www.Crossover-agm.de UNISONIC: Unisonic
von rls

UNISONIC: Unisonic   (Edel)

Über die strukturellen Hintergründe der Band Unisonic kann man im Review zu deren Debüt-Single "Ignition" nachlesen - nun liegt also seit einiger Zeit auch das selbstbetitelte Debütalbum vor und bestätigt im Grundsatz die Einschätzung, die man schon an den drei Eigenkompositionen der Single gewinnen konnte: Unisonic klingen praktisch wie Pink Cream 69 mit Michael Kiske am Gesangsmikrofon, und die nach anderthalbjahrzehntiger Pause zustandegekommene neuerliche Kollaboration der beiden Ex-Helloween-Recken Kiske und Kai Hansen hat mit Helloween stilistisch wenig bis nichts zu tun, weder mit den heutigen Helloween noch mit den damaligen zu "Keeper I/II"-Zeiten, an denen beide beteiligt waren, und auch nichts mit den unmetallischeren Helloween der "Pink Bubbles Go Ape"- oder gar "Chameleon"-Phase, die Hansen schon nicht mehr mit einspielte, sondern mit Gamma Ray überwiegend auf gewohntem Kurs blieb. Wenn man also nicht mit entsprechenden Erwartungen (die die Pressearbeit noch geschürt hatte) an das Hören der elf bzw. auf dem Digipack 12 neuen Songs geht, kann man diese durchaus gut finden und als gediegenen Melodic Rock bzw. Melodic Metal ansprechen, der von den ehemaligen oder aktuellen Betätigungsfeldern der Bandmitglieder eben am stärksten an Pink Cream 69 erinnert, von denen zwar nur die Rhythmusgruppe bei Unisonic spielt - aber Bassist Dennis Ward saß zugleich im Produzentensessel, war umfangreich ins Songwriting eingebunden, und das hat durchaus akustische Spuren hinterlassen. Stilexperimente gibt es kaum zu hören, aber dafür reizen die Musiker das im Melodic Metal mögliche Spektrum ziemlich weit aus, gehen also mal forsch zur Sache wie in der eröffnenden Bandhymne "Unisonic" und setzen ans andere Ende der CD wie des Spektrums die atmosphärisch-zurückhaltende Kiske-Komposition "No One Ever Sees Me". Daß die alten Hasen wissen, wie man Wirkung entfaltet, wird beispielsweise an "I've Tried" mit seiner zurückhaltend-sphärischen Strophe, die dann im marschierenden Refrain explodiert, deutlich. In drei Songs haben sie sich als Verstärkung noch Vanden-Plas-Keyboarder Günter Werno geholt, und dessen Schaffen wertet "Souls Alive" gegenüber der phasenweise noch leicht unausgegoren wirkenden Demoversion, die man auf die Single gepackt hatte, durchaus auf. Mit dem Vorhandensein der "Vollversion" wird der Erwerb der Single übrigens mehr oder weniger überflüssig, wenn man nun nicht gerade unbedingt die eher mäßige Unisonic-Livefassung des Helloween-Oldies "I Want Out" braucht - "Unisonic" und "My Sanctuary" stehen auch auf dem regulären Album. Der Hase liegt auf diesem allerdings an einer ganz anderen Stelle im Pfeffer: Die Scheibe ist gut, ohne Zweifel - aber sie haut einen nicht vom Hocker. Im Singlereview war für das Album der Wunsch nach ein paar richtigen Glanzlichtern ausgesprochen worden, aber dieser Wunsch bleibt unerfüllt. Oder anders ausgedrückt: Man hört die Scheibe mehrmals an, man will sie richtig gut finden, aber man schafft es nicht, weil sie eben nur solide bis gut ist. Zudem kommen da noch ein paar Problemfälle zum Vorschein, etwa die Ward-Komposition "Star Rider" (also kein Foreigner-Cover), die weder in den Strophen noch im Refrain aus dem Knick kommt. Hansen macht es in "Never Change Me" nicht besser: Eigentlich ist die Idee, Gamma Rays "Brothers" einen hardrockigen Bruder zur Seite zu stellen, ja durchaus begrüßenswert, aber Kiskes verzerrte Vokaleinwürfe und das fürchterlich holpernde Arrangement des Übergangs zum letzten Refrain, das so direkt und übertrieben plastisch