu stören, so dass auch der letzte Auftritt heute (wo sich einmal mehr zeigte, dass die letzte Position nicht immer die beste ist!) auf Gegenliebe stieß. Ja, mir sind sogar zwei Leute bekannt, die sich Epica anschauten, dann in die Stadt fuhren und zu WT wieder zurückkamen!

So dass in der Gesamtheit dieses zweite Knockout-Festival als stimmig und erfolgreich bewertet werden muss. Es soll sich als festes Winter-Festival etablieren und die 3. Auflage soll um Weihnachten 2008 stattfinden. Nur die allzu heftige Benutzung des Stroboskop-Effekts, die Dauerbefeuerung der Augen durch fast minutenlanges Blenden, störte ganz erheblich (vor allem bei Epica). Muss der Unfug denn wirklich sein?!?

Fotos: gl






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