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Soul Doctor
von gl anno 2009

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Soul Doctor

SOUL DOCTOR - Not Difficult To Cure

Einmal mehr stellt Tommy Heart die alte Musik-Binsenweisheit auf den Kopf, denn der Hörgenuß des mittlerweile fünften Soul Doctor-Studioalbums läßt einen doch zu dem Schluß kommen "It's the Singer AND the Song!" Daß der Entstehungsprozess und die erneute Umbesetzung am Schlagzeug jedoch alles andere als locker über die Bühne ging, darüber berichtet der Berliner.
Tommy Heart
Welch ein Output - die dritte Veröffentlichung in sechs Monaten mit Deinem Gesang nach "Aura" von Fair Warning und der Veröffentlichung von "No Retreat, No Surrender" von Heartlyne. Ihr habt die inzwischen fünfte Soul Doctor-Platte fertiggestellt und nach mehrmaligem Anhören wird der positive Ersteindruck bestätigt. Macht's Dir nichts aus, dass diese drei Veröffentlichungen so knapp hintereinander erscheinen?
Nein, überhaupt nicht. Solange alle Veröffentlichungen eine Berechtigung für deine Fans haben und natürlich auch die gewohnte Qualität mitbringen, geht das mit mir in Ordnung. Über gute Musik freut sich doch der Rockfan. Die Heartlyne-Veröffentlichung kam ja nur zustande, weil sich irgendein Bootlegger in den Staaten unser altes Demo genommen hat, Hunderte von CDs pressen ließ und sie dann über Ebay an unsere Fans für sagenhafte 40 Dollar verkauft hat - und das natürlich ohne unsere Erlaubnis. Die größte Frechheit war aber die Qualität der CD und des Booklets, die wirklich zu wünschen übrig ließ. Und daß man unsere Fans verarscht, das mag ich überhaupt nicht.

Die alten Soul Doctor-Alben noch mal quergehört, fällt mir auf, daß die neue ggf. ein wenig (blöd ausgedrückt) "melodischer" wirkt - nicht, daß Ihr jeweils unmelodisch wart. Nach wie vor ist es erdiger Hard Rock auf die Glocke, aber ich meine damit, daß ein exzellenter Song wie "Can't Stand Losing You" hier auch mit Background-Gesang oder "Times Of Yesterday", auch "Here Comes The Night" auf einer Fair Warning sein könnte und ich auch wieder Keyboard-Parts höre - diese Nuance bei Euch gefällt mir sehr gut (neben den Led Zeppelin-Anklängen, die es beim letzten Mal gab).
Wir haben damals bewusst auf bestimmte Elemente, die uns mit Fair Warning vergleichen könnten, verzichtet, um nicht als billiger Rip-Off zu starten. Wir wussten, es ist wichtig, einen eigenen Stil zu entwickeln, wenn man im Jahre 2000 mit einer neuen Band um die Ecke kommt. Außerdem hatte doch jeder von uns seine eigene Vergangenheit und seinen ganz eigenen Stil. Nach 5 Studio- und einem Livealbum kann man diesen uns auch nicht mehr abspenstig machen. Und ob da nun etwas mehr Melodie auf diesem Album ist oder mal mehr Keyboards oder mehr Chorgesang, macht das Ganze dann auch abwechslungsreicher. Ein guter Song bleibt halt ein guter Song, egal wie du ihn verpackst. Einige Songs auf dem neuen Album stammen tatsächlich auch aus der Zeit, als ich probierte, für ein Fair Warning-Album Songs beizusteuern und zwar für das "Go!"-Album. Traurigerweise habe ich bis heute weder eine Absage noch irgendeinen Kommentar zu diesen Songs von meinen Fair Warning-Mitstreitern erhalten und so dachten Chris und ich, daß es an der Zeit wäre, diese Songs neu einzuspielen und sie jetzt endlich zu präsentieren.

Die Vermutung liegt nahe, daß das "Dr.Soul"-Studio Eueres ist - wie geschieht bei Euch der Entstehungsprozess der Stücke, schreibst Du die Texte und Chris die Musik?
Ja, das Dr. Soul-Studio ist unser eigenes. Hier können wir Tag und Nacht aufnehmen, ohne daß Unsummen für Studiomiete draufgehen. Normalerweise schreiben Chris und ich die Songs zusammen und das macht mir wirklich am meisten Spaß. Aber es kommt natürlich auch mal vor, dass der eine oder der andere mit einem selbstkomponierten Song ankommt. Bei uns gibt es da kein Gesetz, wer was macht außer "ein guter Song ist ein guter Song" und den nehmen wir dann mit Freude auf unser Album. Von wem der geschrieben ist, ist uns eigentlich ganz egal. Egotrips zerstören nur alles und diese werden sofort bei Soul Doctor eliminiert. So ein Quatsch hat bei uns nichts zu suchen.

Im Grunde habe ich noch keine negative Besprechung zu den bisher erschienenen CDs gesehen, aber nur leider konnten die positiven Rezensionen zu wenig in Verkäufe umgesetzt werden, oder? (Chris hat mal ein wenig verbittert geäußert, "da wir in Deutschland ja lieber überhöhte Gagen in irgendwelche schnell reformierten ausländische Bands stecken, als lieber unseren eigenen Bands eine Chance zu geben"!) Ich stimme ihm hier zu und möchte zwei Negativbeispiele anführen: Don Dokken (Stimme hinüber) und L.A. Guns (albernes Line-Up-Affentheater, denken, sie wären noch Stars wie in den 80ern, spielen aber in Clubs vor 80 Nasen). Ich erwarte von Dir natürlich keine Kollegenschelte, nur eine Idee, wie deutsche Fans vielleicht von der Qualität einheimischer Bands zu überzeugen sind. (Ich sehe eine weitere traurige Parallele darin, wie eine solch grandiose Band wie VandenPlas so stillschweigend in den letzten Jahren unterging ...)
Unsere Plattenfirmen haben sich bei uns noch nicht über zu wenig verkaufte CDs beschwert und auch in Japan sind wir wieder mit einer neuen Firma am Start - und das gleich für mehrere Alben. Deine Plattenfirma nur auszunehmen und dann ständig den vorgezahlten Advance nicht wiedereinzuspielen, ist natürlich nicht der richtige Weg. Wir können uns da sehr realistisch einschätzen und das wissen auch unsere Partner. Man kann auch mit einem geringen Budget ein Weltklasse-Album aufnehmen, wie man es auch auf unseren neustem Werk hören kann. Zum Thema "Erhöhte Gagen in reformierte ausländische Bands stecken" bin ich mir sicher, das macht der Tourneeveranstalter auch nur einmal mit. Egal, bei welchem Star auch immer! Ich würde mir wünschen, daß wir Deutsche mal endlich Türen für unsere eigenen Hardrockbands öffnen und sie richtig unterstützen würden, so wie es die Amis oder Engländer es uns vormachen. Auch in unserem Land gibt es genug gute Bands, die eine Unterstützung der eigenen Landsleute brauchen, um es zu Größerem bringen zu können. Classic Rock, Hard Rock, Heavy Metal oder was auch immer aus Deutschland ist schon lange nicht mehr nur B-Ware. Sogar ausländische Musiker kommen mittlerweile zu uns, um mit deutschen Rockbands langzeitig zu arbeiten.

Das alte Line-up mit Drummer Michael Wolpers
Hatte euer Drummer bis letztes Jahr (Michael Wolpers) keine Zeit mehr, oder wie kam es zu dem erneuten Wechsel auf dieser Position? Als ich das Foto vom neuen (auch alten, er war ja schon mal bei Euch) Drummer sah, dachte ich zunächst: "Hoppla, was macht denn der Gotthard-Drummer Hena bei Soul Doctor?"
Wie du ja sicher weißt, heißt das neue Album "Way Back To The Bone" und wir wollten wieder alles genau so machen wie auf unserem ersten Album. Leider hatten wir nach all den Jahren ein wenig unsere Einstellung verloren und die wollten wir natürlich wieder zurück gewinnen. Es gab ein wenig Zeitverzögerungen bei den Aufnahmen dadurch, daß man immer 120 % in eine kostendeckende Produktion stecken muß, die sich dann aber auch mit Produktionen, die das Zwanzigfache gekostet haben, messen muß, was nicht immer so leicht ist. So hätte ich das Ganze fast nicht überstanden und es flogen während eines Nervenzusammenbruchs inmitten der Aufnahmen einige Keyboards sowie Les Paul-Gitarren durch das Studio und zerstörten einiges. Ich hoffe, Chris ist mir nicht mehr allzu böse deshalb. Glaube mir, eine Band wie AC/DC oder Aerosmith würde es nicht mit unserem Budget fertigbringen, auch nur ein 4-Track-Demoband aufzunehmen. Wir konnten also nicht die gewohnte Zeit in das Album investieren, wie wir es bei "Blood Runs Cold" gemacht haben und mussten leider andere und sogar unangenehme Wege bestreiten, um das Album fertigzustellen. Michael wollte da nicht mitmachen. Das war für uns echt hart, aber wir fühlten, es ist der einzige und richtige Weg, den wir jetzt gehen sollten. Und siehe da, es hat funktioniert.

Da sowohl Chris Lyne (wie der Name schon sagt) als auch seit einigen Jahren wieder Jogy Rautenberg mit Dir zusammen schon bei HEARTLYNE spielten, wollte ich fragen, ob es nie eine Option war, einen alten Song dieser Band zu integrieren (oder geschah dies ggf.?) - gerade das Titelstück "No Retreat No Surrender" könnte ich mir da gut vorstellen. Oder ist das evtl. erst jetzt eine Möglichkeit?
Das hat sich noch nicht ergeben, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Die Musik, die wir damals spielten, war für unser Alter und die damalige Zeit nicht von schlechten Eltern. Aber ich bin mir sicher, wenn wir diese Songs jetzt in ein Soul Doctor-Programm aufnehmen würden, würde man schnell merken, dass sich unser Songwriting jetzt in eine ganz andere Liga katapultiert hat. Aber mal sehen, vielleicht ergibt sich ja mal ein besonderes Konzert, wo man so etwas zelebrieren könnte.

Wenn dies noch erlaubt ist - stutzig gemacht hat mich die Bemerkung: "Die durchaus interessierten Plattenfirmen zögerten aber mit dem fälligen Vertrag, offenbar weil West-Berlin ihnen ein Stückchen zu weit von der restlichen BRD entfernt schien" Musste ich zweimal lesen und konnte es kaum glauben ...?!?
Das ist die einzige Erklärung, die ich mir selbst geben konnte, nach all den Jahren und Versuchen, einen Plattenvertrag zu bekommen. Es gab von 1981 - 1984 mindestens an die zwanzig - wenn nicht sogar noch mehr - Hard Rock- oder Heavy Metal-Bands in West-Berlin, die den Bands im Westen (so sprach man damals in der von einer Mauer umkreisten Stadt) um nichts nachstanden und es sehr leicht mit den Bands, die damals von den Plattenfirmen unter Vertrag genommen wurden, aufnehmen konnten. Einige Berliner Bands schafften es zwar dennoch, eine Platte dank ihrer eigenen Finanzierung oder einer Berliner Plattenfirma ihre Songs zu veröffentlichen, doch leider war es das dann auch. Eines ist mir aber nach all den Jahren klar geworden. Du musst wirklich dran bleiben, geduldig sein und nicht gleich aufgeben, dann kann es irgendwann vielleicht wirklich funktionieren.

Deiner Homepage entnehme ich, dass Ihr (hier: FAIR WARNING) letzte Woche in Japan zusammen mit JUDAS PRIEST, SLAYER, MEGADETH, ROB ZOMBIE und ARCH ENEMY auf dem Loudpark Festival gespielt habt, durchweg härtere Kaliber - willst Du uns Deutschen erzählen, wie es gerade in diesem Umfeld mit extremen Bands für Euch war?
Live kann man wirklich beweisen, ob man es drauf hat oder nicht. Egal, was du für einen Sound fährst. Es ist oftmals so, daß, wenn man das Billing von manchen Open Air-Festivals sich so ansieht, man erst denkt, was macht denn diese Band auf diesem Festival oder die passen doch überhaupt nicht ins Bild. Aber das ist manchmal sehr abwechslungsreich oder das Obskure für den Rockfan etwas ganz Besonderes und die nicht gerade ins Billing passende Band räumt voll ab. Jetzt weißt du übrigens, wie es in Japan mit uns war. Auch Rob Zombie-Fans können nach einem langen Tag Gerumpel auch ein wenig Melodie gebrauchen. Wir machten die gleiche Erfahrung mit SOUL DOCTOR auf dem Wacken Open Air. Man sagt uns heute noch nach, daß auch wir damals so eine Art "Highlight" waren. Ich finde, diverse Festivalbetreiber sollten wirklich ein wenig mehr Mut zur Abwechslung haben und nicht nur ihre persönlichen Lieblingsbands immer wieder dem Publikum vorsetzen. Das ist doch - und da bin ich mir absolut sicher - auch für die Festivalbesucher total langweilig.

