www.Crossover-agm.de RIVERSIDE: Out Of Myself
von rls

RIVERSIDE: Out Of Myself   (The Laser's Edge)

"I'm gonna lay down my sword and shield down by the riverside". Kein origineller Anfang für das Review, zudem noch einer, der musikalisch in eine völlig falsche Richtung weist, denn Riverside haben mit der Musik der antimilitaristischen Protestbewegung (welche das deutlich ältere Traditional "Down By The Riverside" mit Begeisterung adaptierte) nichts am Hut - jedenfalls vordergründig nichts. Bezüge könnte man allenfalls dahingehend konstruieren, wenn man Pink Floyd als Produkt ebenjener antimilitaristischen Protestbewegung (man erinnere sich an "Another Brick In The Wall") interpretiert (womit man zumindest partiell richtig läge) und Riverside einige Pink Floyd-Einflüsse unterjubelt (womit man, zumindest was den sphärischen Gehalt der Musik angeht, ebenfalls nicht daneben liegt). Zeit ist jedenfalls für Riverside ebenso keine Hexerei wie für Pink Floyd oder, um einen musikalisch treffenderen Vergleich zu ziehen, für die legendären Kaiserslauterner Sunblaze. Bis Mariusz Duda im Opener "The Same River" überhaupt zu singen beginnt, sind weit über sechs Minuten vergangen, die einem unglaublich spannungsaufbauenden Einleitungsteil mit diversen Klimax-Deklimax-Perioden gehören. Riverside spielen also relativ ausladenden, aber trotzdem alles andere als frickellastigen Progrock mit gelegentlichem Augenzwinkern in Richtung Metal sowie Gothic. Letztgenanntes manifestiert sich bereits im düsteren Artwork (ein kurzer Blick sollte dem Kenner genügen, um den Namen "Travis Smith" auszusprechen - wann schläft der Mann eigentlich mal?), aber auch in der atmosphärischen Gestaltung der Musik, welche bisweilen fröhlich vor sich hinklöppelt oder aber sanfte Seelenstreichelpassagen auffährt (man höre als Exempel für letztgenannte "I Believe"), den größten Teil der Zeit aber mehr oder weniger dramatische Spannungszustände, auch Verzweiflung musikalisch umsetzt, den Hörer allerdings trotzdem nicht wie eine ultrafinstere Doomband in den nächsten Abgrund stößt. Allein schon die Gesangspassagen von Mariusz beugen dem vor - bis auf einige Verzweiflungsausbrüche (wie etwa im nicht mal vierminütigen, für Riverside-Verhältnisse geradezu forschen Titeltrack oder im Schlußpart des ebenfalls recht kompakt gehaltenen "Loose Heart") benutzt der Sänger eine weiche, meist mittellagige Stimmgestaltung und liegt dabei irgendwo (Achtung, festhalten) auf halbem Wege zwischen mittelalten Anathema und A-Ha. Anathema sind überhaupt ein gutes Stichwort. Wenn die nach ihrem Meisterwerk "Eternity" nicht plötzlich angefangen hätten, alternativlastiges Riffing, Loops und ähnliche Spielereien aus dem elektronischen Baukasten zu entdecken, könnten sie heute durchaus wie Riverside klingen, und wenn man den Metalanteil im Sound der Australier Kohllapse noch etwas reduzieren würde, käme gleichfalls ein mit Riverside vergleichbares Resultat heraus. Einige der im Riverside-Kontext sehr seltenen Frickelpassagen finden sich natürlich in den Instrumentals wieder, die hier auf die Namen "Reality Dream" und "Reality Dream II" hören, aber den Hörer immer wieder mit packender Melodik bei der Stange halten. Daß die vier Jungs ihre Instrumente auch zu nachtschlafendster Zeit beherrschen, hört man überdeutlich heraus, ohne daß sie es dem Hörer nun pro Minute 15mal auf die Nase binden müssen. Zudem haben sie ein paar kleine Effekte eingebastelt, welche sowohl stimmungsdienlich fungieren als auch die Kreativität unterstreichen. So wird der tagträumende Hörer in "Reality Dream" nach sechs Minuten durch einen klingelnden Wecker aus seinem Ruhezustand gerissen (Helloween hatten das in "A Little Time" ja schon mal vorexerziert, wenngleich mit anderem Background), während das Intro zu "Reality Dream II" den akustischen Beweis antritt, daß man Tonwahlgeräusche sowie die der Meldung "Kein Anschluß unter dieser Nummer" vorausgehende Tonfolge harmonisch in einen "traditionellen" Songunterbau einbauen kann. Im abschließenden "OK" tritt dann noch eine Posaune hinzu, die allerdings klanglich derart verfremdet wurde, daß sie eher an ein Saxophon erinnert und relativ kalte Stimmungen transportiert, die auch zum offensichtlich negativen Ende der Geschichte (die textliche Romanze des Albums mit dem Auf und Ab des Lebens besitzt kein Happy End - selbst bei "In Two Minds", das noch auf einen positiven Aspekt hoffen läßt, mischt sich gegen Ende ein kalter, drohender Unterton ein) passen. Wie gesagt: Ein "Runterzieh"-Album ist "Out Of Myself" nicht, aber man sollte sich auf stark wechselnde Stimmungsbilder einstellen, Zeit mitbringen und generell Progrock nicht abgeneigt sein, um das Album goutieren zu können. Produktionsseitig gibt es absolut nichts auszusetzen (Keyboarder Jacek Melnicki fuhr die Produktion offensichtlich in seinem eigenen Studio), so daß diese CD einen eindrucksvollen Beweis darstellt, daß aus Polen nicht nur international konkurrenzfähiger Death Metal Marke Vader kommt. Wem Pain Of Salvation mittlerweile zu verschroben sind, Anathema längst nicht mehr "traditionell genug" sowie Pink Floyd und Sunblaze nicht "veröffentlichungsfreudig genug", der sollte sich "Out Of Myself" in die heimische Sammlung stellen.
Kontakt: www.riverside.art.pl, www.lasercd.com

Tracklist:
The Same River
Out Of Myself
I Believe
Reality Dream
Loose Heart
Reality Dream II
In Two Minds
The Curtain Falls
OK
 




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