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ZARPA: Iberia
von rls

ZARPA: Iberia   (Karthago Records)

Haben Zarpa ihren Spätstil gefunden? Die 13 Songs auf "Iberia" (dazu kommen drei Boni, nämlich englischsprachige Fassungen von Songs, die sich in den spanischen Originalfassungen ebenfalls auf der Scheibe befinden) hätten fast ausnahmslos auch auf dem Vorgängeralbum "El Yunque Contra El Martillo" stehen können, der sich vom "Infierno"-Vorgänger wiederum etwas abhob, den kauzigen Charakter ein wenig zurückfuhr und einen Tick "gewöhnlicher", aber deshalb nicht automatisch stromlinienförmiger anmutete, zumal auch die Detailfülle leicht erhöht wurde. "Iberia" nun ist praktisch "El Yunque ...", Teil 2, wenn man mal den Fakt ausklammert, daß nicht jede neue Idee des Vorgängeralbums sklavisch fortgeführt wurde. Vicente Feijoo hält sich von gesanglichen Höhenlagen jetzt fast komplett fern (wenn er sie doch mal erreicht, dann wirkt das jetzt sicherer als früher), Backingchöre gibt es nach wie vor (so gleich im Opener "Cuatro Almas" - und im folgenden "Angelos Negros, Demonios Blancos" üben sie sogar eine strukturell wichtige Funktion aus, indem sie den Übergang vom Hauptsolo in die letzte Strophe, der mit einem ausgedehnten verschleppten Teil gestaltet wird, prägen), nur die barock angehauchten Melodiebögen und die leicht skandinavisch anmutenden Elemente sind weitgehend wieder verschwunden, und auch der Keyboardeinsatz ist im gleichen Atemzug wieder ein wenig zurückgefahren worden - wenn instrumentale Melodik vonnöten ist, sorgen dafür also Vicente oder sein gitarrespielender Sidekick Rafa Jativa, der diesmal nur einen halben Song beigesteuert hat, nämlich "Mi Gente Del Rock", einen relativ geradlinigen Hardrocksong alter bis sehr alter Schule, dessen Gitarrenarbeit im einleitenden Teil und unter dem Refrain von der Klangfarbe her etwas an UFOs "Love To Love" erinnert, wohingegen der Song vom Aufbau und den restlichen strukturellen Komponenten her nichts mit der Schenker-Mogg-Gang zu tun hat. Alles andere hat Vicente selbst geschrieben und sich dabei ein paar Stücke aus den Saiten geleiert, die zu den besten der Bandgeschichte gehören. Allein den eröffnenden Teil des Albums bis einschließlich des sechsten Songs "Tierras De Hierro Y De Acero" könnte man bedenkenlos auf eine "Best Of Zarpa"-CD packen, auch wenn man sich in den Midtempo-Opener "Cuatro Almas" erst ein Stück weit hineinhören muß, während beispielsweise das flotte "Rosas Y Espinas" mit seinem geschickt von großer Dramatik in einen halbakustischen Verharrungspart wechselnden Mittelteil, der dann wieder vom leichtfüßig-schnellen Hauptteil abgelöst wird, gleich im ersten Hördurchlauf als Highlight erkannt werden kann, wobei es gegenüber den meisten anderen Songs (aber nicht gegenüber "Cuatro Almas"!) den Vorteil hat, daß es bei einem Normaldurchlauf der CD in instrumentaler Hinsicht zweimal erklingt. Freilich muß das nicht prinzipiell ein Vorteil sein, denn eine verdoppelte Abhörzahl kann unter bestimmten Voraussetzungen auch zum früheren Erlahmen des Interesses, zum Totgespieltsein führen, und es gab in der Vergangenheit auch tatsächlich den einen oder anderen Zarpa-Song, dem diese Gefahr drohte. Aber im neuen Material ist