|
WACKEN OPEN AIR
02.-04.08.2001 Wacken
von
Janet
und Christian
(Wie immer kommen Christians
Beiträge kursiv und die von Janet in Normalschrift.)
Das Wacken Open Air, das größte
Heavy Metal-Festival der Welt, war in diesem Jahr jenseits von gut und
böse. Wollte man vor wenigen Jahren die Besucherzahl noch auf 20.000
Leute beschränken, munkelte man diesmal von 35.000 Besuchern. Bereits
am Donnerstagabend mußten die Reserve-Zelt- und Parkplätze in
Anspruch genommen werden. Es war irre. Um nicht zu sagen: ZU viel. Im Ausgleich
dafür gab’s viel zu wenig Klos. Auf einem Zeltplatz mit schätzungsweise
5.000 Menschen standen 10 Dixis. Auf dem Festivalgelände, wo sich
zu Spitzenzeiten sicher an die 25.000 Leute tummelten, waren zwar etliche
Pissrinnen-Wagen aufgestellt, aber für die Mädels nur ganze 5
Dixis. Wenn man jedesmal 1DM ausgeben wollte, konnte man zwar auch Wasserklos
benutzen, mußte dafür aber trotzdem eine halbe Stunde anstehen.
Leute, wißt Ihr eigentlich, wie ungesund das ist? Angesichts der
Preiserhöhung von 20DM von einem Jahr aufs andere frage ich mich,
wieso es in Wacken noch immer nicht hinhaut, eine zufriedenstellende Klo-Situation
zu schaffen. Und wieso der Backstagebereich mit teuren Palmen verziert
sein muß. Und wieso es Plastikbackstagekarten gibt, die in der Herstellung
sicher auch ein nettes Sümmchen verschlingen, wenn die doch nur als
Souvenir fungieren, weil man für den Einlaß ein Armbändchen
aufweisen können muß. Für den Otto Normalverbraucher ist
Wacken ein teures Pflaster geworden.
Die Atmosphäre war trotzdem
gut. So viele friedliche Gleichgesinnte auf einem Haufen findet man eben
nirgendwo sonst. Allerdings nervte es durchaus, wenn man zeitweise von
einer Bühne zur anderen durchs Gedränge hindurch eine halbe Stunde
brauchte.
Die Bühnenverteilung
war in diesem Jahr ein bißchen verändert. Die vielfach kritisierte
Unterteilung der 2 Hauptbühnen in „Black“- und „True Metal“-Stage
war der Bezeichnung „Double Mega Stage“ gewichen und nur in I und II aufgeteilt.
Die Hauptbühnen wurden abwechselnd bespielt. Die Party Stage stand
an ihrem alten Platz und hatte ihr eigenes unabhängiges Programm,
genau wie die Wet Stage, die um ein Vielfaches verkleinert und außerhalb
des eigentlichen Bühnengeländes in ein Zelt verlagert worden
war. Zu fiesen Überschneidungen kam es trotzdem wieder. Läßt
sich einfach nicht vermeiden.
Die Zusammensetzung des Publikums,
so hatte ich den Eindruck, hat sich in den letzten Jahren immer stärker
vom reinen True Metal-Bereich in den Death / Black Metal-Sektor verschoben
- beide Teile hielten sich in diesem Jahr in etwa die Waage. Dementsprechend
sah es mit dem Billing aus.
FREITAG
CARNAL FORGE: Thrash Metal
aus Schweden! Erst seit 4 Jahren gibt es diese Band, die gleichermaßen
bösartig wie eingängig klingen und um die Mittagsstunde eine
beachtliche Menschentraube vor sich versammeln konnten. Ganz feiner Stoff!
LACUNA
COIL: Hätte ich die italienischen Gothic Metaller nicht vor 2
Jahren nochmal gesehen, sondern nur ihren 1998er Wacken-Auftritt in Erinnerung
gehabt, hätte es mich vor Überraschung regelrecht umgeballert.
Was für eine Entwicklung! Nichts ist mehr übrig von den schüchternen,
gehemmten Jungs / Mädel. Das äußerst ansehnliche Sangesduo
Andrea Ferro (männl.) und Cristina Scabbia (weibl.) fegte headbangend
und anfeuernd über die Riesenbühne und hatte nicht den geringsten
Anflug von Scheu. Begeisternd, lustvoll brachten sie ihre mal melancholischen,
aber meist gute Laune verursachenden Songs unters Volk, das sie mächtig
dafür abfeierte.
