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Noise Forest
von ta anno 2006

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Die Noise-Coreler/Death Metaller Noise Forest aus Kiel haben mit "Morbid Instincts" ein brachiales Stück Schwermetall auf den Markt geworfen, das bei der einen oder anderen Einfuhr für heftige Mosh-Attacken im heimischen Wohnzimmer sorgen kann. Direkt, unkompliziert und ehrlich. So auch Boris Kronenberg, Bassist und Sänger, im Interview mit CrossOver.

Salve, Boris! Was gibt es zur Vergangenheit von NF denn Wichtiges zu sagen? Ich frage, weil "Morbid Instincts", Asche auf mein Haupt, das erste Album ist, das ich von euch kennen gelernt habe.
Noise Forest haben sich '92 als reine Ami-HC-Band mit melodischem Gesang gegründet. Zwei Leute von damals wird man heute noch kennen, einmal unseren Owe und Letten von Smoke Blow (kultige Punk/Core/Mix-Truppe von der See - Anm. ta) am Bass, daher das Demo "Same". '93 kam der große Besetzungswechsel und seitdem wurde nicht mehr gesungen, die Gitarren tief in den Keller gestimmt, mit Doomelementen und Samples experimentiert, wie die Demos "Slow Virus Disease" oder "Slow Motion Nightmare" dokumentieren. '97 kam ich als Bassist in die Band, seitdem hatten wir ein handfestes Drummerproblem. Ein Freund, der sehr abgefahren Schlagzeug spielt, half uns bei der Aufnahme zum Demo "Bring Them To Heel" aus. Mit dieser abgedrehten Musik fanden wir aber keinen geeigneten Drummer mehr. Der, der die Samples gespielt hatte, hatte dann auch keinen Bock mehr und ist gegangen. Dann haben wir unseren Stil geändert und auch den geeigneten Drummer dafür gefunden. Wir sind einfacher geworden, ich fing auch an zu singen und wir gingen in den Midtempobereich, s. das Demo "Masters Of Reality" und die CD "Mortal Machines". Ich organisierte die ersten Gigs und der Drummer hat sie mehrmals einen Tag vorher abgesagt. Da mussten wir uns von ihm trennen. Wir haben Jürgen für ihn gefunden, mit dem die CD "Zero Existence" aufgenommen wurde. Davor machten wir noch mit ihm im Studio One für Remedy Records die Motörhead-Tribute - und unser zweiter Gitarrist ließ uns einfach hängen. Darauf habe ich mit Owe (Koch, git. - Anm. ta) und Jürgen erst mal zu dritt weitergemacht, aber es fehlte einfach 'ne zweite Gitarre, so kam Ali Orhan in die Band. Jürgen ist wieder ausgestiegen, weil er aus beruflichen Gründen keine Zeit mehr für uns hatte. Seit 2003 haben wir mit Dennis Köhler (dr. - Anm. ta) ein festes Line-Up. Die meisten Faktoren für die vielen Besetzungswechsel waren, dass die Leute was anderes im Leben vorhatten. Der Rest war einfach verpeilt. Der Name "Noise Forest" existiert seit 14 Jahren, aber die Band für mich seit '97.

"Morbid Instincts" ist ein recht cooles Album geworden, ein Bastard aus groovendem Death Metal mit Noise- und Hardcore-Vibes. Auch auf den Fotos gibt es eine Matten- und eine Kurzhaar- bzw. Glatzenabteilung. Gibt es im Bandkollektiv eine Hardcore- und eine Metalfraktion?
Ja!!! Jedes einzelne Noise Forest-Mitglied hat seinen eigenen Musikgeschmack, der in den seltensten Fällen bei allen übereinstimmt. Owe findet viel Punk/HC-Mucke gut, Ali eher Dream Theater, Dennis diverse New Metal-Bands. Ich höre viel Metal von A.R.P. bis Six Feet Under, aber auch Hardcore wie die alten Cro-Mags oder Wolfpack.

Mir fiel auf, dass ihr in euren Songs nur sehr selten auf die Tempotube drückt. Geht dabei der Groove verloren oder gibt es zu viele Death Metal-Bands, die nur auf Tempo setzen? Oder gibt es andere Gründe?
Nein, was die Anderen machen, interessiert mich nicht. Wir achten wirklich drauf, dass der Groove nicht verloren geht. Ich habe aber das Gefühl, dass wir von Album zu Album schneller werden, ha! Wenn du unsere ersten Gehversuche kennen würdest, ist das Album schon schnell. Schnell ist nicht gleich hart und schnell spielen muss man auch können. Wir spielen mit Kraft. Wenn du schnell spielen willst, verlierst du an Kraft und musst anfangen, mit Tricks zu arbeiten, zum Beispiel das Schlagzeug triggern. Das klingt künstlich und undynamisch. Also: Nichts für uns.

