www.Crossover-agm.de THEE FINAL CHAPTRE: It Is Written
von rls

THEE FINAL CHAPTRE: It Is Written   (Divebomb Records)

Nach jahrelangen Versuchen mit Deus Volt und Divine Right, die jeweils nach gewisser Zeit an strukturellen Problemen scheiterten, hatte Gitarrist Gary Michael Wilson zu Beginn des letzten Jahrzehnts des vorigen Jahrtausends endlich das scheinbar passende Quartett beisammen: Unter dem Namen Final Chaptre veröffentlichte man 1991 auf dem Kleinlabel Wei Records eine knapp halbstündige 6-Track-EP namens "It Is Written" - aber die sollte auch schon das letzte offiziell konservierte Lebenszeichen der vielversprechenden Truppe gewesen sein, die abermals vor internen strukturellen Problemen stand (also die Gretchenfrage "Band oder Familie" und weitere Schwierigkeiten) und zudem mit einem musikalischen Umschwung konfrontiert wurde, selbst wenn der in der christlichen Metalszene einen Tick später einsetzte als in der säkularen, wo mit Nirvanas "Nevermind" scheinbar über Nacht alles anders wurde. Interessanterweise hatten Final Chaptre einen Song namens "Come As You Are" im Repertoire, der die B-Seite der EP eröffnete, allerdings natürlich nichts mit Nirvana zu tun hatte, sondern den gleichen progressiven Power-Metal-Kurs einschlug wie seine Brüder. Was man von der Band zu erwarten hat, macht schon die erste Minute des A-Seiten-Openers "Day After Day" klar: ein extrem hoher Schrei von Tripp Andrews, ein melodisch losflitzender Part, der aber bald darauf abgestoppt wird und beispielsweise einer akustisch unterlegten Bridge Platz macht, in der Tripp abermals in extreme Höhen abgleitet. Die geschulten Fähigkeiten der Band sorgten allerdings dafür, daß das Material trotzdem wie aus einem Guß wirkt, und so mancher geradlinige Vierviertel-Beat, etwa in "All For One", macht das Headbangen zu einer auch vom Normalmetaller problemlos zu bewältigenden Aufgabe. Final Chaptre zeichneten sich allerdings in fast allen Songs der EP durch das geschickte Einflechten von Akustikparts aus, und am allerbesten gelingt ihnen das außer im kongenialen Opener im nicht weniger kongenialen Neun-Minuten-Epos "The Hallowed Hymn", das ein wenig an eine metallische Version von Bostons "More Than A Feeling" erinnert, aber grundeigenständig ist, zwischendurch das Tempo abermals in Speedgefilde vorschiebt und fulminant klarmacht, wer hier Herr im Hause (bzw. den Lyrics) ist. Eine zur Abwechslung mal kaum progressive Nummer wie "Don't Let It Run You Down (Thunder Trilogy Part 1)" hätte auch ins Repertoire von Stryper gepaßt und führt das ganz latente Bluesfeeling der Einleitung nicht fort, während ansonsten auch Bands wie Lethal, Recon oder Crimson Glory von ferne grüßen. Aber auch die waren am Beginn der 1990er nur Themen für Spezialisten, und da die traditionelle bzw. progressiv orientierte Metalszene in New Orleans, wo Final Chaptre ihren Proberaum hatten, sowieso praktisch nonexistent war, war das Quartett gezwungen, entweder selbst zu headlinen oder vor stilfremden Bands zu spielen, wobei sie allerdings interessanterweise selbst vor dem Exhorder-Publikum bestehen konnten. Die Möglichkeiten von Wei Records erwiesen sich gleichfalls als begrenzt, und so blieben Final Chaptre auch undank ihres baldigen Verschwindens auf dem Bandfriedhof ein Insiderthema sowohl innerhalb als auch außerhalb der christlichen Metalszene, wenngleich die Zahl von 10.000 hergestellten Kassetten zumindest eine gewisse Verbreitung sicherstellte - von der CD-Version hingegen sollen damals nur etwa 100 Stück hergestellt worden sein. Erst Spürnase Olaf Becker buddelte die Aufnahmen viele Jahre später wieder aus, fand einen Verbündeten in Matt Rudzinski von Divebomb Records, und der brachte nun einen Re-Release von "It Is Written" unter dem veränderten Bandnamen Thee Final Chaptre und mit gleichfalls neuem Coverartwork heraus.