HOLY
MOSES: Die wiedererstarkenden Thrasher setzten ihren Erfolg vom Full
Force nahtlos fort. Auch hier in Wacken wußten Sabina & Co. die
Banger zu begeistern. Die Band spielt sich immer besser aufeinander ein
und die Begeisterung des Publikums wurde auf der Bühne regelrecht
aufgesogen und kam von dort ungebremst in Gitarrensalven und mächtigem
Gebrüll zurück. Beim Dead Kennedys-Cover „Too Drunk To Fuck“
schließlich bekam Sabina auf der Bühne sogar stimmliche Unterstützung
von Deutschlands Rock-Lady Nr. 1 Doro Pesch, was man zwar sehen, aber leider
kaum hören konnte.
NAPALM DEATH: Es war erst
15 Uhr, und schon stand einer der Publikumshighlights auf der Bühne.
Für mich war es das dritte Mal innerhalb eines Jahres, daß ich
die britischen Extrem-Deather live erleben durfte, deswegen will ich weiter
gar nichts dazu sagen als daß es jedesmal die volle Granate war.
Unerreicht und göttergleich! Wegen dem breiten Foto- und Security-Graben
ist es in Wacken unmöglich, von der Bühne zu diven, also ließen
sich die Fans mitten im Moshpit hochheben und zum Fotograben durchreichen,
wo sie von netten Securitylern aufgefangen und höflich zum Seitenausgang
komplimentiert wurden. Während des NAPALM DEATH-Gigs nahm dieser Sport
erwartungsgemäß gigantische Ausmaße an. Hölle!
CAGE:
Während nebenan Napalm Death lärmten, riskierte ich mal ein Ohr
bei Cage. Vor der Party-Stage hielt sich die Begeisterung des Publikums
leider ziemlich in Grenzen. Die melodische Mucke wurde sehr überzeugend
dargeboten. Es wirkt nur immer ein klein wenig befremdlich, so große
bärenstarke Kerle auf der Bühne zu sehen, die dann mit solch
hohen Stimmen tönen. Irgendwie wollte der Funke zwischen Band und
Publikum nicht so recht überspringen. Allerdings war der Sound auch
nicht klar genug, um die vielen in den Songs versteckten Feinheiten gebührend
zur Geltung zu bringen.
PRIMAL FEAR: Diese Band
entwickelt sich mehr und mehr zu einer Institution und zu einer der wichtigsten
Heavy-Bands Deutschlands. Nach dem nunmehr dritten Klasse-Album „Nuclear
Fire“ haben die Jungs um Ralf Scheepers und Mat Sinner (im modischen Flammenhemd)
genug Hammersongs im Gepäck, um auch das letzte ungläubige Ohr
zu überzeugen: Wenn die alten Flaggschiffe schlingern (wo sind Judas
Priest geblieben?), wenn ihr von euren alten Helden enttäuscht seid,
gebt dem „Nachwuchs“ eine Chance! Hier kommt Primal Fear! Und was sie dieses
Jahr in Wacken boten, kann man nur als das herrlichste metallische Inferno
bezeichnen.
NASUM: Die drei Schweden waren
vor kurzem erst mit Napalm Death auf Tour und begeisterten zahlreiche Grindcore-Fans.
Jenseits von Gore- und Splatter-Lyrics bolzten, aber auch groovten sie
sich vor einem erstaunlich großen Publikum vor der Party Stage in
Ekstase. Kultig!
PAUL DI ANNO: Die Wacken-Organisatoren
würzen ihr Festival auf unvergleichliche Weise immer wieder mit dem
Ausgraben alter Legenden. Der erste Iron-Maiden-Sänger bekam Gelegenheit,
sich mit seiner aktuellen Hintermannschaft dem Publikum der Double-Mega-Stage
zu präsentieren. Naja, wie soll ich sagen. Bei alten Maiden-Klassikern
wie „Running Free“ (schmatz lechtz sabber) und dem Kult-Song „Murders In
The Rue Morgue“ kann man nicht viel falsch machen. Über weite Strecken
des Gigs schlich sich beim Publikum jedoch eine gewisse Apathie ein. Paul
nahm‘s nicht so schwer: „Ich weiß wir spielen wie Scheiße.