dieses Problem weitgehend abwesend: Trotz überwiegend übersichtlicher Gesamtanlage der Kompositionen halten Vicente und seine Mannen das Interesse des Hörers mit interessanten Details oder einfach mitreißenden Passagen stets wach. Nehmen wir als Exempel mal "Tierras De Hierro Y De Acero": Nachdem fünf Songs ohne Keyboards ausgekommen sind, wartet man gespannt auf deren ersten Einsatz, und hier kommt er, zwar "nur" mit Teppich- und Tupferfunktion, aber geschickt eingefädelt. Dazu ein mystisch-verschrobener Eindruck im Intro, der aber bald flottem südländischem Melodic Speed Metal weicht, welcher besonders im Hauptsolo jeden Anhänger dieser Stilistik voll und ganz zufriedenstellen dürfte und zum Schluß, als schon jeder mit dem Songende rechnet, noch ein weiteres, ähnlich starkes Solo auspackt - nur das Ausfaden dieses Songs ist dann nicht ganz so der Weisheit letzter Schluß. Und auch mit dem Strophenriffing des folgenden Titeltracks, immerhin wenigstens mit einem einprägsamen Refrain ausgestattet, hat sich der Rezensent bisher noch nicht so richtig angefreundet. Hier kommen die wohl stärksten Siebziger-Einflüsse auf der Platte zum Tragen, aber sie wirken ein bißchen wie noch nicht konsequent zu Ende gedacht. Das Instrumental "Castillos En La Arena" wiederum fährt die klassische MSG-Schule auf, allerdings leider ohne den genialen Schenker-Touch - Zweite-Reihe-Classic-Rock sozusagen, aber für diese Einstufung durchaus guter, und vielleicht verhilft trotz der relativen Simplizität des Arrangements hier die Hördurchlaufanzahlerhöhung dem Song noch zum Aufstieg in die erste Reihe. Immerhin durchbricht er das bisherige Schema, daß ein Midtempo-Track sich jeweils mit einem Speedie abwechselt, welches zu einer Art Erstarrung im Konzept hätte führen können. Erstarrung im Konzept läßt "Reporteros Del Miedo" vermuten, denn hier mischen sich interessante Ideen z.B. im Mittelteil mit einem eher unauffälligen Gesamtaufbau und einer nach hinten amputiert wirkenden Schlußpassage. Der Speedie "Dios Del Trueno" hingegen ermöglicht wieder das vom Vorgänger bekannte Spielchen, welche Band hier ihre Spuren hinterlassen hat, und das gleich in doppelter Form: Bei der Bridge ist es dem Rezensenten noch nicht eingefallen, im Refrain klingen gleich zwei durch, wovon die eine auch noch nicht identifiziert werden konnte, während der zweite Pate eindeutig Judas Priests "Freewheel Burning" war. Mit "Siempre Te Recordaré" hat Vicente auch eine (Halb-)Ballade geschrieben, was ja eine eher seltene Komponente im Schaffen Zarpas darstellt - aber er beherrscht auch dieses Metier gut genug, daß dieser Song gleichfalls auf die imaginäre Best Of gepackt werden müßte, allein schon aufgrund der verträumten Gitarrenarbeit. "Los Ojos Del Mundo" weckt den noch mit Kuschelaktivitäten beschäftigten Hörer unsanft auf - doublebassunterstützter feister Power Metal unterhalb der Speedgrenze, der ab der zweiten Strophe den Anteil höherer Gesangspassagen nach oben schraubt, aber insgesamt wie auch der Abschluß des regulären Albumteils, "Underground", ein wenig zu unauffällig ausgefallen ist. An dieser Stelle schließen sich wie erwähnt noch die drei englischsprachigen Fassungen "Four Souls", "Roses With Thorns" und die Heimathymne "Iberia" an.