Besagter Re-Release enthält im Booklet neben zahlreichen Fotos und den Texten der sechs Songs auch ein sehr ausführliches Interview Beckers mit Wilson, das im Prinzip nahezu das komplette Wissen über die Band zusammenfaßt, da es damals kaum Promotion oder gar Interviews gegeben zu haben scheint. Nur drei Fragen bleiben ungeklärt - da wäre zunächst die nach dem Bandnamen: Auf dem im Booklet abgebildeten historischen Kassettencover ist eindeutig Final Chaptre angegeben, auch die alten Konzertankündigungen weisen immer diesen Namen aus, aber man erfährt nirgendwo, wie es zur Änderung in Thee Final Chaptre kam. Unklarheit Nummer 2 ist der Name des Sängers - unter dem Bandfoto steht Tripp Andrews, aber im Interview ist Andrew "Tripp" Whittington angegeben. Die größte Unklarheit betrifft die Herkunft der insgesamt zehn Bonussongs, die diesen als Deluxe Version bezeichneten Re-Release auf reichlich 74 Minuten Spielzeit bringen. Track 7 ist zunächst eine Studioaufnahme, eine schöne, wenngleich an die Genialität von "The Hallowed Hymn" nicht heranreichende Halbballade namens "Just A Memory". Da Wilson im Interview erwähnt, Wei Records hätten die Songauswahl für die EP getroffen, könnte es sein, daß dieser Song zwar zu Demozwecken aufgenommen, jedoch letztlich nicht berücksichtigt wurde. Die anderen neun Songs stellen Liveaufnahmen unbekannter Herkunft dar - Wilson erwähnt im Interview, daß für eigene Archiv- und Übungszwecke etliche Auftritte mitgeschnitten wurden, und aus diesem Material, das allerdings herkunftsseitig im Booklet nicht spezifiziert wird, dürften die neun Songs ausgewählt worden sein, wobei die Compiler auf eine möglichst große Vielfalt achteten: Kein einziger der EP-Songs ist nochmals vertreten, lediglich "Just A Memory" kommt sowohl in Studio- als auch in Liveform vor, die anderen acht Songs sind allesamt exklusives und zumindest derzeit nirgendwo sonst offiziell erhältliches Material. Obwohl sie hier und da einen geringfügig geradlinigeren Eindruck hinterlassen als die EP-Tracks, fügen sie sich doch prima ins Gesamtbild ein, und "Bullet In The Chamber" könnte aufgrund seines markanten Refrains sogar ein Livefavorit gewesen sein. Klar wird außerdem, daß Tripp die extremen Höhen auch live brachte - interessanterweise wird hier und da aber auch noch tiefes Gebrüll als Kontrastfaktor eingesetzt, wobei unklar bleibt, ob Tripp das selbst beisteuert oder eines der anderen drei Bandmitglieder, die im Booklet allesamt als Backingvokalisten angegeben werden und hier und da auch tatsächlich ausgefeilte Sätze im Stryper- oder Guardian-Stil zusammenbekommen. Eine zentrale Frage beantwortet das Interview auch noch: Part 2 der "Thunder Trilogy" namens "Thunder Of The Son" war bereits geschrieben, hatte aber nicht mehr den Weg ins Liverepertoire der Band gefunden und konnte somit auch nicht ins Bonusmaterial übernommen werden, während der dritte Teil der Trilogie bis heute seiner Komposition und Textung harrt. Die Soundqualität der Livemitschnitte, die ja nie zur Veröffentlichung gedacht waren, ist etwas polterig, aber nicht grundsätzlich schlecht - da gibt's durchaus viel problematischeres Material beispielsweise auf dem Heretic-Re-Release. So rundet sich das Bild einer enorm vielversprechenden Band, deren Material den Freunden angeproggten Power Metals auch ein Vierteljahrhundert nach Erstveröffentlichung prima reinlaufen sollte. Und jetzt spinnen wir den Faden mal weiter: Wilson erwähnt im Interview, daß es ein 8-Track-Demo und weitere Aufnahmen von Divine Right gibt ...
Kontakt: www.divebombrecords.com

Tracklist:
Day After Day
The Key
The Hallowed Hymn
Come As You Are
All For One
Don't Let It Run You Down (Thunder Trilogy Part 1)
Just A Memory
Blood In The Sand
Insane
Wisdom's Call
Whisper To Scream
Edge Of Sadness
Just A Memory
Bullet In The Chamber
Armageddon
Black Rain



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