Aber wir haben Spaß hier oben.“ Fazit: Gut nun. Die anwesenden Massen
durften (die meisten sicher erstmalig) eine lebendige Legende nochmal sehen.
Aber jetzt ist es ist Zeit aufzuhören, aus Vergangenem zu schöpfen,
bevor die Selbstdemontage beginnt.
NEVERMORE: Das war der
größte Begeisterungssturm der Massen, den ich auf dem ganzen
W:O:A gesehen habe! Mit den Songs vom letzten Hammeralbum „Dead Heart In
A Dead World“ hatten Nevermore das Publikum fest im Griff. Auch wenn mir
persönlich ein wenig der Frickelfaktor der Vorgängeralben fehlt
– da bin ich aber wohl der Einzige. Die gestiegenen Ohrwurmqualitäten
taten ein übriges. Das Publikum rastete völlig aus, und hüpfte
sich in Ekstase. Die Crowdsurfer mußten sich schon fast untereinander
an die Straßenverkehrsordnung halten um nicht zusammenzustoßen.
Dauernd hatte man irgendwelche Schuhe oder Hinterteile aufm Kopp. Aber
im kollektiven Feier-Rausch machte alles einfach nur Riesenspaß.
OVERKILL: Wie erwartet
(zumindest für mich Schreiberling ganz persönlich) einer der
Höhepunkte: Overkill! Wie immer!! Jawoll!!! Wieso regen sich immer
alle über Metallica auf, die inzwischen komische Musik machen? Wenn
ihr die alten Helden liebt, dann hört euch gefälligst SÄMTLICHE
Overkill-Scheiben an! Und vor allem, geht mal hin! Eine ewig junge uralte
Thrash-Granate, oft verkannt, vergessen, verpaßt, eine Wahnsinns-live-Band.
Objektives gibt’s nicht viel zu sagen. Overkill waren wie immer. (Und alle:
Rotten - - - To The Core zwei drei vier eins zwei drei Rotten - - - To
The Core!)
MORTICIAN: Die US-Amis überraschten
mit progressivem Schlager. Besonders hervorstechend waren die gut durchdachten,
filigranen Keyboardparts, die der Musik einen fernöstlichen Touch
verliehen. Reizend: die wunderhübsche Sängerin, die axtschwingend
über die Bühne tänzelte und sich aus Versehen einen Fuß
amputierte - live! Am Baß: ein wildgewordenes Eichhörnchen.
Der Drummer zerplatzte nach dem Gig. Es blieb nichts als ein grüner
Fleck. Man weiß bis heute nicht, was aus ihm geworden ist. Was für
ein Hammer-Auftritt! (Für alle Zartbesaiteten: Dieser Absatz ist etwas
durch die Blume zu lesen. – Anm. rls)
HELLOWEEN: Man hat sich
sowieso gewundert, wieso Helloween nicht schon viel eher mal Gast in Wacken
waren. Der Gig kam routiniert, dem Status als einer der Headliner wurde
man gerecht. Und bei Herrn Weikath fehlte selbstverständlich nicht
die obligatorische Kippe im Mundwinkel. Die Stimme von Andi Deris erweist
sich immer wieder neu als Glücksgriff für die Band, auch bei
den Stücken älteren Datums wie z.B. „Eagle Fly Free“ (Andi-Ansage:
„Ein Song aus der Zeit, als ich noch nicht in der Band, und nur Fan war!“),
oder auch „How Many Tears“ (!). Somit wurde ein Best-Of-Programm durch
fast alle Scheiben abgespult. Für mich persönlich hat sich allerdings
die Enttäuschung vom neuen Album live bestätigt. Das neue Material
hat mich irgendwie nicht entzündet. (Hurra, endlich mal jemand,
der diesbezüglich meine Meinung teilt – der erleichterte rls)
THE HAUNTED: Und wieder eine
Thrash-Granate aus Schweden! Ihr aktuelles, zweites Album „The Haunted
Made Me Do It“ ist ein Prachtstück an Abwechlungsreichtum, obwohl
es fast durchgängig voll auf die Zwölf haut. Allerfeinster Old
School-Stoff mit einer wohldosierten Prise Neunziger-Sound wurde auch auf
der Party Stage zur besten Mitternachtszeit präsentiert. Dazu kamen
gehörige Portionen Spiel- und Bewegungsfreude, Lust an der Sache an
sich und ein tierisch gut gelaunter Frontmann. Wie ein junges Kaninchen
hüpfte er durch den Set, erst kurz vorm Ende konstatierte er schnaufend:
„I’m too fat for this shit!“ Kleiner Minuspunkt: Mit den Worten „This one
is for the ladies“ stellten THE HAUNTED ihren wohl melodiösesten Song
„Hollowed Ground“ vor, um sich dann hinterher bei den „guys“ zu entschuldigen:
„Sorry for the interruption ...“ Wie kommt man sich denn da vor als Frau??!!??