Wer von den 66 Minuten Audiomaterial noch nicht genug hat, der kann seine Aufmerksamkeit nun auch noch der beiliegenden DVD widmen. Die enthält 77 Minuten Material, von dem 3:40 min für den Nachspann und 5 Minuten für den "Prologo" draufgehen. Letztgenannter besteht aus einer Collage alter Bandfotos, Videos und der Cover der früheren Alben, zusammengeschnitten mit der Anfahrt zum Club Fussion in Valencia, aus dem die 66 Minuten Livematerial stammen, und zwar vom 7. März 2008, als Zarpa vor einem gut ge-, wenngleich nicht überfüllten Auditorium ihr 30jähriges Bestehen feierten. Freilich ist nicht der komplette Gig enthalten, wie zum einen die Schnitte zwischen den Songs verdeutlichen, zum anderen wäre es auch arg komisch, wenn eine derart altgediente Band zu ihrem Jubiläumsgig nur eine reichliche Stunde auf der Bühne stünde. Keine Ahnung, welche Songs dem DVD-Schauer, der nicht in Valencia dabei war, entgangen sind, aber zumindest machen die 66 Minuten überwiegend Hör- und auch Sehspaß, obwohl sich auf der Bühne nicht sonderlich viel tut, was Bewegungsaktivitäten angeht. Aber da gibt es ja noch die Gastmusiker, die in wechselnden Besetzungen einige der Songs ausgestalten helfen: zum einen Adrián Arnaíz, der bisweilen hinter einem Keyboard zu finden ist, in anderen Songs aber von der rechten zur linken Bühnenseite wechselt, wo sich ein Podest für die Hintergrundsänger befindet. Neben ihm besetzen zwei Damen dasselbe, von denen besonders die ganz außen stehende nicht nur gesangliche, sondern auch exorbitant hohe optische Qualitäten in die Waagschale werfen kann. Die zentrale musikalische Aufmerksamkeit gehört natürlich aber dem Stammquartett, das mittlerweile eine eingespielte Einheit darstellt. Leider gibt es ein paar kleine Probleme beim Sound: Zum einen hört man Rafa Jativas Zweitgitarre oftmals relativ schlecht, so daß beispielsweise das furiose Solo von "Reacciona" so wirkt, als ob gar keine Rhythmusgitarre darunter läge, und "El Tren Para El Infierno" fast unfreiwillig komische Züge annimmt, wenn Rafa den berühmten Schenker-Kreisel zelebriert, man von den Anschlägen aber nichts hört. Zum anderen scheint hier und da massiv nachgebessert worden zu sein, was am deutlichsten in "Quien Eres Tu" ins Auge sticht. Hier muß Vicente aus technischen Gründen mitten im Song die Gitarre wechseln, und das geschieht, ohne daß man jeglichen Bruch im Sound merkt, obwohl er mehr als eine Minute nicht spielt, aber Rafas Zweitgitarre wie erwähnt nicht gerade durch klangliche Überpräsenz auffällt. Mindestens zwei Aussetzer hat sich auch die Schnittfraktion geleistet: In "Babilonia La Ramera" wurden Bilder aus "Un Mundo Perfecto En Un Mundo Siniestro" hineingeschnitten (das ist leicht an den Gitarrenschwenkbildern zu erkennen), und in "Fantasía" herrscht dann komplettes Chaos (das erkennt man am wechselnden Vorhandensein bzw. Nichtvorhandenseins des Keyboarders und der Sängerinnen). Als weiterer Wunsch bleibt noch die Auflockerung des Speedblockes von Track 3 bis 6 offen, aber vielleicht war das in der Livesituation gar nicht so, und eventuelle Zwischensongs anderen Grundbeats sind der Schnittschere zum Opfer gefallen. Für sich betrachtet machen die Songs natürlich durchaus Spaß, und Song 6 beginnt dann die Auflockerung zumindest mit stilistischen Mitteln: Das Instrumental, das vom 2002er Album "Luchadores De La Paz" stammt, wurde kurzerhand "J. S. Bach" getauft und verarbeitet dementsprechend auch barocke Melodik, im Intro noch tastendominiert, im Hauptteil dann in der Quartettbesetzung, zumeist mit Doppelleads, wobei man Rafas Leads deutlich besser hört als seine