www.Crossover-agm.de WEISS HEIM: Human Race
von rls

WEISS HEIM: Human Race   (Eigenproduktion)

Lange, lange hat es gedauert, bis "Human Race", der erste Longplayer der Leipziger von Weiss Heim, nun endlich fertig ist. Die MCD "The First Bread" hat schon etliche Jährchen auf dem Buckel (sieben, um genau zu sein), und Bandkopf Alex Ufholz erzählte mir schon beim Doro-Konzert im Oktober 2007 in Leipzig, daß die Fertigstellung des Albums kurz bevorstehe - aber es hat nun doch noch geraume Zeit länger gedauert. Und die 48 Minuten beinhalten einige Überraschungen. Nummer 1: Keine Coversongs diesmal (wir erinnern uns: Drei der vier Songs auf der MCD entstammten dem Fundus von Glenn Hughes und Black Sabbath). Nummer 2: "Fight For Glory", der vierte Song der MCD, ist für "Human Race" nicht berücksichtigt worden (dabei stellt sein Refrain immer noch das Eindringlichste dar, was Weiss Heim je geschrieben haben). Nummer 3: Die Band ist zum Quartett geschrumpft und hat keinen festen Keyboarder mehr, was für eine Combo mit erklärter Orientierung am klassischen Siebzigerrock erstmal ungewöhnlich anmutet. Nummer 4: Mit Johannes Raschpichler ist trotzdem ein Gastkeyboarder dabei, und der wurde auch in einem Maße in die Songs eingebunden, wie man es a) anhand des generellen Stils vermuten konnte und es b) eigentlich wieder die dauerhafte Besetzung dieser Planstelle erfordert. Nummer 5: Das stilistische Spektrum der Band ist ein Stück weit ausgedehnt worden, und zwar in drei Richtungen. Zum einen hat die Rhythmusarbeit eine gewisse Verkomplizierung erfahren, die zwar stets im songdienlichen Rahmen bleibt, aber dennoch für die Anheftung des Prädikates "progressiv" ausreicht. Auch die Tempowechseldichte ist offensichtlich ein wenig erhöht worden. Zum zweiten finden sich einige moderne Anflüge, etwa der verzerrte Gesang in "Constructed Dreams" oder die Keyboardflackereien, wobei letztgenannte allerdings auch als historische Hommage etwa an die NDW oder an Klaus Schulze gewertet werden können. Zum dritten schließlich hat Alex sein Riffing ein gutes Stück tiefergelegt, was in Verbindung mit nicht seltenen schleppenden Tempi für gelegentliche doomige Stimmung sorgt, wobei hier nicht der klassische Doom Marke Candlemass oder Black Sabbath als Vorbild gedient haben dürfte, wie man anhand der Kenntnis der MCD vermuten könnte (was sich freilich beim genaueren Überlegen als hirnrissig herausstellt, denn Weiss Heim hatten damals eben genau keine Doombrocken, sondern eher klassisch-hardrockige Sabbath-Tracks gecovert), sondern eher die modernere, leicht stoner-beeinflußte Variante. Allerdings kann letztgenannte Einschätzung auch durch den einen Tick zu dumpfen, leicht verwaschenen Sound der CD hervorgerufen worden sein - das Ganze ist nicht schlecht, aber eben auch nicht ganz state of the art, und gerade Denises Stimme hat bisweilen etwas darunter zu leiden, daß sie akustisch etwas zu sehr in den Hintergrund gemixt wurde. Ansonsten wäre nämlich das Eingängigkeitspotential etwa von "Constructed Dreams" deutlich höher einzuschätzen gewesen als in der vorliegenden Variante mit zu zurückhaltend gemischtem Refrain, wenngleich der Mini-Hit des Albums auf den Namen "Now In My Head" hört, zumindest was den Refrain angeht - der ist zwar nicht ganz so eingängig, aber die Kombination der Stimme und des Pianos läßt den anspruchsvollen Hörer zweifellos mit der Zunge schnalzen. Dafür vertreiben die rapiden Tempowechsel in den Interludien etwaige kommerzielle Ambitionen bis ans Ende der Welt. Im positiven Sinne kommerziell