SONNABEND
CRYPTOPSY: Man mußte
schon recht früh aufstehen, um die Kanadier live zu erleben, aber
es lohnte sich. Ein irre großer Haufen Leute wußte das. Da
wurde gebangt und getobt und sogar mitgegrunzt, was das Zeug hält.
Extremer Death Metal scheint schwer auf dem Vormarsch zu sein. CRYPTOPSY
bilden da aber nochmal eine eigene Kategorie, denn ihre technischen Fähigkeiten
sind nicht so ganz von dieser Welt. Bei einer Million Breaks pro Song und
Frickeleien zum Mit-offenem-Mund-dastehen war es schon ganz schön
anstrengend, da eine Stunde lang zuzuhören, aber für meiner Mutter
ihre Tochter ist das genau das Richtige. Phänomenal! Sänger Mike
DiSalvo hielt wenig auf der Bühne. Oft sprang er in den Fotograben
runter, feierte direkt mit dem Publikum. Ein atemberaubender Gig, der die
nötige gute Laune für den Tag bescherte.
BRAINSTORM:
Die armen Kerle mußten noch vor dem Frühsport auf die Bühne
(um 12:00 Uhr!) und hatten nur Geschmackssache-Warhammer vor sich auf den
Brettern. Hab ich grad arme Kerle gesacht? Quatsch, durften immerhin in
Wacken spielen! Jedenfalls ist eins sicher: Diese Band wird mal ganz groß!
Ihre Musik bietet wahrlich nichts Neuesnochniedagewesnes, aber hier wird
mit einem Enthusiasmus, mit einer unbändigen Spielfreude, und mit
Groove, Melodie und mit Elan dem guten alten Heavy Metal gefrönt,
daß einem die Freudentränen hochsteigen. Das Ganze fand ich
z.B. wesentlich überzeugender und sympathischer als die später
folgenden Metalium. Und solche Stimmen wie die von Andy B. Franck gibt’s
wahrlich nicht viele. Und schon gar nicht in solche Frontmannqualitäten
gehüllt!
DARK TRANQUILLITY: Mikael
Stanne ist ja als äußerster Sympathikus bekannt. Und so betrat
er auch hier wieder unter tosendem Applaus mit einem breiten Grinsen die
Bühne. Der Schweden-Sechser war nicht nur ein Augenschmaus für
die Mädels, sondern auch ein solcher für die Ohren der angereisten
Schweden-Death - Fans, wobei DARK TRANQUILLITY dieser Art Musik längst
neue, eigene Facetten verliehen haben. Bis hin zum poppigen Ohrwurm ist
alles dabei. Mikael Stanne stellt dabei einen der besten Frontmänner
der Welt dar. Er fegt kilometerweit über die Bühne hin und her
bis zu den äußersten Rändern, so daß ihn wirklich
jeder mal zu Gesicht bekommt, und wenn er vor lauter überwältigender
Freude mal ein Päuschen macht, hockt er sich grinsend zwischen seine
Mannen und schüttelt völlig ungläubig über das feiernde
Publikum den Kopf. In solchen Momenten könnte ich vor Freude heulen.
METALIUM: Sie wirkten erst
einmal putzig, in ihren Plaste-Anzügen. Ziemlich viel Krempel auf
der Bühne. Man hat viel von Kiss gelernt. Ich weiß immer nicht
so recht: Ist das nun eine zusammengebaute Retorten-True-Metal-Band oder
nicht? Das Publikum reagierte zunächst auch verhalten. Nach und nach
sprang der Funke aber über. Die Mugge und die Präsentation läßt
sich eigentlich nur zusammenfassen in: traditionell heavymetell. Sonderlich
hängengeblieben ist in meinem Gedächtnis allerdings kein Song.