Rhythmusgitarren. Bildtechnisch beschränkt man sich zumeist auf die Livebilder, aber hier ist eine der Stelle, wo man davon abweicht, sind in das Intro doch halbtransparente Bach-Bilder hineinmontiert worden, u.a. das bekannte Familienbild und das sehr bekannte Porträt Elias Haussmanns, mit dem jeder automatisch Bach assoziiert. "Infierno" führt dieses Stilmittel vier Songs später fort, hier allerdings mit transparenten Bildern von Feuer, Atombomben etc., und im ausgedehnten Schlußtrack "Herederos De Un Imperio" kommen noch alte Livebilder und -videos hinzu, auf denen auch einige Ex-Mitglieder Zarpas zu sehen sind, die während dieses Songs auf die Bühne kommen, von Vicente vorgestellt werden (natürlich auf Spanisch) und nach einer Umarmungsrunde wieder die Bühne verlassen, ohne ins Musizieren eingebunden zu werden. So bleibt auch das Rätsel um Jose Luis Carrasco aka "El Chino" ungelöst, den Ex-Sänger von Sable, einer Band, in der wiederum Rafa und auch Drummer Bienve Godóy früher spielten. Auch El Chino kommt nämlich auf die Bühne und verläßt diese wieder ohne musikalischen Beitrag, obwohl er im Booklet und im Abspann explizit als Gastmusiker aufgeführt ist. Einzige rationale Erklärung hierfür wäre wohl, daß ein von ihm (mit-)gesungener Song dann doch nicht mit auf der DVD gelandet ist. Dafür singt Bassist Vicente Romero hier und da auch Leadparts, nämlich in "Ojo Por Ojo" und in "Infierno", wobei er eine durchaus interessante angerauhte Röhre offenbart, so daß sich Zarpa für folgende Aktivitäten durchaus noch erweiterte Möglichkeiten bieten. Material von "Iberia" ist auf der DVD noch nicht enthalten, und auch "El Yunque ..." stellt erstaunlicherweise nur einen einzigen Track, nämlich das vom Publikum begeistert mitgesungene "Fantasía". Dafür ist "Infierno" gleich mit fünf Songs vertreten, und ansonsten greifen Zarpa zwar nicht bis zu ihrer 1978er Debüt-EP, aber immerhin bis zum 1982er Full-Length-Debüt "Angeles O Demonois?" zurück, von dem es "Llega El Castigador" und das später für "Infierno" noch einmal neu eingespielte "Cuero Y Cadenas" in die Setlist geschafft haben. Und daß das 1984er "Herederos De Un Imperio" immer noch eine zentrale Position im Backkatalog der Band aufweist, verdeutlicht die Tatsache, daß drei Songs im Set auftauchen, darunter der Titeltrack als große abschließende Hymne mit bedingt durch die ganzen Bandmitgliedervorstellungen enorm ausgedehnter Spielzeit, und mit "Unidos Por El Rock" noch ein vierter Song eine Rolle spielt - diese gekonnte Mischung aus Ballade und harten Passagen untermalt den Abspann akustisch, während "Viena" in seiner instrumentalen Fassung die gleiche Funktion im "Preludio" ausübt. Sieht man von den erwähnten Problemfällen ab, macht die DVD durchaus Spaß, sofern man denn generell auf trendfreien und in gewisser Weise originellen Traditionsmetal mit spanischen Lyrics steht. Aber wer das nicht tut, wird diesen Text vermutlich sowieso nicht bis hierher gelesen haben ...
Kontakt: www.karthagorecords.de, www.zarparock.com

Tracklist:
CD:
Cuatro Almas
Angeles Negros, Demonios Blancos
Legiones Del Averno
Rosas Y Espinas
Mi Gente Del Rock
Tierras De Hierro Y De Acero
Iberia
Castillos En La Arena
Reporteros Del Miedo
Dios Del Trueno
Siempre Del Recordaré
Los Ojos Del Mundo
Underground
Four Souls
Roses With Thorns
Iberia (English Version)

DVD:
Preludio
Máquinas
Cuero Y Cadenas
Reacciona
Quien Eres Tu
J. S. Bach
El Tren Para El Infierno
Un Mundo Perfecto En Un Mundo Siniestro
Llega El Castigador
Infierno
Viena
Babilonia La Ramera
Ojo Por Ojo
Fantasía
Herederos De Un Imperio
 




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