www.Crossover-agm.de SYPHENIA: A Separate Reality
von rls

SYPHENIA: A Separate Reality   (System96 Records)

Sechs Tracks, von denen der erste namens "Intro" auch gleich noch 1:24 min kurz ist - ein Minialbum? Mitnichten. Der Erstling von Syphenia rotiert fast eine volle Dreiviertelstunde im Player - aber danach muß dieser Satz anders fortgesetzt werden als im Review zu Empyriums "Songs Of Moors And Misty Fields", dem der bisherige Text nachempfunden ist. Dort hieß es "und versetzt einen von der ersten Minute in eine sehr eigenartige Stimmung zwischen Romantik und Melancholie." Das tut "A Separate Reality" phasenweise auch, aber eben nur phasenweise, wenn Danny und Alex ihre Gitarren ausstöpseln und ein sanfter Frühlingshauch durch den Wald, der Syphenias Hauptinspirationsquelle abzugeben scheint, weht. Das Bandfoto in der Encyclopedia Metallum wurde jedenfalls in einem Wald geschossen (übrigens ganz unprätentiös mit einer Instrumentensammlung am grünen Wegesrand - und es liegt kein Schnee!), und mit "Of Niveous Woods And Satori", "Cursor Silvae" und dem programmatischen "The Forest" trägt gleich die Hälfte der Songs den Wald im Namen. "Pranayama" wäre noch ein weiterer Kandidat, aber dafür reichen die Sanskrit-Kenntnisse des Rezensenten nicht aus, so daß er sich auf die Feststellung beschränkt, daß das seltsame Cover irgendwie eher zu einer indischen Meditations-CD gepaßt hätte als zu der ziemlich eigenartigen Form von Progmetal, die das Trio hier fabriziert. Grundsätzliche Ähnlichkeiten zu den eingangs zitierten Empyrium sind dabei nicht von der Hand zu weisen, allerdings weniger zur schon sehr romantisch-melancholischen "Songs ..."-Scheibe, sondern eher zu den noch metallischer zupackenden Frühwerken. Aber zwei andere Bands scheinen stärkere Einflüsse auf das Schaffen der Dresdner ausgeübt zu haben. Da wären zum einen Opeth zu nennen, und zwar noch nicht die derzeitigen, weitgehend metalfreien Opeth, sondern eher die Frühwerke der Akerfeldt-Gang aus dem letzten Jahrtausend, als deren Chefdenker gerade erst begann, außer Camel auch noch andere altertümliche Progrockbands zu entdecken. Die obskure Siebziger-Schlagseite, die Opeth schrittweise immer stärker zu entwickeln begannen, fehlt bei Syphenia völlig, auch wenn manche der Akustikpassagen theoretisch auch in besagter Zeit hätten geschrieben werden können - aber eben durchaus auch schon in den Sechzigern oder erst später. Daher paßt der zweite Vergleich vielleicht noch besser, nämlich der zu Disillusion während deren "Back To Times Of Splendour"-Zeiten, wobei festgehalten werden muß, daß Syphenia die brillante Qualität besagten Albums auf "A Separate Reality" (noch) nicht erreichen. Gerade der unbeholfene Sprechpart im Intro läßt in Verbindung mit dem erwähnten seltsamen Cover gar Übles befürchten, was sich im Verlaufe der weiteren Albumspielzeit aber zum Glück nicht bewahrheitet. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß vor allem ein richtig guter Sänger Syphenia weiterbringen könnte. Derzeit teilen sich die beiden Gitarristen in diesen Job und machen im extremen Bereich, egal ob tief oder hoch, schon eine anständige Figur, aber ein großartiger Sänger im Klarbereich ist keiner von beiden, und das ist der Trumpf, den Empyrium oder Disillusion im Zweifel halt noch in der Hinterhand sitzen haben. Nun wachsen Sangeskünstler ja nicht auf Bäumen, auch in Dresden nicht, das in unmittelbarer Stadtgebietsnähe mit der Dresdner Heide ja ein durchaus großes Waldgebiet aufweist, und so wird eine diesbezügliche Weiterentwicklung für Syphenia nicht die einfachste Aufgabe sein, zumal das Trio für Livegigs ja auch noch einen Bassisten braucht - es sei denn, einer der beiden Gitarristen wechselt live an den Baß, was aber angesichts des Könnens beider Gitarristen an ihrem Instrument durchaus schade wäre (allerdings sind auch schon Disillusion bei ihrer Bassistensuche verzweifelt ...). Auch Drummer Satricon (sic!) macht technisch eine exzellente Figur, und dank eines für eine Eigenproduktion recht anständigen Soundgewandes kann man die vielen Feinheiten, die das Trio in seiner Musik versteckt hat, auch gut heraushören, wenngleich für ein "richtiges" Album durchaus noch Luft nach oben bleibt. Aber vielleicht ist der ganz leicht verwaschene Eindruck ja auch gewollt - er hört sich einen Tick gedämpft an, so als ob die Band im Wald ein Stück vom Hörer entfernt spielt. So bleibt ein sehr ordentliches erstes Tonzeugnis einer Band, die durchaus das Zeug zu Größerem gehabt hätte, wenn da nicht Gerüchte bestünden, das Trio habe sich anno 2014 aufgelöst. Aber das hindert Interessenten ja nicht, die Tonkonserve kennenzulernen, und wer aus dem besagten Dreizack Empyrium/Opeth/Disillusion mindestens eine Band mag und bei Empyrium nun nicht gerade auf die reine Folk-Phase, bei Opeth auf die Akustikscheibe "Damnation" oder die jüngsten reinen Siebziger-Scheiben und bei Disillusion auf die elektronischere Phase ab "Gloria" fixiert ist, der sollte sich "A Separate Reality" mit großem Interesse nähern (und sich nicht vom Cover abschrecken lassen!).
Kontakt: www.syphenia.de

Tracklist:
Intro
Awakening In Silence
Of Niveous Woods And Satori
The Forest
Pranayama
Cursor Silvae
 




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