Ich fragte auch, weil "Morbid Instincts" auf Dauer etwas die Abwechslung abhanden kommt. Mal abgesehen davon, dass es ohnehin recht anstrengend ist, euch konzentriert lange zuzuhören, weil ihr ziemlich intensiv spielt. Ist Abwechslung ein Thema bei euch? Oder geht es mehr um so etwas wie klassische, spontane Rock'n'Roll-Vibes?
Nein, obwohl ich ein großer Elvis-Fan bin, haha. Wir versuchen einfach, aber auch dynamisch zu bleiben. Und "abwechslungsreich" - was meinst du??? Willst du eine Ballade hören? Vergleich doch noch mal die Songs "Tragedy" und "Extortion Via Matrimony", "Maltreatment" und "Cramp", "Be At Peace" und "Past Redemption". Dagegen sind doch Slayer, Obituary oder Six Feet Under eintönig, oder???

Das ohnehin ... Wie teilt ihr eigentlich den Gesang zwischen dir und Owe Koch auf? Einer brüllt, der Andere growlt? Mit Klargesang habt ihr's ja nicht so.
Genau!!! Es gibt dafür kein Rezept. Ich habe es lieber, wenn einer von uns einen kompletten Song singt und der andere den Background macht. Der Grund ist der, dass, wenn einer von uns ausfällt, wir trotzdem spielen können. Und wir lassen zum Beispiel die Songs weg, die Owe singt und Ali macht die Backs.

Wie wichtig ist eigentlich der Einfluss von Soulfly für Noise Forest? Ich hatte die Band zugegebenermaßen auch ein paar Mal in meiner Rezension erwähnt, aber so Tribal-mäßig, wie eure Promo-Info euch verkauft, finde ich euch auch gar nicht.
Richtig, sehe ich auch so. Man versucht Bands mit bekannteren Bands zu vergleichen, damit der Leser sich besser was darunter vorstellen kann. Man kann ein oder zwei Riffs hören, die an Soulfly erinnern, aber das betrifft nicht den Song oder die Platte. Wir gehen auch mehr in die Death Metal-Richtung.

Na dann Stichwort "Metalcore". Es ist ja gerade schick, jeden Mix aus (Death) Metal und (Hard) Core zum "Metalcore" zu ernennen. Passiert das in Bezug auch auf euch? Und könnt bzw. könntet ihr mit der Betitelung leben?
Nein!!! Wir machen doch keinen Metalcore. Wir spielen tiefer gestimmt, singen können wir auch nicht, 'ne schwarz gefärbte Beatlesfrisur, einen Ohrring mit einem riesigen Loch, 'nen schwarzes Cape aufm Schädel haben wir auch nicht. Ich würde eher sagen, dass wir Death Metal meets Hardcore machen. Wenn uns alle mit Soulfly und Sepultura vergleichen und dann noch sagen, wir machen Metalcore, dann stimmt doch da was nicht.

Euer Mix von Death- und Core-Elementen hat zumindest zur Folge, dass ihr nicht nur brutal, sondern auch verdammt wütend klingt. Braucht so eine musikalische Wut Gründe?
Ja, auf jeden Fall, sonst ist es nur lächerlich.

Woher kommt die Wut von Noise Forest? Gibt es bestimmte Feindbilder, die ihr gerne attackiert?
Ja, der Mensch! Ich könnte die Texte nicht schreiben, wenn es mir gut geht.

Welche Seiten am Menschen sind es, die hier besondere Erwähnung verdienen?
Wut zum Beispiel ist in uns allen drin, bloß keiner mag es sich eingestehen. Vielleicht bei mir extremer. Klar, Noise Forest ist auch ein Ventil für mich, zieht aber auch eine Menge Stress an. Wir haben über Jahre hart für Noise Forest gekämpft, aber uns wurden immer wieder Steine in den Weg geworfen. Jetzt kotzen mich die selbstberufenen Schreiber an, die unsere Scheibe im Review nicht objektiv beschreiben wollen oder können, weil sie keine Ahnung von Musik haben und dem Leser ein falsches Bild von uns geben. Natürlich kannst du nicht erwarten, dass die Leute dich toll finden und die Musik sowieso, nur weil du in einer Band spielst. Damit muss man umgehen können, wenn alles sachlich bleibt. Aber stattdessen coole Statements wie: "Als ich nach der CD auch noch diese hören musste......" - Fick dich, wenn du keinen Bock hast, lass die Finger davon und langweile die Leser nicht.
Das waren schon paar Seiten des Menschen, die mir nicht gefallen, wie auch meine eigene Wut, damit leben und sich selbst kontrollieren zu müssen. Davon handelt zum Beispiel "Cramp". "Be At Peace" ist über die kriegerische Ader im Menschen; "Past Redemption": Politik versagt, Bombe drauf; "Dead From The Neck Up" über Existenzängste bis hin zum Selbstmord; "Tragedy": im Leben versagen und dann seine eigene Familie richten; "Flag" über Patriotismus und Krieg; "Maltreatment" zu Kindesmissbrauch. Also alle schlechten Seiten des Menschen von unserer Verlogenheit bis hin zu unseren Perversitäten.