Tommy, Ihr habt Euch vor 10 Jahren nach einem FOREIGNER-Song benannt und Lou Gramm hat seine Krankheit überwunden und kürzlich eine Scheibe veröffentlicht, sein "Rattle Yer Bones" würde ja thematisch gut zu "Back To The Bone" passen ... Wie gefällt sie Dir denn?
Ich war sehr erstaunt zu hören, dass Lou Gramm ein weiteres Album fertig gestellt hat und da ich ja ein großer Fan seiner Stimme und seiner Werke bin, war ich sehr gespannt darauf. Ich finde, es gebührt ihm eine Menge Respekt, wenn man verfolgt hat, was er da durchmachen musste. Wie auch immer man das Album auch findet, daß er diesen ganzen Stress und Druck wieder auf sich nimmt, um ein Album zu produzieren und zu touren, ist echt der Oberhammer. Er muss wirklich eine Kämpfernatur sein und ich habe wirklich vor solchen Menschen eine große Hochachtung. Wirklich echt traurig, was er da durchgemacht hat und dann trotzdem noch nach so einem schweren Schicksalsschlag nicht aufgegeben hat, seinen Fans zu beweisen, daß er für sie da ist. Es geht halt im Leben um viel, viel mehr als nur um Erfolg und Reichtum. Gesund zu bleiben ist wirklich das Allerwichtigste. Was ihn auch sehr liebenswert macht, ist, dass er seine Fans nicht die Irre führt und krampfhaft probiert, Foreigner alleine weiterzumachen.

Und zum Schluss noch was eher Nebensächliches: Ihr hattet anlässlich euerer Liveplatte zu Titelvorschlägen aufgerufen, erinnere mich vage, auch eine Idee ("Not Difficult To Cure") eingereicht zu haben, welche ich natürlich super-originell fand ... Letztlich habt Ihr doch einen relativ simplen Titel gewählt. Stelle mir vor, daß Ihr im Kollektiv um all die Einsendungen saßt und dann einer gesagt hat: "Ach komm, lass uns das Ding einfach 'That's Live' nennen!"? Wie war's denn wirklich?
"Not Difficult To Cure" konnten wir leider nicht nehmen, da es doch schon einen Albumtitel von Rainbow gibt, der Ähnlichkeiten vorweisen kann. Ganz im Gegenteil, das war absolut spannend und sehr lehrreich für uns. Aber so einfach, wie du dir das vorstellst, haben wir uns das natürlich nicht gemacht. Wir bekamen wirklich viele tolle Titel zugesandt, doch letztendlich würde von allen der Titel "That's Live!" ausgewählt, weil er wirklich den Nagel auf den Kopf trifft und jeder, der den Titel hört, sofort weiß, es ist ein Livealbum und das war uns dabei sehr wichtig. Später bemerkten wir, dass es auch schon ein Livealbum gibt, was diesen Namen trägt.

War das jetzt für Dich 'ne lästige Pflicht-Erfüllung oder hat's vielleicht ein klein wenig Spaß gemacht? Hoffe, dass wir das nächste Interview persönlich machen können, da mir aufgefallen ist (auch bei einigen deiner Interviews im Netz), daß Du sehr wohl prüfst, ob sich der Interviewer auskennt - oder nicht.
Spaß machen mir Interviews mit den richtigen Fragen natürlich immer. Du wirst es nicht glauben, aber es ist wirklich mehr als wichtig zu prüfen, ob sich da jemand wirklich vorbereitet hat oder nicht. Dank des Internets sollte man wirklich genau schauen, mit wem man da ein Interview macht. Vor ein paar Tagen noch hatte ich so einen Fall, da schrieb mir doch ein Journalist, dass es ein Konzert von uns gegeben haben soll, was ihn absolut beeindruckt habe und unglaublicherweise sogar sein ganzes Leben positiv verändert haben soll. Klingt doch schön, oder? Leider fand dieses Konzert aus Krankheitsgründen nie statt! Lustig ist auch, wenn dein Gegenüber dich mit einen anderen Namen begrüßt. Aber da sollte man eigentlich nur schmunzeln und ihn darauf aufmerksam machen, das ist schon peinlich genug. Bin aber sicher, nach so einem Killeralbum wie "Way Back To The Bone" es ist, dass es auch für viele Journalisten jetzt viel einfacher wird, uns mit richtigen Namen zu begrüßen. Ich bleibe aber weiter am Ball und schau mal, ob da jemand wirklich vorbereitet ist. Danke fürs Interview.

Herzlichen Dank für Deine Zeit und die Beantwortung der Fragen!
Viel Glück und Alles Gute!

Diskographie:

Soul Doctor
Soul Doctor (2001)


Systems Go Wild
Systems Go Wild (2002)


For A Fistful Of Dollars
For A Fistful Of Dollars (2005)

Blood Runs Cold
Blood Runs Cold (2007)


That's Live!
That's Live! (2008)


Way Back To The Bone
Way Back To The Bone (2009)

Line-Up:
Tommy Heart (vocals)
Chris Lyne (guitars)
Jogy Rautenberg (bass)
Zacky (drums)
Das aktuelle Line-up









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