www.Crossover-agm.de ZERO HOUR: A Fragile Mind
von ta

ZERO HOUR: A Fragile Mind   (Sensory/Laser's Edge)

Zero Hour zelebrieren Progressive Metal in seiner härteren Schattierung: Die Doublebass knattert anständig, Gitarrenstakkati sind beliebt, ein knorriger Bass sorgt für Punch. Das alles kann sehr straight durchgezogen werden, etwa in der Abrissbirne "There For Me". Neuzugang Fred Marshall überzeugt mit mittelhohem bis hohem Gesang, erinnert auch durchaus an seinen Vorgänger, allerdings ist die Stimme uneinzigartiger. Ein weiteres Kennzeichen von Zero Hour ist es, dass selbst vermeintlich ruhige Stellen immer leicht hektisch oder aber treibend daherkommen, ein Verdienst, das besonders der kraftvollen Rhythmusabteilung zuzuschreiben ist; Entspannung im herkömmlichen Sinne zumindest gibt es keine. Im dynamischen Doppel um "Losing Control" und besonders das grandiose "Twice The Pain" entsteht so eine beängstigend intensive Atmosphäre, wobei erstgenannter Song an eine härtere und tiefer gesungene Version eines Fates Warning-Songs aus der "Perfect Symmetry"-Ära erinnert und der zweitgenannte von Minute zu Minute einen collagenartigen Charakter annimmt. Überhaupt klingen Zero Hour teilweise herrlich abgedreht, wie auch "Brain Surgery" zeigt, das einerseits enorm knackig und kraftvoll tönt, andererseits durch das Fehlen eines Refrains und durch einige zerfahrene Riffs einen irgendwie psychotischen, leicht kranken Touch bekommt. Die Frickelriffs von Kompositionshäuptling Jasun Tipton sind ohnehin Markenzeichen. Gefiedel in Soloform ist zwar weitestgehend out, aber die eine oder andere Skala wird nur zu gerne mal unauffällig in den abgehackten, harten Riffberg integriert. Das Ganze verkommt allerdings nicht zur Selbstpräsentation, sieht man mal vom verzichtbaren Instrumental "Somnecrophobia" ab. Ich nehme diesen kritischen Verweis als Übergang zur allgemeinen Kritik am Album. Zero Hour sind auch auf ihren ersten beiden Scheiben keine chartstaugliche Band gewesen, aber dort gab es immer ein paar Anschlusspunkte, die eine Annährung des Hörers, der nicht nur Arbeit erwartet, möglich machten. "A Fragile Mind" dagegen ist seeeehr sperrig, uneingängig in seiner Melodieführung. Einige Gesangsmelodien etwa wirken in letzter Konsequenz künstlich, weil sie auf die dominanten Gitarren gepappt, aber nicht an diese angepasst wurden (wird schwierig sein, ich weiß). "Destiny Is Sorrow" ist da so ein Beispiel, Strophen und Chorus sind vom Gesanglichen her fast überflüssiger Ballast, weil die Gitarre schon so viel leistet. Natürlich kann man sich den Refrain merken, aber sonderlich prickelnd klingt er deswegen nicht. Dabei zeigt die Bridge schon desselben Songs, wie man es besser macht. Man kommt letztlich nicht um das Gefühl herum, dass hier mehr Ausarbeitung hätte stattfinden können. Zumindest legt sich mir das nahe, wenn ich auch noch die Texte hinzuziehe. "The Towers Of Avarice", der Vorgänger von "A Fragile Mind", war ein sehr ambitioniertes Werk zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft (ganz grob gesprochen), und da fällt "A Fragile Mind" eindeutig hinter zurück. Ich erwarte kein weiteres bis ins Detail ausgearbeitetes Konzeptalbum, aber etwas Substanz wäre schon nicht übel. Stattdessen: Der Titel des Albums ist Programm, hier geht sich ein Mensch verloren, halluziniert, isoliert sich, wird letztlich verrückt. Ein Konzeptalbum also (man achte auch auf die diversen Textpassagen, die immer wieder aufgenommen werden). Die Texte aber sind oft so abstrakt und allesmeinend formuliert - mal abgesehen davon, dass der Gegenstand in dieser Form in der Metal-Szene schon tausendfach thematisiert wurde (und am überzeugendsten, weil viel konkreter, auf Nevermores Göttergabe "Dreaming Neon Black") -, dass ein richtiger inhaltlicher Strang im Sinne einer story kaum ausgemacht werden kann. Da noch formale Schwächen hinzutreten (Langweilerreime wie "hatred growing - anger flowing", "away-stay-say" oder "bridges burned - lessons learned"), ist mir das Ganze am Ende zu wenig, zumindest, wenn man den Vorgänger direkt gegenlegt. Aber vielleicht hab ich's ja nur noch nicht oft genug gelesen ...
Also: Es gibt auch was zu meckern, besonders im Vergleich mit dem Vorgänger. Getreue Zero Hour-Fans indes werden, wie auch überhaupt Progger mit Neigung zu Bands wie Sieges Even, Spiral Architect und The Quiet Room, aufgrund der genannten und bekannten Qualitäten ihre Freude am Zähneausbeißen haben. Zumal mit dem Titeltrack an achter Stelle noch ein echtes Pfund vertreten ist: Elfeinhalb Minuten state of the art Prog Metal, mal laut, mal leiser, immer etwas atonal und immer sehr finster, mit flirrenden Bassläufen, aber auch mal einem tollen, vibrierenden Ostinato. Die rapiden Brüche lassen Tool um die Ecke schauen, deren neuste Scheibe in eine ganz ähnliche Richtung geht. Aber das ist ein anderes Thema.
Kontakt: www.lasercd.com, www.jasuntipton.com

Tracklist:
1. Intro
2. There For Me
3. Destiny Is Sorrow
4. Brain Surgery
5. Losing Control
6. Twice The Pain
7. Somnecrophobia
8. A Fragile Mind
9. Intrinsic



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