Das sind die "Morbid Instincts"?
Das sind die Schwächen im menschlichen Schädel. Die, die Menschen zu ganz komischen Dingen verleitet. Die das Miteinander auf diesem Planeten stören. Man kann es auf alle Texte von uns beziehen.

Was ist ein "Devil's Workshop"?
Das heißt Giftküche! Erste Zeile: The world is our devil's workshop. Na, klingelt es?

Na wo denn? Eher lustig klingt "Extortion Via Matrimony". Du bist nicht verheiratet, nehme ich an ...
Richtig, aber das hat nichts mit mir zu tun und lustig ist das Thema auch nicht. Es geht um den "Dowry Deaths". Das betrifft die Frauen in Indien, die zwangsverheiratet werden, wobei die Familie vom Ehemann eine Mitgift von der anderen Familie verlangt. Wenn nichts mehr von der Familie zu holen ist, werden die Frauen umgebracht, labelled as "kitchen fires". Der Mann kann wieder heiraten und dann auch eine neue Mitgift verlangen. Another bride, another dowry. Das ist eine alte Tradition, die heute noch praktiziert wird und wo die Regierung einfach weg sieht.

Sind gute Texte im Metal wichtig, wichtiger vielleicht als in anderen Genres?
Nein. Im Metal gibt's ja auch Unterschiede, von Fantasie bis hin zu politischen Texten. Ich finde, Texte sollten zur Musik passen. Von HIM zum Beispiel finde ich die Texte oder das Thema nicht so pralle, aber sie passen sehr gut zur Musik. Man sollte schon aus der Musik das Thema erahnen können.

Kürzlich seid ihr Gäste bei der Wacken-Roadshow gewesen, wo ihr mit stilistisch völlig andersgearteten Acts wie den Finnen Ensiferum und Orphaned Land aus Tel Aviv zusammen gespielt habt. Lief die Tour gut?
Die Roadshow lief gut! Die Bands waren alle sehr nett zu uns und haben echt nicht den Headliner raushängen lassen. Die Tourmanagerin Miriam und die beiden Roadies Sacha und Fraggel haben sich für uns alle den Arsch aufgerissen und auch keine Unterschiede zwischen den Bands gemacht.

Gibt es Anekdoten zu erzählen?
Der Schlagzeuger von Finntroll hatte uns noch 2 Tage auf Tour begleitet. Ich wusste nicht, dass er mit Meiju (Ensiferum) verheiratet ist. Der Typ war lustig. Am Ende der Tour in Stuttgart haben unser Drummer Dennis und er gemeinsam rumgeprollt. Er hat aufgegeben, als Dennis sein Schokopudding durch die Nase inhalierte. Schade, die Tour hätte so weiter gehen können. Ich bin eher für ein buntes Programm, aber leider wird es nicht immer vom Publikum toleriert.

Gab es Abende, an denen die Leute euch abgelehnt haben?
Wenn 130 Leute im Saal sind, finden dich nicht gleich alle 130 scheiße oder alle 130 gut. Wir haben es nicht live zu spüren bekommen und nach der Show kam auch keiner an, der meinte, dass wir scheiße sind. Dann gab's da stattdessen einen Ensiferum-Fan mit Wikingeroutfit und 10 CDs von der Band in der Hand, der nach der Show zu uns kam und uns zum tollen Gig gratulierte. Im Nachhinein liest man mal was Negatives, irgendwo im Gästebuch, aber das sind eh die Leute, die hinten oder draußen standen. Das ist alles. Meine Vermutung ist, dass wir mit einem Headliner ähnlicher Musik noch besser angekommen wären. Ich sehe es ja auch, wenn ich auf Konzerte gehe, dass Bands, die nicht bekannt sind und auch noch musikalisch herausfallen, nicht gerade vom Publikum abgefeiert werden, weil die Leute eher wegen der Musik des Headliners da sind.

Welche Pläne gibt's für die Zukunft?
Eine neue Scheibe schreiben und versuchen, nächstes Jahr vermehrt auf den Festivals zu spielen.

Na dann viel Erfolg weiterhin! Und lass zum Schluss alles raus, was dir sonst noch auf dem Herzen liegt.
Vielen Dank, dass ihr euch mit Noise Forest beschäftigt habt, und lasst euch nicht verarschen.

Machen wir. Kontakt: www.noiseforest.de, www.armageddonmusic.de









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