ausgefallen ist hingegen "The Answers Is You" (sollte es diese grammatikalische Konstruktion wirklich als Wortspiel geben?), eine schöne Halbballade, die man auch in jedem Top-40-Radiosender problemlos ins Programm mogeln könnte, ohne Massensuizide beim Publikum befürchten zu müssen. Fürs heimische Mitsingüben, damit das dann auf Konzerten auch klappt, liefern Weiss Heim zumindest die Texte der Refrains im Booklet mit (man muß dort nur aufpassen: "Mary Jane" und "Someone" sind dort vertauscht, was vermutlich nicht als Aufpaßübung für den Hörer gedacht gewesen war). Apropos Gesang: Daß Denise richtig wild kreischen kann, wissen alle, die "Fight For Glory" kennen (und der Rezensent seit 2004 auch noch aus einem anderen Kontext - nein, nicht was mancher Leser jetzt vielleicht erwarten würde, sondern etwas ganz anderes: Sie stand beim Toxic Smile-Gig auf der Progparade in unmittelbarer Nähe seines rechten Ohres ...). Aber was sie für Facetten in ihrer Stimme hat, zeigt sie so richtig erst hier auf dem neuen Album. "Mary Jane" ist für den Einsatz verschiedenster Stimmlagen ein schönes Beispiel, und das reicht durchaus bis zum Vordringen in die gängigen Heavenly Voices-Sphären in den Strophen. Dieser Song gehört allerdings schon zu den älteren im Repertoire der Band - er erklang schon anno 2003 live und fiel bereits damals positiv auf und zugleich stilistisch mit seinem progressiven Anstrich etwas aus dem Rahmen, aber nun stellt er sich als Archetyp für das Schaffen der Band heraus. Die hat übrigens mal wieder mit diversen Line-up-Problemen zu kämpfen - neben der offenen Planstelle des Keyboarders hat auch Drummer Johannes Dreyer nach langer Zeit seinen Abschied eingereicht. Auf der CD ist er noch zu hören, aber das Infoblatt zeigt mit Christian Kirsten schon seinen Nachfolger. Freilich: Ein richtig guter Keyboarder muß schon noch her, die Songs bedürfen live dringend eines solchen. "Searching For Answers" entpuppt sich neben der genannten Halbballade als geradlinigster Track und zugleich auch als einer der besten - schleppender fetter Hardrock diesmal dann doch der Sabbath-Schule, aber mit witzigen Keyboardsounds, wie sie sich Sabbath nur selten einzusetzen trauten und schon gar nicht in diesem Umfang. "Someone" wiederum überrascht mit einem Refrain, der noch kein Selbstzitat ist, aber doch einige Elemente verarbeitet, die man in ähnlicher Form von seinem Bruder in "Fight For Glory" kennt. Richtig nach unten durchs Raster fällt eigentlich nur die viel zu bemüht klingende Ballade "Last Song Remaining" am Ende, die auch Alex' aktuelle stimmliche Limitierung deutlich erkennen läßt, jedenfalls wenn man den bandinternen Vergleich mit Denise zieht. Irgendwie hat man da immer das Gefühl, ein Kompositionsdemo für einen noch mit voller Band auszufeilenden Song zu hören. Aber der Rest von "Human Race" überzeugt musikalisch ohne Wenn und Aber, und so bleibt als einziger Problempunkt noch das Cover - zweifellos witzig, aber wer soll dahinter bitte eine Band vom Stile Weiss Heims vermuten, wenn er das irgendwo zu Gesicht bekommt? Da bedarf es dann schon musikalischen Geschichtswissens, um die Herkunft des Bandnamens zu kennen und dann spontan zu wissen, ob man zur musikalischen Zielgruppe gehört oder nicht. Selbige Zielgruppe darf ohne Bedenken zugreifen.
Kontakt: www.weiss-heim.de, www.myspace.com/weissheimdieband

Tracklist:
Human Race
Constructed Dreams
Now In My Head
The Answers Is You
Mary Jane
Searching For Answers
Someone
Last Song Remaining



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