www.Crossover-agm.de TANKARD: Kings Of Beer
von rls

TANKARD: Kings Of Beer    (Century Media)

Vielleicht haben Tankard, als es ans Festlegen der Songtitel für ihre neue Platte ging, einfach mal ihre Plattensammlung durchgekramt, was man denn gebrauchen könnte. Fündig wurden sie dann bei Gamma Ray ("Land Of The Free"), wahlweise bei Blind Guardian oder Candlemass ("Mirror, Mirror") sowie in der ganz verstaubten Ecke bei Molly Hatchet ("Flirtin' With Disaster"). Damit es nicht so auffällt, müssen sie sich dann gedacht haben, sollten wir zwei andere vielleicht ein wenig abändern, und so wurde aus "Hell Bent For Leather" mal eben "Hell Bent For Jesus" und aus "Kings Of Metal" der Titeltrack "Kings Of Beer" gemacht.
Egal, ob dieses augenzwinkernde Szenario so abgelaufen ist oder nicht - Tankard sind sich musikalisch treu geblieben, und man erkennt die Band nach wie vor spätestens, sobald Gerre zu singen beginnt. Das hier ist elfmal Thrash Metal deutscher Prägung, der zwar vom Aufstellen neuer Härterekorde kilometerweit entfernt ist, aber sich seit 1985 allenfalls in puncto Professionalität weiterentwickelt hat. Bei genauem Hinhören entdeckt man dann indes doch einige Veränderungen. Schuld daran ist hauptsächlich Neu-Gitarrist Andi Gutjahr, bekannt und beliebt u.a. von Lightmare und Treasure Seeker, der zwar typische Tankard-Riffs mit leichtem Punktouch (höre "Hot Dog Inferno") von sich gibt, aber in den Soli immer mal Lightmare-typische Licks einschmuggelt (schon im Opener "Flirtin' With Disaster" problemlos herauszuhören, wenn man den Stil von Lightmare ein bißchen im Ohr hat), die sich aber völlig problemlos in den Tankard-Sound einfügen. Die Riffs kommen vom Sound her übrigens etwas voluminöser rüber als die von Andy Bulgaroupoulos auf der Vorgängerscheibe "Disco Destroyer", und überhaupt macht die komplette Gitarrenarbeit einen routiniert-leichter von der Hand gehenden Eindruck als alles, was Andy B. und Axel Katzmann in der Vergangenheit bei Tankard fabriziert haben - nichts gegen die beiden, aber Andi G. spielt ganz einfach 'ne Liga höher.
Ansonsten hat sich wie gesagt nicht allzuviel bei Tankard geändert. Man wartet mit den altbekannten, größtenteils vor Humor strotzenden Lyrics auf, behandelt aber auch mal ernste Themen (wie z.B. die Talkshowgeilheit des gemeinen Deutschen in "Talk Show Prostitute" - statistisch gesehen war irgendwann 1999 der Punkt erreicht, wo jeder Deutsche einmal als Talkgast in einer Show gewesen sein muß, und da aus meiner Verwandtschaft noch niemand auf dem "heißen Stuhl" gesessen hat, muß auch eine formidable Anzahl mehrmals ihren Seelenmüll vor einem Millionenpublikum entsorgt haben), wobei "Hell Bent For Jesus" indes natürlich kein christianisierender Text ist, sondern mit viel Ironie übersteigerte Missionierungsbestrebungen an die Wand zeichnet. Tankard-typisch kann man auf dem musikalischen Sektor keine Wechsel zwischen 12/8- und 20/32-Takten erwarten, dafür aber viel höhere Geschwindigkeit, geschickt verrührt mit einer guten Portion Midtempo und nur bisweilen die Frage aufwerfend, ob denn dieser Part jetzt wirklich sein mußte. Beispielsweise paßt das Geknüppel am Ende des Titelsongs nicht so richtig zum vorher Gehörten (das Vorbild dieser mit kultigen "Ohoho"-Chören versehenen Hymne ist übrigens ziemlich klar durchzuhören, nämlich Overkills "Bastard Nation") und kostet den Song daher das Prädikat "Highlight der CD". Apropos kultig: Mit "Incredible Loudness" haben Tankard einen Track von ihrem 84er Debüt-Demotape neu eingespielt, dessen Fehler im Text jeden Englischlehrer in den Suizid treiben und dessen Introidee frech bei Accepts "Fast As A Shark" gemopst wurde - aber aus solchem Stoff sind eben Kultsongs. Entscheidende Ausfälle im songwriterischen Bereich gibt es nicht zu vermelden, absolute Überstrahler aber auch nicht, und somit kann man, wenn man Tankard schon kennt (oder Lightmare-Fan ist), relativ bedenkenlos zugreifen, während der Einsteiger vielleicht erstmal suchen sollte, ob er "Chemical Invasion" noch irgendwo auftreiben kann.
 




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