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PAIN OF SALVATION: Scarsick
von CSB

PAIN OF SALVATION: Scarsick   (Inside Out)

Die Jungs von Pain Of Salvation sind die personifizierte Unberechenbarkeit. Mutmaßungen vor einem Album, welchen musikalischen Pfad die Schweden wohl diesmal einschlagen werden, erweisen sich als vollkommen sinn- und fruchtlos. Die kreative Energie des Fünfers kann sich in jede nur erdenkbare Richtung entfalten. Auf ihren Frühwerken noch eng an Dream Theater angelehnt, standen POS später für völlig eigenständigen Progmetal, der sich mit jedem Album stilistisch verbreiterte. Und wer glaubte, diese Entwicklung sei mit dem letzten monströsen Konzeptalbum über Gott, das menschliche Dasein und den Sinn des Leben ("Be") zu einem vorläufigen Ende gekommen, der hat eben nicht mit dem Genie eines Daniel Gildenlöw gerechnet. Denn auch "Scarsick" setzt in Sachen Facettenreichtum und Progression im eigentlichen Sinne des Wortes neue Maßstäbe, wenn auch wiederum in völlig anderen Bereichen. Ganz im Gegensatz zum schwerverdaulichen und von vielen Kritikern als überambitioniert empfundenen letzten Werk der Schweden präsentieren sich Pain Of Salvation 2007 von ihrer eingängigeren Seite. Auch wenn "Scarsick" natürlich wieder ein Konzeptalbum ist, ("The Perfect Element Pt. II"), hat man auf zusätzlichen Ballast in Form von Zwischenspielen, Sprechpassagen, avantgardistischen Soundexperimenten usw. diesmal weitestgehend verzichtet und präsentiert 10 moderne Rocksongs, die allerdings unterschiedlicher und z.T. gewagter nicht sein könnten. Auch auf Tiefgang braucht der Hörer selbstverständlich nicht zu verzichten, auch wenn die Intensität diesmal hinter scheinbarer Banalität verborgen liegt. So bricht das Eröffnungsdoppel "Scarsick" und "Spitfall" über den unvorbereiteten Hörer wie eine eiskalte Dusche herein. Die heftig groovenden Riffs und ausufernden, wütenden Rappassagen erinnern jedenfalls zunächst eher an Korn oder Clawfinger als an Progmetal. Hat man den ersten Schock erstmal verdaut, erahnt man schon die Ironie, die dahinter steckt. Nun ist gute Satire noch lange kein guter Song und im Falle vom Opener "Scarsick" werde zumindest ich auch im zwanzigsten Anlauf nicht warm. "Spitfall" allerdings kann mit seinem kultigen künstlich in die Länge gezogenen großartigen Refrain die ersten Pluspunkte sammeln. "America" ist dann eine weitere Frechheit, wie sie nur Pain Of Salvation einfallen kann. Stakkatoriffs, eine fröhliche Keyboardmelodie, dazu Zitate aus der Westsidestory und ein bitterböser Text - eine ziemlich verstörende aber auch ungemein mitreißende und eingängige Kombination. Noch abgefahrener wird es dann beim folgenden "Disco Queen". Wer bisher glaubte, kommerzielle Tanztempelbeats und völlig verquerer Progmetal schlössen sich aus, der irrt gewaltig. Und dass diese knallharte Abrechnung mit der Oberflächlichkeit der Unterhaltungsindustrie auch live das Zeug zum Abräumer hat, davon konnte man sich auf der letzten Tour überzeugen.
Neben soviel zwiespältigem Wahnsinn haben Gildenlöw und Co. sich glücklicherweise auch ihrer konservativeren Fans (falls es solche überhaupt geben kann) besonnen und einige "typischere" Nummern untergebracht. "Cripcaged" bspw. ist so eine klassische, hochmelodiöse, sich immer weiter verdichtende und schließlich explodierende POS-Ballade, die die gesamte Klasse dieser Ausnahmeband verdeutlicht. Auch "Mrs. Modern Mother Mary", "Flame Of The Moth" und insbesondere "Enter Rain" sind im Vergleich zur völlig durchgeknallten und z.T. wirklich anstrengenden ersten Hälfte der Scheibe regelrecht friedlich und orthodox ausgefallen. Das gilt aber nun wirklich nur im internen Vergleich, denn auch diese Songs sind natürlich voll gestopft mit abgefahrenen Ideen, ausgefallenen Arrangements und mit instrumentaler Extraklasse dargeboten.
Pain Of Salvation haben es dem Hörer noch nie leicht gemacht. Was einem da aus den Boxen entgegenschlägt, wühlt auf, reißt mit, nervt manchmal, beeindruckt und begeistert. Manchmal ist diese Scheibe kaum zu ertragen. Es fällt schwer zu beurteilen, ob dieses Werk nun als gelungen gelten kann oder nicht. Aber fest steht, dass "Scarsick" herausfordert und eine Auseinandersetzung regelrecht erzwingt. Und wie viele Alben sind in letzter Zeit erschienen, von denen man das behaupten konnte?
Bandkontakt: http://www.painofsalvation.com
Labelkontakt: http://www.insideout.de

Tracklist:
1. Scarsick
2. Spitfall
3. Cripcaged
4. America
5. Disco Queen
6. Kingdom Of Loss
7. Mrs Modern Mother Mary
8. Idiocracy
9. Flame Of The Moth
10. Enter Rain



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