www.Crossover-agm.de SUNBLAZE: Illuminating Heights
von rls

SUNBLAZE: Illuminating Heights   (Eigenproduktion)

Zwei Minuten nach Redaktionsschluß von Heft 2/99 traf diese CD bei mir ein, und nach dem ersten Hördurchlauf war klar, daß ich es nicht verantworten kann, euch die Kunde von diesem Meisterwerk noch ein Vierteljahr vorzuenthalten. Also das Teil flugs in meine Heavy-Rotation aufgenommen, um festzustellen, ob "Illuminating Heights" nach mehreren Hördurchläufen von ihrem Zauber verliert - tut sie nicht! Solch ein Feuerwerk an Ideen und Emotionen ist mir lange nicht untergekommen. Sunblaze (die übrigens aus der Band Dividing Horizons hervorgegangen sind) bezeichnen sich selbst als "Progressive Metal Orchestra", und eine bessere Stilbeschreibung wäre auch mir nicht eingefallen. Violine, Klarinette, Saxophon, Flöte und ein siebenköpfiger Chor ergänzen die klassische Rockbesetzung und veredeln die beiden Songs "Sunblaze" (14:10 min) und "Distant Reaches" (10:06 min) in nahezu perfekter Weise. Harte Riffs gehen nahtlos in einen sanften, von einer schluchzenden Violine geprägten Part über, der wiederum von wildem Soli-Gefrickel abgelöst wird - und es paßt alles zusammen! Nichts, aber auch gar nichts wirkt hier konstruiert, selbst völlig wirr anmutende Rhythmen oder querliegende Flöten machen nach einer gewissen Anzahl von Durchläufen plötzlich Sinn und ergänzen das Bild genau mit der Farbnuance, die noch gefehlt hat. Ich könnte hier noch seitenweise fabulieren, etwa über die Bedeutung von Taktwechseln von 3/8 via 5/4 zu 7/16, über die ergreifende Wirkung, die diese Musik selbst auf einen Menschen wie mich, der sonst eher rational veranlagt ist, hat (jetzt gerade, am 7. Juni 1999 um 22.35 Uhr, während "Distant Reaches" an der Zweiminutenmarke angelangt ist, versetzt mich die Stimmung der Violine zurück nach Israel auf einen Hügel in der Wüste Negev am Abend des 15.12.1998, wo ich wiederum Beierfeld und Lauter zu sehen wähnte, obwohl ich Sunblaze damals noch gar nicht kannte) - entschuldigt bitte mein Abschweifen, aber ich bin bei jedem Durchlauf aufs neue ergriffen von der Fragilität, kombiniert mit ein wenig urwüchsiger Power und tonnenweise Emotionen der unterschiedlichsten Sorten. Der Vor-Schlußteil von "Distant Reaches" (so von Minute 6 bis 8 etwa) bringt mich völlig in Verzückung. Das ist schöne Musik. Richtig schön. Wunderschön, um genau zu sein. Sorry, aber mit dieser Schönheit kann das gesamte Erzgebirge nur mit Mühe mithalten. Ihr merkt schon, ich habe akute Schwierigkeiten, meine Eindrücke von "Illuminating Heights" in Worte zu fassen, aber hier hätte selbst der alte Goethe dreimal nach Luft geschnappt, um dann seinen "Faust" in die Tonne zu kloppen und fortan nur noch als Hofberichterstatter fürs "Progressive Metal Orchestra" zu fungieren (wer zum Teufel ist Christiane Vulpius?). Nach dem Geschmack des Dichterfürsten wäre unter Garantie auch das Cover gewesen, und er hätte mindestens 239 Tage damit verbracht, es in sein Farbkreis-System einzupassen, hernach feststellend, daß er es zwar wissenschaftlich analysiert, ihm seine Schönheit aber trotzdem nicht genommen hat. Und ich weiß zwar nicht, ob Goethe Englisch konnte, aber die Lyrics von "Sunblaze" (über den seelischen Weg eines Sterbenden) und "Distant Reaches" (über die Gefahren von Wissenschaft und Technik - paßt zwar gar nicht zur Hauptstimmung des Songs, aber was soll's ...) hätten ihm sicherlich auch mehr als ein "Jaja, über allen Wipfeln aber ist Ruh" abgerungen. Und falls jemand auf die Idee kommt, Sunblaze als bloße Mitläufer im gegenwärtigen Klassik-Metal-Vermengungstrend zu brandmarken, dem sei gesagt, daß "Illuminating Heights" bereits 1997 eingespielt wurde, als in dieser Sparte gerade mal Rages allenfalls durchschnittlicher Versuch "Lingua Mortis", das völlig anders gelagerte Waltari-Meisterwerk "Yeah! Yeah! Die! Die! Death Metal Symphony in deep C" sowie Uli Jon Roths erste Sky Of Avalon-Scheibe auf dem Markt waren. Und mit all denen hat "Illuminating Heights" reichlich wenig am Hut. Nein, hier wurde keine Venus Illegitima, sondern eine Venus Legitima geboren, eingespielt von wahren musikalischen Künstlern, die ihren Perfektionismus in fast schon krankhaft genialer Weise ausgelebt und in Noten gegossen haben. Freunde anspruchsvoller Musik: Vergeßt alles, was ihr bisher gehört habt, denn Sunblaze sind besser. Oder zumindest anders, dann aber genial anders. Da es bis zur ersten Fulltime-CD noch ein bißchen dauern wird und frühestens Ende 2000 mit Sunblaze-Liveauftritten zu rechnen ist (als Co-Headliner mit David DeFeis' "Klytaimnestra"-Rockoper wäre wohl das perfekte Package, aber letztere ist dummerweise schon diesen Sommer im Spielplan), bleibt außer dem Erwerb von "Illuminating Heights" keine Möglichkeit, diesen emotionalen Overkill kennenzulernen (na gut, ein Blick auf die Homepage www.sunblaze.de noch, aber der ersetzt die CD nicht). Noch während des Anhörens (Achtung: REPEAT ALL-Funktion einschalten!) fallt ihr eurem Partner in die Arme, streicht ihm zärtlich durchs Haar, legt euch kuschelnderweise aufs Schmusesofa und versinkt in einer Welt aus Licht, Duft, Tautropfen und einer Blumenau, aus der ihr eigentlich gar nicht mehr zurückwollt. Ja, so schön kann Metal sein, und deswegen sind die 24 Minuten "Illuminating Heights" jeden Cent wert, der an Jörg Enke, Wackenmühlstraße 13, 67655 Kaiserslautern zu entrichten ist. Warum gehen solche Bands nicht auf Welttournee und sacken haufenweise goldene Schallplatten ein? Tja, die Antwort ist wohl leider einfach: Sie sind zu gut für diese Welt.
PS: Sänger Matthias Pfaff, der auch Hauptcovergestalter war, hat Sunblaze mittlerweile verlassen (er war das schwächste Glied der Kette, da er "nur" sehr gut singen konnte). Als Nachfolger kommt eigentlich nur jemand vom (stimmlichen) Kaliber Messiah Marcolin in Frage, oder ...?
 




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