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TOJA: (Sad) Songs Of Hope
von rls

TOJA: (Sad) Songs Of Hope   (Pure Rock Records)

Die Kombination "Süddeutschland" und "Hardrock" ruft beim kundigen Hörer automatisch eine gewisse Stilerwartung ins Hirn: Nicht nur fanseitig haben klassische Hardrockbands im Süden der Republik ein ganz anderes Standing als in vielen anderen Teilen Deutschlands, auch bei den diesen Stil pflegenden Bands selbst macht sich beim Hörer eine gewisse Erwartungshaltung breit, selbst wenn natürlich immer noch Platz für jeweilige individuelle Ausprägungen bleibt. Auch ToJa siedeln weit genug südlich, um in diese Argumentationskette zu passen - als Headquarter gibt die Literatur Mühlheim am Main an, gelegen am Ostrand des Frankfurter Ballungsgebietes. 1997 gegründet, liegen relativ große Zeitabstände zwischen den Albumveröffentlichungen, so daß das paradox betitelte "(Sad) Songs Of Hope" erst Longplayer Numero vier darstellt. Überhaupt mögen die Hessen Paradoxone: Schon das Coverartwork stellt eine entsprechende Weltenteilung dar, wobei die rechts abgebildete Naturlandschaft angesichts des Vogels in Australien oder Ozeanien anzusiedeln ist, eventuell auch in Neuguinea, wohin auch die Industrielandschaft auf der linken Seite zumindest vom Grundprinzip passen würde, da man beim Bodenschätzeabbau in diesem Land üblicherweise wenig Rücksicht auf die Natur zu nehmen pflegt. Im Titeltrack fehlen die Klammern dann interessanterweise, und der Text ist so eine Art Parallelentwurf zum bekannten konfuzianischen Ausspruch, man möge lieber ein Licht anzünden, anstatt sich über die Dunkelheit zu beklagen, angereichert freilich noch mit diversen anderen Gedankenelementen. ToJa gehören also zu der Sorte Bands, die sich durchaus was bei ihren Texten denkt - gemäß dem Bandfoto sind zumindest die meisten der Musiker auch nicht mehr ganz die Jüngsten, so daß sich schon diverse Lebenserfahrung angereichert haben mag. Und natürlich hört man auch der Musik an, daß ToJa nicht erst gestern erstmals einen Proberaum betreten haben. Die grobe musikalische Einordnung haben wir oben ja bereits vorgenommen, wobei ToJa ihren melodischen Hardrock gelegentlich mit einer leichten Metalkante anreichern und dabei ungefähr ein Mischungsverhältnis erreichen, das in umgekehrter Kombination etwa die Kollegen Saidian anwenden. Allerdings dominiert bei ToJa ganz klar die Gitarre, von denen gleich drei Bediener zur Band gehören - Bandkopf Jan Thielking übernimmt die Keyboards nur als Zweitjob neben seiner Sechssaitigen. Oftmals beruhen die Songs somit auf knackigem Riffing, allerdings scheuen sich ToJa auch nicht vor akustischer oder zumindest halbakustischer Arbeit. Daß sie mit der Halbballade "Day And Night" und dem akustikdominierten und titelgemäß leicht folkigen "A Little Folk Song" zwei ruhigere Songs unmittelbar hintereinander plaziert haben, mag man im Sinne der Albumdramaturgie als nicht ganz optimal empfinden, aber diesen kleinen Fehlgriff vergibt man der Band spätestens beim druckvollen "Take Me Home" wieder, dessen Gitarrenintro wohl nicht zufällig an AC/DC angelehnt wurde, denn im Hauptteil schaltet Sänger Tommy Rinn, der ansonsten eine relativ "normale", bisweilen etwas "zu normal" wirkende Stimme ins Feld führt, an einigen Stellen plötzlich ins Brian-Johnson-Kreischfach um (es dürfte kaum anzunehmen sein, daß es sich hier um Melanie Eckes handelt, die für diesen Song als Gast-Backingsängerin angegeben