www.Crossover-agm.de
TRIVIUM: Silence In The Snow
von rls

TRIVIUM: Silence In The Snow   (Roadrunner Records)

Der Albumvorgänger "Vengeance Falls" liegt noch irgendwo auf dem großen Stapel der Ungehörten - für den Rezensenten ist der Sprung von "In Waves" zu "Silence In The Snow" daher doppelt so groß wie für die Band und für alle Kenner des 2013er Werkes, und er kann die Teilsprungrichtung und -weite daher auch nicht entschätzen, sondern nur die Gesamtwertung vornehmen, und die überrascht. Ein Kollege meinte, Trivium wären jetzt im Stadionrock angekommen, und auch wenn die Silbe "rock" zu hinterfragen wäre, weil Matt Heafy und seine Spießgesellen eindeutig immer noch Metal spielen, so ist doch klar, was der Kollege meinte: so gut wie kein Metalcore mehr, auch so gut wie kein Thrash mehr, statt dessen eine Art moderner und zugleich traditioneller Metal irgendwo zwischen Disturbed und, jawohl, Iced Earth, das Ganze allerdings sehr kompakt gehalten, wenngleich trotzdem beispielsweise in den 4:25 Minuten von "Blind Leading The Blind" eine Ideenfülle unterbringend, aus der andere Bands drei Songs gemacht hätten. Das geschieht nicht immer zum Vorteil der Songs, wie gleich darauf "Dead And Gone" unter Beweis stellt, wo sich nicht alle Teile so richtig schlüssig zusammenfügen wollen - aber die Refrains holen auch den einen oder anderen schwächeren Song wieder nach oben, so beispielsweise diesen. Und wer oben am Iced-Earth-Vergleich gezweifelt hat: Der beschränkt sich keineswegs auf die diesmal weißlastige Gestaltung des Albums, und gerade in der Gitarrenarbeit gibt es auch markante Unterschiede zu verzeichnen - aber so nahe an Matt Barlow lag Vornamensvetter Heafy in den cleanen Passagen noch nie, wenngleich auch hier kein Kopismus vorliegt, zumal der Trivium-Chefdenker zumindest ab und zu auch noch in rauhere Gefilde überwechselt. "Pull Me From The Void" wiederum bietet ein leicht angefolktes Gitarrenhauptthema, wie man es von Trivium bisher gar nicht gewohnt war, und gerade hier ist es schade, daß die Band dieses nicht konsequenter ausarbeitet, sondern im Mittelteil einen der raren Metalcore-Breakdowns, der hier irgendwie nicht so richtig passen will, einbastelt. Und generell fällt auf, daß die songwriterische Treffsicherheit im Verlaufe des Albums eher abnimmt, die stärkeren Nummern also im vorderen Teil zu finden sind, was freilich nicht bedeutet, daß der hintere Teil nun nichts taugen würde. Aber "Until The World Goes Cold" beispielsweise geht als Paradebeispiel durch, was Trivium mit konsequenterer Fokussierung auf eine bestimmte Idee erreichen könnten und was sie eben nicht erreichen, wenn sie auf eine verkrampft wirkende Vielfalt setzen. Ähnlich gleich im folgenden "Rise Above The Tides": Für sich betrachtet sind sowohl die Intromelodie, die dann auch als Chorusunterlegung wiederkehrt, als auch der harte Strophenpart klasse - nur wollen sie auch nach etlichen Hördurchläufen keine Symbiose eingehen. Und man fühlt sich wie in "Und täglich grüßt das Murmeltier", als das folgende "The Thing That's Killing Me", das wie ein richtig großer melodischer Thrasher anhebt und abermals mit einer starken Chorusmelodie punktet, wieder so eine merkwürdig unpassende Strophengestaltung dazwischenschiebt. Vielleicht wird der Rezensent mittlerweile einfach zu alt, um das zu verstehen, was die Jüngeren da machen, aber so viel jünger als er ist Heafy ja nun eigentlich auch wieder nicht, wenngleich gerade bei der Wandlungsfreudigkeit der Rock- und Metalszene in den Achtzigern und Neunzigern zwei, drei Jahre schon entscheidende Wirkungen bei der musikalischen Sozialisation entfalten konnten. Möglicherweise wird sich in der Nachbetrachtung auch "Silence In The Snow" als Übergangsalbum herausstellen, wobei wie erwähnt der Rezensent den Albumvorgänger bisher akustisch nicht kennt. Aber das per se nicht schlechte, jedoch völlig zusammenhanglos im Raum stehende orchestrale Albumintro "Snøfall" (geschrieben und eingespielt übrigens von Ex-Emperor-Kopf Ihsahn) offenbart bereits das Grundproblem des Albummaterials: Der rote Faden ist zwar nur an dieser Stelle komplett zerschnippelt, aber an vielen anderen Stellen zumindest geknickt. Vielleicht erschließt sich manche Wendung nach weiteren Hördurchläufen noch, vielleicht auch nach dem Liveerlebnis, das dem Rezensenten bisher nicht vergönnt war - aber auch dann wird er sich fragen, wieso das grandiose Intro des die reguläre Albumedition abschließenden "Breathe In The Flames" sein Versprechen eines großen Epic-Metal-Tracks im Stile des "Shogun"-Titeltracks nicht einlösen darf, sondern wieder so ein verwirrendes Etwas entsteht, das die Klasse des Refrains und des Hauptsolos nur ansatzweise ins rechte Licht stellt. Die vorliegende Deluxe-Edition kommt im regulären Jewelcase (mit einem ausschließlich aus Bildern bestehenden textlosen Booklet), aber mit zwei Extratracks, die den Gesamtscore auf 13 bei 53 Minuten Spielzeit bringen (also etwa "In Waves" entsprechend). Interessanterweise klingt der Closer "The Darkness Of My Mind" wie ein Hybride aus Spätneunziger-Megadeth und Iced Earth, aber auch hier rauben ein, zwei überzählig wirkende Wendungen dem Ganzen etwas den Effekt. So ist der Hörer hin- und hergerissen, und die Gesamteinordnung ins Schaffen des US-Quartetts, das hier mit einem neuen Drummer antritt, der kurz nach Albumrelease aber bereits wieder Geschichte war, ist derzeit noch komplett unmöglich. Wer mit den gewissen Inhomogenitäten zurechtkommt, für den dürfte das übrigens mit auffällig niedrigem Gesamtlautstärkepegel produzierte "Silence In The Snow" aber ein gefundenes Fressen sein.
Kontakt: www.trivium.org, www.roadrunnerrecords.com

Tracklist:
Snøfall
Silence In The Snow
Blind Leading The Blind
Dead And Gone
The Ghost That's Haunting You
Pull Me From The Void
Until The World Goes Cold
Rise Above The Tides
The Thing That's Killing Me
Beneath The Sun
Breathe In The Flames
Cease All Your Fire
The Darkness Of My Mind
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver