www.Crossover-agm.de ZIONS ABYSS: Tales
von rls

ZIONS ABYSS: Tales   (Steel Legacy Records)

Zions Abyss stellten einen weiteren Beweis für die oft kolportierte These von Cliff Richard dar, daß der christliche Plattenmarkt dem nichtchristlichen in puncto stilistische Entwicklung chronologisch meist etwas hinterherhängt. Das ist für den zeitunabhängig hörenden Anhänger erstmal kein Problem, kann bei der Erscheinung neuer Alben allerdings gewisse strukturelle Probleme hervorrufen, so wie hier: Drei, vier Jahre früher hätten sich Zions Abyss mit einem Album wie "Tales" gemeinsam mit Fates Warning, Queensryche, Helstar und Sanctuary an die Spitze der amerikanischen Progpowermetalbewegung setzen können - aber 1991/92 krähte kein Hahn mehr nach diesem Stil: Fates Warning hatten sich in verschrobene Kunstrockgefilde abgesetzt, Queensryche waren in den Kommerz abgewandert, Helstar und Sanctuary gab es nicht mehr, einzig Dream Theater fuhren mit "Images And Words" noch einen Überraschungserfolg ein. So gingen auch Zions Abyss mit "Tales" völlig im Grungesog unter, einzig eine Handvoll Anhänger liebte das Material, und einer derselben führt in Griechenland mittlerweile ein Label und verhilft "Tales" zu seiner verdienten Wiederauferstehung, zumal in der heutigen Zeit die Zeichen für traditionellen Progpowermetal wieder deutlich besser stehen. Eine Reunion dürfte zwar nicht zur Debatte stehen, da Gitarrist/Hauptsongwriter Andy Waitkus mit 34 Jahren anno 1996 bei einem Autounfall verstorben ist, aber zumindest ein würdiges Denkmal ist mit dem vorliegenden Re-Release von "Tales" zweifellos entstanden, einzig getrübt durch die Tatsache, daß beim Herstellen der Drucksachen offenbar etwas schiefgegangen ist und diverse Bilder, u.a. auch das Frontcover, qualitativ völlig absacken (es dürften Scans vom originalen 1991er Tape-Release auf Safe Records sein). Das mindert die Freude über die 56 Minuten Musik allerdings nicht, und schon das Intro "Madness" läßt erahnen, daß hier gutklassiges Material ans Licht gezerrt wurde (wenngleich der Masterer den ersten richtigen Song "Sorrow On The Horizon" ruhig noch direkt ans Intro hätte ansetzen können, was auf dem Tape auch so gewesen sein soll). Zions Abyss arbeiteten nur in einer Viererbesetzung mit einer Gitarre (aber was für einer - einer hochgradig meisterlich bedienten!), wobei das in der Studioversion ja egal ist und allenfalls live ein paar Lücken hätte hinterlassen können - dieses Problem hat die Band beispielsweise in "Running Out Of Time" allerdings geschickt zu lösen versucht, indem sie die Rhythmusgitarre unter dem Solo zwar nicht komplett wegläßt, aber doch zumindest so weit in den Hintergrund stellt, daß ihr Fehlen in der Livesituation nicht so stark ins Gewicht fällt. Auf Keyboards hat das Quartett weitgehend verzichtet, nur an einigen Stellen wie etwa in "Darkest Dream" befindet sich eine atmosphärische Untermalung unter dem gitarrendominierten Sound, aber selbst die sehr starke Halbballade "Scarred For Life" kommt völlig ohne Tasteninstrument aus und läßt im Hirn des Hörers zudem einen Vergleich nach vorn treten, der schon bei den vorher plazierten fünf Songs (inclusive Intro) latent immer stärker wurde: Jacobs Dream. Ich weiß nicht, ob John Berry, Gary Holtzman & Co. Zions Abyss kennen, aber rein stilistisch fahren die ersten beiden Jacobs Dream-Alben (die Fulltime-Alben über Metal Blade sind gemeint; die 1997er Eigenproduktion kenne ich bisher nur anhand des Songs "Wisdom", der die Theorie aber auch nicht zerstört) einen Kurs, der durchaus als Weiterentwicklung des Zions Abyss-Sounds interpretiert werden kann. Bisweilen treten auch noch andere Vergleiche hinzu - so hätte das eher schleppende, ebenfalls keyboarduntermalte "Changing Sands" bei noch etwas stärkerer Herausmodellierung des Riffs durchaus seinen Platz auf einem Black Sabbath-Album der Tony Martin-Periode finden können, und wenn man Klaus Whissel hier am Strophenende "barred wire" singen hört, steht bei geschlossenem Auge tatsächlich Tony Martin vorm Hörer, wobei diese Parallele recht singulär bleiben soll. In den meisten anderen Songs intoniert sich Whissel eine Oktave höher - eine klassische US-Sirene also und eine exzellente noch dazu, die hochgelobten Vokalakrobaten wie Warrel Dane oder gar John Arch kaum nachsteht. Von sehr speedlastigem Material halten sich Zions Abyss eher fern, obwohl sie schon öfter mal kräftig Gas geben, was aber stets im kontrollierten Rahmen bleibt und auch gern von Eddy Zern mit einem Drumbreak unterbrochen wird. Leider gibt das Booklet keine Informationen über die originale Zusammensetzung des Materials preis (dafür aber zumindest Lyrics), lediglich die Aufnahmedaten werden genannt, die vermuten lassen, daß auch das originale "Tales"-Album über die 12 hier zu hörenden Tracks verfügte, also kein Bonusmaterial verewigt wurde, was auch durch das einheitliche Soundgewand gestützt wird und sich bei einer Internetrecherche dann auch bestätigt. Die Songwritercredits weisen außer allen vier Bandmitgliedern auch die nur in der Thankslist erwähnten Gasper Bonamo und Kent "S.O.F." McHarg aus (sogar recht häufig und beispielsweise öfter als Klaus Whissel), so daß es sich bei den beiden entweder um externe Songwriter oder aber um ehemalige Bandmitglieder, deren co-komponierte Songs auch nach ihrem Ausscheiden noch im Bandrepertoire verblieben, handeln dürfte. Aber eigentlich ist's ja auch egal, wer gute Songs schreibt - Hauptsache, es werden überhaupt welche geschrieben, und Zions Abyss haben auf "Tales" zwölf würdige Exempel verewigt, wenngleich nicht alle das hohe Niveau von "Sorrow On The Horizon", "Running Out Of Time", "Changing Sands" oder "Forever Alive" (noch so ein zauberhaftes Vorbild für Jacobs Dream - was für ein eskapistischer Mittelteil!) halten können - das nicht schlechte, aber eher unauffällige "Mercenary" etwa fällt ein wenig ab. Aber das sind in der Gesamtbetrachtung Peanuts, und wer damals "Tales" nicht erworben hat, kann heute beispielsweise via www.karthagorecords.de seiner Sammlung etwas Gutes tun. Wenn sich jetzt die Layoutfraktion noch einig geworden wäre, ob sich die Band Zions Abyss oder Zion's Abyss und das Album "Tales" oder "T.A.L.E.S." schreibt ... ich habe mich jeweils für erstgenannte, da häufiger auftretende Variante entschieden; im Falle des Albumtitels ist sich allerdings schon das originale Tape nicht einig gewesen.
Kontakt: www.steel-legacy.com

Tracklist:
Madness
Sorrow On The Horizon
Final Command
Darkest Dream
Running Out Of Time
Scarred For Life
Changing Sands
Time Traveller
Son Of Sam
Mercenary
Forever Alive
Serenity



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