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Blind Ego, Sylvan   10.05.2007   Heidelberg, Schwimmbad Music Club
von gl


Der Flyer zur Veranstaltung
Man müsste es verstehen, wenn die Musiker des heutigen Konzertes den Rhein-Neckar-Raum zukünftig konsequent meiden würden. Ja, ich glaube sogar, dass es in absehbarer Zeit keine Auftritte der beiden Bands hier geben wird, zumal es ja schon der 2. Versuch von Karl-Heinz Wallner nach dem Konzert von RPWL vor über 2 Jahren an gleichem Ort mit The Amber Light war. Schon damals war es - wie heute wieder - der schlechtbesuchteste Ort der Tour, es ist zum Verzweifeln. Komisch: Fährt man nur 70 km nach Karlsruhe / Substage oder nach Aschaffenburg / Collos-Saal, kommen zu den gleichen Konzerten doppelt so viele Leute. Aber wie Yogi Lang, der heute übrigens "nur" als Keyboarder mit Blind Ego unterwegs war, so schön sagte: "Wenn man immer vom Reiz des Clubs spricht, dann muss man auch vor 30 Leuten spielen." Okay, 'n paar mehr, aber trotzdem unter 50 werden's gewesen sein, als nicht nur zu meiner Überraschung die Hamburger SYLVAN sogar noch vor dem im SMC üblichen Konzertbeginn 21.30 h begannen. Man wechselte sich bei dieser Co-Headlining-Tour ab, und um zwei komplette Konzerte mit jeweils fast 90 Minuten zu spielen, wurde eben früher begonnen - lobenswerte Sache!

Real guitars have wings: Im Vordergrund Aushilfsgitarrist Guido Bungenstock  Melancholische Songs und kaum Zuschauer, aber trotzdem ein Lächeln von Marco Glühmann
Die Band begann mit dem ruhigen "When The Leaves Fall Down" vom neuen Album "Presets". Gleich fiel auf, dass es eine Umbesetzung gegeben zu haben scheint, aber im Laufe des Konzertes werden wir aufgeklärt, dass Aushilfs-Gitarrist Guido Bungenstock auf dieser Tour den etatmäßigen Gitarristen Kay Söhl vertritt und Kay nicht ausgestiegen ist. Guido muss sich nicht nur in die Songs einfinden, was er gut macht, nein, er hat auch noch mit der zu übertrieben eingesetzten Nebelmaschine zu kämpfen, so dass er mitunter seine Pedale nicht mehr sieht, was zu einer Ansage von Sänger Marco Glühmann führt, doch bitte etwas sparsamer damit umzugehen! (DANKE - Jeder Photograph weiß das bei Konzerten sehr zu schätzen!)

Marco Glühmann, die Stimme von SYLVAN  Sylvan live, in der Mitte Sebastian Harnack (Bass)
Nachgesetzt wird mit dem auch aktuellen "One Step Beyond" und SYLVAN stehen einfach nur da und spielen ihre Songs, ohne sich groß zu bewegen. Das reicht den wenigen, die die Songs kennen und lieben, aber ob Bandunkundige dadurch angeleitet werden, tiefer in die Materie einzutauchen, kann ich nicht beurteilen. Aber es waren ja eh kaum Zufallsgäste da, so wird mit einem Rückblick auf "X-Rayed" aus dem Jahre 2004 das etwas energischere "Through My Eyes" geboten. Sänger Marco Glühmann fragt noch, ob jemand das Album kennt: NULL Resonanz! - nach dem Song dann wenigstens ein paar Klatscher, also die Musiker konnten einem schon leid tun. Ich empfinde das Eintauchen in die melancholischen Klangwelten SYLVANs als große Freude und hatte mich sehr auf das Konzert gefreut. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, kann man doch einfach mal nur zuhören und braucht keine rumrennenden Musiker (was hier eh nicht geht).

Man beachte den 'Stage Manager' in der Mitte, ein Mitbringsel aus Belgien von der Tour
Doch ein wenig zu statisch kam mir die Band doch vor, was man ihnen aber nicht übel nehmen kann, auch wenn die Enttäuschung über die nicht vorhandene Resonanz diplomatisch verborgen wurde. (Das Schnarchen in einem meiner Lieblingsstücke der Band "Given - Used - Forgotten" hätte irgendwie gepasst heute zu der ganzen Situation und dem nicht vorhandenen Feedback ...) Im Gegenteil: Es wurde sogar ein Teil ihres Magnus Opus "Posthumous Silence" dargeboten, natürlich nicht alles.
So dass die Zugabe (!) - das muss man sich mal vorstellen - das fantastische "This World Is Not For Me" irgendwie symptomatisch für den Abend stand! (SYLVAN - die verkannte Band ...)
Von ganzem Herzen wünsche ich den Jungs um Marco, dass ihre Spezialshow und DVD-Aufnahme am 1. September in Hamburg zu "Posthumous Silence", dann komplett, von mindestens zehnmal so vielen Leuten besucht wird wie diese öffentliche Probe hier heute abend.