ist, auch wenn diese Variante natürlich nicht grundsätzlich auszuschließen wäre - warum soll eine Frau nicht wie Brian Johnson kreischen können?). An anderen Stellen fühlt man sich an die Rainbow der Joe-Lynn-Turner-Ära erinnert, und auch Vergleiche mit Magnum und Ten springen gelegentlich ins Hirn des Hörers, während "Free My Mind" abermals ein angefolktes Akustikintro beinhaltet, das diesmal an Led Zeppelin zu Zeiten der dritten Platte erinnert, bevor sich der Song doch noch in klassischen Hardrock wandelt, auch wenn Drummer Tim Dierks (ein Verwandter von Ex-Scorpions-Produzent Dieter Dierks?) an einigen Stellen für traditionelle Klänge dieser Art doch leicht ungewöhnliche Rhythmusfiguren spielt. Aber solche Mini-Experimente verlassen nie einen gewissen Rahmen - ToJa sind Rocktraditionalisten durch und durch, und sie wissen, was sie tun und was sicherlich auch ihre Fanschar von ihnen hören möchte. Hier musiziert eine Kapelle ehrlich und unprätentiös, aber keineswegs anspruchslos, und auch wenn man als Hörer nicht mit jeder Entscheidung einverstanden ist (und sich zum Beispiel fragt, warum "Take Me Home" sang- und klanglos ausgeblendet wird, obwohl das songwriterische Potential hier sicherlich noch nicht ausgereizt ist), so beeindruckt doch die Ehrlichkeit und die Konsequenz, mit der sich ToJa einem Genre widmen, das von Fortschrittsgläubigen nur milde belächelt und selbst bei der Jugend, die ja zumindest teilweise als Gegengewicht zu den herrschenden Plastiksounds wieder den Reiz des Handgemachten entdeckt, wohl kaum Chancen haben wird. Vielleicht würden ein, zwei schnellere Songs in dramaturgischer Hinsicht ToJa gute Dienste leisten, denn der Mittelteil des Albums ist mit einer Kombination aus Balladen und Midtempotracks doch etwas, sagen wir, behäbig ausgefallen, auch wenn "Rising High" dann doch nicht die zweite Ballade nach "Waiting" wird, sondern nach ruhigem Beginn zumindest in feistem Midtempo landet. Erst der bereits erwähnte Titeltrack an Position 11 gibt dann nochmal richtig Gas, und irgendwie denkt man hier und da an Rainbows "Spotlight Kid", auch wenn schon im Intro ein Part vorkommt, der eindeutig auf zwei Gitarren ausgelegt ist. In der Bridge schaltet Rinn hier wieder mal in eine völlig andere Stimmlage um, diesmal eine rauhe, die an einen nur geringfügig melodischeren Chris Boltendahl erinnert. Mancher mag die Backings im folgenden Refrain als etwas zu süßlich empfinden, aber bis zu dem, was man an der Stelle von Barfly Music geboten bekommen würde, fehlt dankenswerterweise doch noch ein Stück. Was diesem Song noch gut getan hätte, wäre ein richtig großes furioses Hauptsolo - die verbreakte Struktur, die dort die Stelle des Hauptsolos einnimmt, wirkt irgendwie unentschlossen und dem Rest des Songs nicht richtig angemessen. Aber die Band wird sich schon was dabei gedacht haben. Die 12 Songs bringen es auf knapp 53 Minuten Spielzeit, sind angemessen produziert und sollten von allen, die sich z.B. eine weniger basische Version von Gallows Pole vorstellen können oder die heute noch gerne Craafts "No Tricks - Just Kicks" in den Player werfen, dazu auch von allen Pretty-Maids-Fans mal probegehört werden.
Kontakt: www.ToJa-Rock.com, www.purerock-records.com

Tracklist:
The Storm
Into The Dark
Lost Horizon
Cosmic Ocean
Day And Night
A Little Folk Song
Take Me Home
Free My Mind
Waiting
Rising High
Sad Songs Of Hope
Don't Turn Away



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