www.Crossover-agm.de VOTUM: Time Must Have A Stop
von rls

VOTUM: Time Must Have A Stop   (Insanity Records)

Im Subgenre des Düsterprog verfügt Polen mit Riverside über eine absolute Referenzband, und so verwundert es nicht, wenn Mariusz Duda und seine Mannen verschiedentlich als musikalische Vorbilder dienen, so offensichtlich auch für Votum, die anfangs noch geradlinigeren Metal gespielt haben sollen, nach einem Demo und einer Single auf ihrem Debütalbum jetzt aber eben im Düsterprog angekommen sind. Komme nun aber niemand und unterstelle Votum etwa Kopismus! Man hört ihnen nach wie vor deutlich an, daß sie aus dem Metal kommen, und sie verfügen über zwei Gitarristen, die auch beschäftigt werden wollen und die ihre Beschäftigung deutlich seltener in Akustikpassagen, dafür häufiger in feistem darkmetallischem Riffing finden. Natürlich schalten auch Votum immer mal einige Gänge zurück und fabrizieren ruhige Klanglandschaften, so etwa recht ausgedehnt in "Train Back Home", den sonst vorherrschenden leicht bombastischen Düstersound etwas auflockernd. Aber generell agieren sie lange nicht so rückwärtsgewandt wie Riverside, bauen statt dessen an ausgewählten Stellen auch mal kurze NuMetal-Passagen ein. Andererseits agieren sie auch nicht so kalt-düster wie Dream Theater in manchen Passagen auf "Train Of Thought" - ihre Düsternis bleibt immer irgendwie warm, was auch durch die Bookletgestaltung unterstrichen wird, welche einen warmen Braunton und kein kaltes Grau als Grundton verwendet, den Spruch "We're only here through pain ..." auf der Bookletrückseite damit ebenfalls etwas abmildernd. Jeder der acht Texte wird im Booklet übrigens durch ein Motto eingeleitet, dessen Autorenspektrum von Michel Foucault über die Bibel bis zu Friedrich Nietzsche reicht. Und während die Kompositionen als Gemeinschaftsprodukte des Sextetts angegeben werden, zeichnet Sänger Maciej Kosinski für die lyrische Komponente allein verantwortlich. Gesanglich kann er sich mit Mariusz Duda noch nicht messen, aber er liefert trotzdem eine starke Leistung zumeist im mittleren bis hohen Bereich ab (ob er auch für die gelegentlichen Death Metal-Shouts verantwortlich ist, vermerkt das Booklet nicht, aber es ist niemand anders mit Vokalpflichten verzeichnet). Von den acht Kompositionen fällt keine nach oben oder unten aus dem Rahmen, man darf der Band also eine geschlossene Leistung auf hohem Niveau gutschreiben; vom Stil her sind die teilweise ruhigeren "Train Back Home" und "Away" diejenigen Songs, die sich nach mehrmaligem Hören als erste im Langzeitgedächtnis festsetzen - ein Prozeß, der einige Arbeit macht, denn auf ganz große Refrains haben die Polen verzichtet, wenngleich schon merkfähige Strukturen vorkommen, etwa die "She runs"-Mantras in "Away". Ansonsten wird der Metalexperte bei einzelnen Elementen durchaus ein Deja-Vu erleben können, etwa beim Amorphis-Gedächtniskeyboardsound in "The Pain", der einem diverse "Tales From The Thousand Lakes"-Großtaten wieder ins Gedächtnis beamt, wohingegen dem Rezensenten die Herkunft des Sounds der Leadgitarrentupfer in "The Hunt Is On" noch nicht wieder eingefallen ist. Ganz aus der Ferne grüßen dezent Pain Of Salvation (allerdings verzichten Votum komplett auf Verrücktheiten der Marke "Disco Queen"), Deadsoul Tribe (wenngleich bei Votum die Flöte fehlt), Porcupine Tree (wenngleich das geniale Händchen eines Steven Wilson Votum noch abgeht) und Opeth (wenngleich Votum auf beide Extreme des Opeth-Sounds, also den Siebzigerprog und den Death Metal, verzichten). Opeth ist ein gutes Stichwort: Kann sich jemand vorstellen, wie es klingt, wenn man die Opeth-Soundbestandteile in einen Topf schüttet, alles aufkochen läßt und dann ein buntes Polnisches Allerlei serviert? So ungefähr klingen Votum, und das soll keinesfalls despektierlich verstanden werden - es dürfte genügend Menschen geben, denen Opeth trotz generellem Interesse an Düsterprogsounds eine Spur zu avantgardistisch sind, und diese Menschen sollten sich "Time Must Have A Stop" mit großem Interesse nähern. Als Anspieltip sei der abschließende Titeltrack angeführt, der in seinen knapp elf Minuten quasi alle Elemente des Albums bündelt und der, wie eigentlich das ganze Album, bei jedem neuen Anhören immer noch wächst und neue Details offenbart (dieser Prozeß ist zum Reviewzeitpunkt noch keineswegs abgeschlossen). Für ein Debütalbum eine sehr starke Leistung - zwar bleiben Riverside noch unerreicht, aber so weit entfernt sind Votum durchaus nicht.
Kontakt: www.votumband.pl

Tracklist:
Me In The Dark
The Pain
Passing Scars
Train Back Home
The Hunt Is On
Away
Look At Me Now
Time Must Have A Stop



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