www.Crossover-agm.de UNDERFATE: Seven
von rls

UNDERFATE: Seven   (Eigenproduktion)

Es ist schon erstaunlich, wie eine einzige Band in einem Land eine derart szenebildende Wirkung entfalten kann, wie dies Riverside bezüglich des Düsterprog in Polen gelungen ist. Klar, auch zuvor gab es in unserem östlichen Nachbarland Progbands (man erinnere sich beispielsweise an SBB), und auch der Düstermetalsektor war nicht unbesetzt (dem Kenner fallen u.a. Cemetery Of Scream ein), aber Riversides Debüt "Out Of Myself" wirkte wie eine Initialzündung für die Verschmelzung dieser Welten, der sich seither etliche polnische Bands widmen, wobei allerdings, und das ist durchaus nicht die Regel, jede ihren eigenen Weg zu finden versucht, mit der Thematik umzugehen. Nun reihen sich auch Underfate in diese Welt ein: 2011 gegründet, markiert "Seven" nicht etwa schon das siebente Album des Quartetts (das würde für einen extrem hohen Materialausstoß sprechen, den heutzutage vielleicht allenfalls noch Einmann-Black-Metal-Projekte oder Jamsessionveröffentlicher erreichen) und ist auch kein Komplettcover des gleichnamigen Toxic-Smile-Albums aus dem Jahre 2013, sondern das bereits 2014 erschienene, aber erst unlängst hier eingezogene Debütalbum der Band aus Kwidzyn, einer nordpolnischen Stadt, die dem deutschen Leser unter ihrem früheren Namen Marienwerder geläufiger sein dürfte. Und nach Durchhören der 51 Minuten Musik wird deutlich, daß die eingangs aufgestellte These "Riverside als Vorbild, aber nicht klonend" auch auf Underfate zutrifft. Die fallen zunächst in der lokal-stilistischen Szene dadurch aus dem Rahmen, daß sie auf Gesang komplett verzichten - interessanterweise enthält das dem stimmungsvoll-düsteren, aber vielleicht einen Deut zu dunkel gedruckten Digipack beigegebene Booklet aber trotzdem Lyrics, deren Urheber allerdings im Schatten der Anonymität verbleibt, so daß auch über die konkreten Absichten dieser Konstellation keine eindeutigen Aussagen möglich sind. Aber so kann man sich wahlweise auch komplett der instrumentalen Komponente widmen. Was man allein mit dieser für eine Spannung erzeugen kann, haben Riverside ja im langen Einleitungspart von "The Same River" unter Beweis gestellt - dieses Niveau erreichen Underfate noch nicht, aber sie machen ihre Sache trotzdem schon richtig gut, wenngleich ihnen im Weltmaßstab das ganz ureigene Element auch noch fehlt, das als reine Instrumentalband im Rock- bzw. Metalbereich heutzutage ja auch nur sehr schwer zu erringen ist, da man solcherart Bands gemeiniglich eher an ihren Sängern zu messen geneigt ist. Hier und da gönnen Underfate dem Hörer allerdings Instrumentallinien, die auch als Gesangsmelodien denkbar wären, und zudem besitzen sie ein gutes Händchen dafür, den Hörer einerseits zwar durchaus mit vertrackter Rhythmik zu fordern, ihm aber auch einige einprägsame Momente und große Harmoniegebilde zu liefern, für die nicht selten Keyboarder Adam Zmuda verantwortlich zeichnet - man höre mal das Finale von "Memento Box"! Aber bereits im Opener "Mercury" sind gerade drei Minuten vergangen, da holt besagter Mann einen Keyboardsound aus der Mottenkiste, den der Altrockfan von Led Zeppelin her in bester Erinnerung hat, und wenn dann knapp drei Minuten später mit ebenjenem Sound auch noch ein Thema gespielt wird, das dem Intro von "No Quarter" etwas ähnelt, dann scheint eine weitere Einflußlinie von Underfate gefunden zu sein, die sich aber nach dem Durchhören des ganzen Albums als doch nicht so stark ausgeprägt erweist: Klar, die Polen mögen die Siebziger und speziell den Prog dieser Ära, aber sie sind zugleich Kinder der Gegenwart, die sich postrocktypisch enorm viel Zeit für die Entwicklung ihrer Songgebilde lassen, welche dann auch einen Siebenminutendurchschnitt überschreiten (daß "Seven" sieben Songs enthält, sollte eigentlich keiner weiteren Erklärung bedürfen). Zmuda spielt recht oft einen klassischen Klaviersound, und die andere zentrale Rolle kommt Gitarrist Piotr Chomicz zu, was freilich nicht die Rolle der mal in krummen Taktarten brillierenden ("Entanglement"), aber bedarfsweise auch einen ganz simplen Beat hinlegenden Rhythmusgruppe aus Drummer Mateusz Switala und Bassist Slawomir Lewandowski herunterspielen soll - gerade letzterer dürfte vor allem live weiter in den Vordergrund rücken. Und so langsam auch die Entwicklung vieler der Songs verläuft, vor Überraschungen ist der Hörer nie gefeit, wie etwa der plötzliche Ausbruch in "Oobe" demonstriert, der freilich auch live eine noch stärkere Kontrastwirkung entfalten dürfte als auf der sauber und mit einer gewissen Grundwärme produzierten Tonkonserve, deren Klangbild eher den Riverside-Frühwerken entspricht als etwa dem technisch-hektischen "Anno Domini High Definition". So rundet sich das Bild einer interessanten Band, die man auch gerne mal auf der Bühne erleben würde und deren Debütalbum man seiner Sammlung, wenn dort schon Riverside-Werke stehen, bedenkenlos einverleiben kann. Interessant abzuwarten bleibt die weitere Entwicklung der Band, die auf ihrem Bandcamp-Profil ankündigt, das neue Material würde sich etwas vom früheren unterscheiden. Aber an "Seven" rüttelt das natürlich nicht.
Kontakt: www.facebook.com/underfate

Tracklist:
Mercury
Hand Print
Entanglement
Memento Box
One Step Over
Oobe
Way Out
 



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