CREMATORY:
An dieser Stelle sollten eigentlich die göttlichen Annihilator auf
der Double-Mega-Stage I spielen, wo sie auch hingehört hätten.
Aber irgendwer hat die seit Monaten in Auflösung begriffenen CREMATORY
stattdessen auf die Bühne gesetzt. Ursprünglich war der Auftritt
für Donnerstag vorgesehen, aber man hat es wohl nicht geschafft, pünktlich
zu erscheinen. Naja, was sind schon zwei Tage unter Freunden. Ich hab aus
Protest auf dem Absatz kehrt gemacht. Nach dem allerletzten Konzert der
Band auf dem With Full Force folgte nun hier das – zugegebenermaßen
bejubelte - allerallerletzte Konzert. Und es folgen noch ein paar allerallerallerallerletzte
Konzerte (Augsburg, Osnabrück ...), falls irgend jemand immer nochmal
die Band ein letztes Mal sehen will. Kein Kommentar!
ANNIHILATOR: Eins vorweg:
für mich DAS absolute Highlight in Wacken 2001. Leider durfte die
Band nur 45 Minuten auf die Bühne, noch dazu nach zahlreichen Terminverlegungen
auf der kleineren Party-Stage. Was für ein Frevel! Da hätte man
sich etliche Gurken auf der Hauptbühne stattdessen sparen können!
Jedenfalls war beim Gig schließlich keine Zeit mehr zum Ärgern.
Nach den unzähligen Besetzungswechseln wünscht man dem jetzigen
Line-Up nur noch Beständigkeit, dann geht’s wieder ganz nach oben!
Der Ex-Overkill-Gitarrero (auf der letzten gemeinsamen Tour kennengelernt
und „ausgespannt“) entpuppte sich auch live als Klasse-Frontmann (neben
der gesanglichen Leistung), und Jeff Waters brachte mit seinem unglaublichen
Stakkato-Riffing den ganzen Pulk zum zucken und Fäusteschütteln,
daß es eine Pracht war. Daumen hoch!
RAGE: Die aktuelle Besetzung
scheint unschlagbar. Wieder zum klassischen Trio wie in den Anfangstagen
geschrumpft lieferten Victor Smolski (im
Fußball-Trikot??!), Mike Terrana und Peavy eine Klasse-Show und wurden
auch entsprechend gefeiert. Die unglaublichen technischen Fähigkeiten
der Musiker sorgten für allerhand offene Münder, auch wenn Soli
bei einem ohnehin schon kurzen Festivalauftritt ruhig gespart werden könnten.
Du liebe Zeit ist der Peavy dick geworden! Jaja, Wein, Weib und Gesang!
(Von welcher
der drei Komponenten wird man eigentlich dick? – Anm. rls)
SUBWAY TO SALLY: Im direkten
Vergleich zum letztjährigen Auftritt fiel zunächst das immens
gestärkte Selbstbewußtsein auf. War man sich 1999 noch nicht
so ganz sicher, ob man zwischen die ganzen True-Metaller paßt, legten
die Mannen und Frau Schmidt in diesem Jahr sofort siegesgewiß los
und fegten mit einem furiosen Gig alles aufgesetzte Pathos, das noch auf
der Bühne rumlag, hinweg. Die reichhaltige Show und die etwas andere
Musik waren ein sehr willkommener Farbtupfer im Billing. Diese Band wächst
und wächst und wächst, und zu recht!
GRAVE
DIGGER: Gaben sich besonders viel Mühe wegen mitlaufendem Band
für Live-Mitschnitt. Der Neuling Manni Schmidt („ausgebuddelter“ lange
her-Rage-Gitarrist) fiel in keinster Weise als solcher auf. Es gab nix
zu meckern, und abschließendes Ausrufezeichen war wie immer „Heavy
Metal Breakdown“. Jawoll!
OPETH: Um halb elf abends
war es endlich soweit: OPETH betraten vor prächtiger Vollmondkulisse
die Party Stage. Ich persönlich kennen die Band erst seit einem halben
Jahr, aber ich frage mich, wieso ich nicht früher auf die Schweden
gestoßen bin. Sie vereinen alles, worauf ich so sehr abfahre: Progrock,
Doom, Death Metal und einen Hauch Gothic, eine umwerfende Atmosphäre,
ellenlange Songs, technische und kompositorische Meisterleistungen und
eine Stimme, die einen in wollüstigem Schauder zu Boden gehen läßt.