kommt, daß sich jede Schülerband dafür schämen würde, torpedieren das gute Hauptriff erfolgreich. Daß Hansen es viel besser kann, zeigt die erstklassige Halbballade "Over The Rainbow", bei der sich auch Kiske erfolgreich in Szene setzen kann (nicht nur, aber auch mit den ganz hohen Passagen - er packt's offenbar immer noch) und die neben den Singletracks zum Stärksten gehört, was auf dem Album steht. Wäre die anstelle der Liveversion mit auf die Single gepackt worden, hätte man sich freilich wiederum den Kauf des Albums sparen können, was auch nicht so im Sinne der Plattenfirma gewesen wäre. Kurioserweise steht aber gerade dieser Track nur als Bonus auf der Digipackversion - verstehe diese Entscheidung, wer will ... Ach ja, und noch was, liebe Plattenfirma: So schön der geprägte Digipack auch aussieht (und auch die Bookletgestaltung ist sehr edel), er hat einen entscheidenden Nachteil: Er hat ein Sonderformat, ist einen Zentimeter höher als eine normale CD und paßt damit nicht in ein handelsübliches CD-Regal. Das ist ein Ärgernis für jeden fanatischen CD-Sammler (auf den als Käufer solche Sondereditionen ja in der Regel abzielen), der sich für jedes dieser Sonderformate (und von denen gibt es mittlerweise Dutzende Varianten) dann eine gesonderte, möglichst platzsparende Aufbewahrungsvariante einfallen lassen muß und gleichzeitig vor dem Problem steht, daß er dann entweder die CDs einer Band an verschiedenen Orten aufbewahren muß, anstatt sie schön ordentlich alle beieinanderstehen zu haben, oder die normalformatigen CDs in die sonderformatige Lösung integrieren muß, was häufig umständlich und/oder zusätzlich platzfressend ist. Die Nuclear-Blast-Special-Editions bilden häufig ein ähnliches Ärgernis, während beispielsweise Inside Out schon vor mehr als zehn Jahren beispielsweise mit den ersten beiden Transatlantic-Alben vorgemacht haben, wie man solche Hardcover-Mediabooks im Normalformat produzieren und damit dem Sammler etwas Schönes präsentieren kann, aber ihn nicht zu archivierungstechnischen Sonderlösungen zwingt. Zurück zur Musik: Das letzte Drittel ist im Durchschnitt etwas stärker ausgefallen als der Rest des Albums - "My Sanctuary" wußte ja schon auf der Single zu überzeugen, "King For A Day" und "We Rise" spielen geschickt mit Tempoattacken, letzteres hat zudem auch noch einen interessant strukturierten Refrain zu bieten, und das bereits genannte "No One Ever Sees Me" tendiert ein bißchen in Richtung "Your Turn", das bekanntlich zu den stärksten Momenten auf dem ansonsten eher uninspirierten "Pink Bubbles Go Ape"-Album von Helloween gehörte. So richtig reißt dieser Schlußspurt das Album aber auch nicht mehr heraus. Wie bereits geschrieben: Man möchte es gerne richtig gut finden, gerade als Anhänger der (Ex-)Bands der beteiligten Musiker - aber zumindest der Rezensent kommt nicht über ein wohlwollendes "Gut"-Urteil hinaus, das Helloween-Fans zudem dringend ein Reinhören vor einem Kauf empfiehlt, während als primäre musikalische Zielgruppe wohl die Anhänger von Pink Cream 69 zu benennen sind. Zu Jahresbeginn hatte mancher, vielleicht auch der Rezensent, im stillen gehofft, hier ein Highlight des Tonträgerjahrgangs 2012 serviert zu bekommen - diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt, und ohne den Mitgliederbonus ist "Unisonic" so nur ein gutes Album unter vielen anderen.
Kontakt: www.ear-music.net, www.unisonic.de

Tracklist:
Unisonic
Souls Alive
Never Too Late
I've Tried
Star Rider
Never Change Me
Over The Rainbow
Renegade
My Sanctuary
King For A Day
We Rise
No One Ever Sees Me



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