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FREA-X-MAS mit Overhead, Strange Ahead, Helianthus, Pinky And The Brains   20.12.2002   Chemnitz, Zoom
von rls

Alle Jahre wieder laden die Jesus Freaks Chemnitz zum Weihnachtsgig ein, und eine ansehnliche Zahl Publikums war anno 2002 dem Ruf ins somit gut gefüllte Zoom gefolgt. Freak-Gig-Unerfahrene dürften an diesem Abend einige eigentümliche Verhaltensweisen kennengelernt haben.
Meinereiner verpaßte arbeitsbedingt Pinky And The Brains mit ihrem jazzigen Blues oder bluesigen Jazz (man subtrahiere als Gedankenexperiment von Iridium den Core-Anteil). Als ich im Zoom eintraf, bewegten sich Helianthus gerade aufs Ende ihres Sets zu. Ihr "Minnerock" kam zumindest in dem Setteil, den ich noch hörte, ganz ordentlich rüber, offenbarte aber bisweilen Nachlässigkeiten im Abstimmen der einzelnen musikalischen Stimmen untereinander. Die von Sängerin Lydia bediente "Triola für Erwachsene" war soundmäßig nicht ganz so unterrepräsentiert wie beim Gothic Christ-Gig im Mai 2002, so daß man durchaus einige schöne zweistimmige Passagen mit der Gitarre evozieren konnte. Der Set endete mit einer Komposition des (O-Ton) "Urvaters des Heavy Metal", nämlich Johann Sebastian Bach. Ob der so viel Freude an der Version von "Ich steh an deiner Krippen hier" gehabt hätte, sei dahingestellt, denn seine harmonische Konzeption war nur noch rudimentär durchzuhören, obwohl sich der Baß große Mühe gab, dem sehr komplexen Original zu folgen. Vielleicht hatte auch der nicht schlechte, aber auch nicht ganz klare Sound seinen Anteil an der bisweilen etwas schrägen Wirkung. Helianthus wurden letztlich doch noch zu einer Überstunde gezwungen, wobei Teile des Publikums nicht etwa den Bandnamen oder "Zugabe" skandierten, sondern "Jesus" oder "Jesus, wir lieben dich".
Im Vergleich mit ihrem Supportgig von IconClan im Mai 2002 hatten sich Strange Ahead deutlich weiterentwickelt - nicht zwingend musikalisch, aber beispielsweise im Repertoire und auch in der Darbietungsroutine. Soll heißen: Sie spielen immer noch irgendwas zwischen Nu Metal und 90er Hardcore, können damit jetzt aber einen normallängigen Set füllen und wirken in der Gesamtbetrachtung bedeutend sicherer. Der Sänger - wieder eine eigentümliche Verhaltensweise - betete vor dem Gig erstmal um Gesundheit für die angeschlagene Overhead-Bassistin, war im Set selbst soundtechnisch aber etwas weiter im Hintergrund angesiedelt worden, als es dem Besucher lieb sein konnte. Dafür bestach die Rhythmusgruppe mit gut akzentuiertem Spiel und setzte mit differierenden Tempi Akzente, welche stilbedingt drohende Monotonie von vornherein als Papiertiger erscheinen ließen. Gitarrist Martin riffte in jedem zweiten Track ein Weihnachtslied durch, und wenn Strange Ahead irgendwann mal noch einen zweiten Gitarristen finden, der einesteils für noch mehr Druck von unten sorgt und Martin zweitens die diesem nicht sonderlich gut liegenden Leadgitarrenparts abnimmt, könnten Strange Ahead die nächste Stufe nach oben nehmen. Nachdem sich die Bewegungsintensität im Publikum bei Helianthus noch in Grenzen gehalten hatte, tobte bei Strange Ahead ein ansehnlicher Moshpit, und ohne eine Zugabe kam das Quartett auch nicht von der Bühne.
Die Anfang des Jahres 2000 aufgelösten Overhead besitzen immer noch Kultstatus in der hiesigen christlichen Szene, nicht zuletzt durch die Tatsache, daß ihre Nachfolger Brain:FAQ seither intensive Aktivitäten entfaltet haben und stilistisch durchaus ähnlich zu Werke gehen (obwohl sie keine alten Overhead-Songs spielen). Der intensive Neo Thrash des Quartetts (durch das Fehlen einer zweiten Gitarre etwas unbrachialer als das frühe Brain:FAQ-Schaffen) sorgte für sehr wilde Moshbewegungen im Publikum, und Axels frontmännische Aktivität trug ihr Scherflein dazu bei. Daß Bassistin Sue genau wie bei meinem bisher einzigen Overhead-Gig anno 1999 zur Lord'sParty einen minimalen Aktionsradius hatte, war diesmal ihrer gesundheitlichen Probleme geschuldet, aber sie biß die Zähne zusammen und spielte einen soliden Set - doppelt erstaunlich ob der minimalen Probenintensität vor dem Gig: man hatte gerade zweimal geübt. An den einen oder anderen Song konnte ich mich mit dem besagten Lord'sParty-Gig im Hinterkopf sogar noch erinnern, obwohl nie ein Tonträger von Overhead in meine heiligen Hallen gelangt war. Da es eine Reunion-Show mit einer gewissen Betonung letztgenannten Aspekts sein sollte, hatten sich Overhead auch noch ein paar kleine Gimmicks ausgedacht. Sie hängten hinter der Bühne ein Backdrop mit dem Schriftzug "Overhead - Metalpride" auf, kleideten sich in enge Lederklamotten (die allerdings nicht hundertprozentig altmetallisches Feeling hervorzubeschwören vermochte, da die Gebrüder Kunz hierfür einfach zu unmetallisch aussehen und ihnen sowohl das lange Haupthaar als auch der obligatorische Bierbauch fehlt), ließen als Intro kurzerhand eins von Rhapsody vom Band laufen und kamen mit funkensprühenden Schwertern auf die Bühne. Zwischen den Songs verteilten sie von der Bühne außerdem Kaffee und Stollen, und Drummer Patrick fiel nicht nur durch seinen Drumteppich, sondern auch durch permanentes Skandieren von "Raise The Metal Fist!" auf. Leider hatte man nicht die Zeit gefunden, ergänzend auch noch das eine oder andere Cover von Manowar oder Grave Digger einzuproben, das dem Gig noch die Krone aufgesetzt hätte. Vielleicht beim nächsten Reunion-Gig - ich bin mir sicher, daß es zu irgend einem besonderen Anlaß nochmal einen geben wird, so einfach just for fun.
Die Veranstaltung klang tief in der Nacht mit einer Lobpreis-Session und einem Chill-Out aus - ich indes verzog mich schon nach Overheads Gigende, um reichlich müde nur noch an der Bettdecke zu horchen.



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