Der Initiator von BLIND EGO: Karl-Heinz Wallner  Charismatischer und sympathischer Sänger: Paul Wrightson
Die deutsch-englische Kollaboration BLIND EGO konnte sich nicht den Spaß verderben lassen, ging die Sache wesentlich energischer an und suchte von Anfang an den Kontakt und die Interaktion mit dem Häufleich Anwesender. Das gipfelte darin, dass Sänger Paul Wrightson, der vor 9 Jahren bei ARENA sang, doch tatsächlich im hinteren Drittel des Konzerts durch den Club lief und den Anwesenden, auch den gelangweilt hinten Sitzenden, die Hand schüttelte und sich für ihr Kommen bedankte! DAS nenne ich mal Commitment und Kämpfen um jeden einzelnen Zuschauer! Sympathikus John Jowitt, Bassist in zig englischen Progressivbands (too numerous to mention ...) und stets gutgelaunt, trug ebenfalls seinen Teil dazu bei. Die Zusammenarbeit der Engländer mit dem Initiator des Projekts, Kalle Wallner ist ja brandneu, erst im Herbst 2006 nahm man das Debüt "Mirror" auf, so dass logischerweise auch nur dieses eine Album als Fundus für Live-Material diente. Und die Platte ist so stark, dass sie mit Ausnahme des Bonustracks auch komplett gespielt wurde! Man sah Paul geradezu die Freude an, dass Kalle ihn reanimiert hatte, mit solcher Inbrunst und Spielfreude ging er vor. (Keine Ahnung, was der Mann solange gemacht hat ...) Ein Vorlauter rief recht früh "Crack In The Ice" in eine Spielpause rein ... Mr. Jowitt grinst und Paul nuschelt "Never heard of it!" ins Mikro. Hm, geschah sein Split damals etwa im Unguten und will er nichts mehr von seiner ehemaligen Band wissen ...? In den Gesangspausen, so etwa bei dem traumhaften "Moorland", verlässt Paul zwar die Bühne, tanzt aber mit Begeisterung im Gang neben der Bühne mit und wartet auf seinen nächsten Einsatz. Rechts oben hat sich Yogi Lang hinter einem Keyboard verschanzt, um den Sound anzureichern und man befürchtet, dass er sich seinen Kopf an der Decke anhaut, die nur wenige Zentimeter über ihm ist! Wie bei RPWL glänzte Kalle mit verträumt verspielten aber auch mal heftig deftigen Gitarrenpassagen, dass es eine wahre Pracht war, ihm zuzusehen. Dafür, dass dies erst der 4. Auftritt des Projekts war, das wohl erst im Verlauf dieser Woche zu einer Band wurde, kann man das Erlebte schon als hervorragende Leistung betrachten. Zumal am Schlagzeug Tommy Eberhardt für die Tour von Erwin Rieder ersetzt werden musste. Vollkommen unvorbereitet und ohne Ankündigung leiten die 5 dann doch tatsächlich über in das Doppel "My Empty Room" und anschließend "Breaking The Silence" von QUEENSRYCHE von deren "Operation Mindcrime" über, und es dauerte einige Sekunden, bis der Rezensent das verarbeitet hat. Um es noch konkreter zu sagen: Dass ich mich nicht vor die Bühne gekniet habe, ist alles - Hammer!!!

Fungiert hier im Hintergrund 'nur' als Keyboarder: Yogi Lang
  John Jowitt, immer gut gelaunt und einer der sympathischsten britischen Musiker überhaupt, heute für BLIND EGO am Bass
Und nach dem verspielten 10-Minüter "Forbidden To Remain" die nächste Überraschung: "Perfect Strangers" von DEEP PURPLE, welches zu Pauls Stimme genial passt und von den wenigen Begeisterten auch abgefeiert wird. Kalle ist sichtlich die Freude anzusehen, auch mal einfach abzurocken im Gegensatz zu den oft bedächtigen Songs von seiner anderen Band. Als ob dies noch nicht genügt, zum Schluss dann doch tatsächlich ein wunderbares Lied von der ehemaligen Band von Paul und John: "Crack In The Ice"! Und der Zwischenrufer von vorhin versichert glaubhaft, die Setlist (siehe unten) vorher definitiv nicht gesehen zu haben!

Ein deutsch-englisches Projekt, das auf der Tour zur Band reifte: BLIND EGO
BLIND EGO haben hiermit schon jetzt eines der Konzerthighlights 2007 abgeliefert, den Klagegesang über zuwenig Zuschauer spare ich mir diesmal, wird langsam langweilig. Vor der Show war ich mir sehr sicher, dass SYLVAN als 2. spielen würden, im Nachhinein kann ich mir es andersrum gar nicht mehr vorstellen. Ohne die musikalischen Leistungen der Hamburger zu schmälern, war die Entscheidung genau richtig.

Die Setlist von Sylvan

Die Setlist von Blind Ego

Fotos: gl






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