Ich hatte so sehr von OPETH geschwärmt, daß alle meine mitgereisten
Freunde vor der Bühne versammelt waren und mein Bruder auf die Idee
kam, die günstige Gelegenheit zu nutzen, um ein Gruppenfoto zu machen.
Ich dachte, ich spinne! Doch nicht, wenn OPETH spielen! Da muß man
doch hingucken! Es genügte schon, daß in den ruhigen Passagen
Hammerfall von der Hauptbühne akustisch störend zu uns
durchdrangen. Am Ende waren wir alle gleichermaßen begeistert. Es
blieben 5 Minuten Spielzeit übrig, aber so einen kurzen Song gibt
es bei OPETH wohl nicht. Ach, es war so gigantisch, und es rechtfertigte
meinen Kauf des sauteuren OPETH-Longsleeves vollauf. Das unangefochtene
Highlight des Wochenendes!
HAMMERFALL: Ich lach mich
nochmal über diese Pappmauern kaputt!
DEATH SS: Und dann nochmal
Spaßiges aus Italien. Was da auf die Bühne stürzte, sah
aus wie eine Mischung aus Umbra et Imago und Marilyn Manson, also schonmal
zum Brüllen.. Aber die Musik, die sie spielten, war so gänzlich
anders, als man es erwarten konnte, daß man völlig verwirrt
doch stehenblieb und zuguckte. Es klang alles in allem ziemlich nach klassischem
Metal, oder Heavy Rock, von mir aus, mit spacigem Touch zwar und äußerst
melodisch, richtig gut tanzbar, aber trotzdem ganz unpassend zum Outfit.
Als dann noch eine barbusige Tänzerin ins Geschehen eingriff, aber
sich unerotischer, trampeliger bewegte als eine trächtige Kuh, und
versuchte, dem Sänger die Domina zu machen, da konnte ich das nicht
mehr ernstnehmen. Was war das? Kann mir das einer erklären?
MOTÖRHEAD: Diesmal
bin ich nicht weggenippelt! Und mein Stehvermögen wurde belohnt! Der
fleischgewordene Ur-Rock’n’Roll war wieder zu Besuch! Ich hatte ja befürchtet,
daß das Original-Bomber-Stage-Set ein wenig lächerlich wirken
würde. Hat es aber nicht! Das sah Klasse aus. Ein riesiges Flugzeug
aus Alu-Traversen und -Gestänge senkte sich auf die Band herab und
hob und senkte sich während des Gigs, was die Lichtshow ungemein bereicherte.
Auch nach wasweißichwieviel Dekaden war das immer noch ein originelles
und technisch beeindruckendes Show-Element. Und Motörhead selber –
zumindest für mich – ein würdiger Abschluß.
Total müde, kaputt
und dreckig wie immer zogen wir wieder von dannen, um die vielen Eindrücke
in Ruhe zu verarbeiten. Im Kopf bleibt zunächst ein so großer
Haufen Musik, daß man kaum noch alles überblickt. Das ist und
bleibt ein Problem solcher Mega-Veranstaltungen. So mancher würde
mit Sicherheit lieber dreißig Mark weniger pro Ticket löhnen,
und dafür das meiste von dem, wofür er bezahlt, auch sehen. Neben
den vielen großen musikalischen Erlebnissen und dem Wacken-Spaß
bleibt als fader Beigeschmack das allgegenwärtige unglaubliche Gedränge.
War es bei den bisherigen Besucherzahlen um die 20.000 immer noch ganz
angenehm überall, so konnte man sich diesmal kaum auf dem Gelände
von einer Bühne zur anderen bewegen und mußte so manchen Gig
von der dritten Pommesbude aus verfolgen, weil man weiter nicht nach vorn
kam. Diese Massen an Menschen drückten den Wohlfühlfaktor nach
unten. Wo ist die viel verkündete Begrenzung der Besucherzahl geblieben?
Nichtsdestotrotz bleibt Wacken Wacken und das Heavy-Metal-Mekka. Aber wenn
die Veranstalter nicht aus diesem Jahr etwas lernen und sich das ganze
selber tottrampelt, fahr ich nich mehr hin. Naja, jedenfalls nicht jedes
Jahr. Wahrscheinlich.
© by CrossOver
|
|
|