www.Crossover-agm.de ST. ELMO'S FIRE: St. Elmo's Fire
von rls

ST. ELMO'S FIRE: St. Elmo's Fire   (Karthago Records)

Die Elmsfeuer zählten lange Zeit zu den geheimnisvollsten Naturerscheinungen und jagten den Seeleuten regelmäßig Schrecken ein - die Erklärung für dieses Phänomen der Elektrizität fand man erst im 20. Jahrhundert. Für eine Metalband bietet sich ein solcher Name natürlich förmlich an, und so wählte der Gitarrist Jeff Jones ebenjenen, als er sich 1979 (den Juni besagten Jahres gibt die Encyclopedia Metallum als Gründungszeitpunkt an) oder 1980 (so sagen es die Liner Notes der vorliegenden CD) mit dem Sänger Tim Allwein zusammentat und bald ein arbeitsfähiges Quartett beisammenhatte, mit dem neben umfangreichen Liveaktivitäten (u.a. beackerte man 1982 für vier Monate die Clubs von Kanada) auch erste Tonaufnahmen auf dem Plan standen. Bis allerdings die erste LP der im kalifonischen Sacramento beheimateten Band erschien, schrieb man bereits 1986 - und damit hatten St. Elmo's Fire Pech: Sie gerieten mitten in die Polarisierung der US-Metal-Szene zwischen Thrashern und Posern, saßen mit ihrem traditionellen Metal klassisch zwischen diesen beiden Stühlen und hatten zudem nicht bei einer der großen Firmen unterschrieben, sondern beim französischen Indie Dream Records. Dem sagt die metallische Geschichtsschreibung zwar einen guten Musikgeschmack nach, aber seine Marktmacht war schon in Europa gering (außerhalb Frankreichs wurde keine Dream-Band großartig bekannt) und in den USA erst recht, so daß St. Elmo's Fire dort mehr oder weniger alle Schritte, die die Band voranbringen sollten, in Eigenregie stemmen mußten. Trotz dieser nicht eben einfachen Lage schafften sie es, zum einen live gut im Geschäft zu bleiben und zum anderen noch drei weitere Alben herauszubringen, bevor sie Ende 1992 aufgaben und erst 20 Jahre später wieder auf der Bildfläche erschienen. An neuem Material wird bereits gearbeitet, heißt es - zuvor erscheinen die vier Alben aber in der Heavy-Metal-Classics-Serie des Karthago-Labels.
Das Debütalbum, dessen Cover übrigens kein Elmsfeuer zeigt (aber zumindest einen seiner wettertechnischen Begleiter, nämlich einen Blitz), enthält neun Songs, die stilistisch einen noch leicht unentschlossenen Eindruck hinterlassen - möglicherweise handelt es sich um Material aus der ganzen bisherigen Schaffensperiode, wie das ja oftmals bei Debütalben der Fall ist, und wirkt somit ein klein wenig inhomogen. Das ist im vorliegenden Fall aber nicht als Makel anzusehen, denn man neigt dazu, die ungewöhnlicheren Songs eher als Farbtupfer und damit als Bereicherung zu werten, die den dominierenden klassischen Metal auflockern, allerdings zugleich Entwicklungsmöglichkeiten in besagte Richtungen offerieren, deren Nutzung dann erst die Folgealben verifizieren oder aber dementieren sollten. "Fade To Black" ist hier natürlich kein Metallica-Cover - das kurze Instrumentalstück fungiert als Intro und leitet in den flotten Quasi-Opener "Into The Night" über, der zu den stärksten Songs der Platte zählt und zugleich die grundsätzliche Traditionsmetalrichtung vorgibt, der auch das Midtempostück "Don't Drop It", der abermals flotte B-Seiten-Opener "Breaking Out" und die beiden hinteren, ebenfalls recht schnellen Stücke der B-Seite folgen: das vom Hauptriff her an klassische Dio-Zeiten erinnernde "Inside Of The Hunter" und das ein völlig anderes Klanggewand aufweisende "Innocent" mit seinem psychotischen Mittelteil samt entrückter "Ahaha"-Backings. Dazwischen lagert auf der B-Seite allerdings "Real Life (How Does It Feel)", mit dem St. Elmo's Fire in die "kommerzielle" Ecke schielen: Leichte Ratt-Anklänge sorgen dafür, daß man von dieser Basis aus durchaus weiter in besagte Richtung vorstoßen könnte. "Too Bad" wiederum enthält Rock'n'Roll-Einflüsse, die man in lange zurückliegender Zeit verorten würde, und baut diese geschickt in den Classic Metal des Quartetts ein, leidet allerdings unter der völlig unmotivierten Tempoverharrung mitten im Hauptsolo. Zum auffälligsten und wohl auch besten Song der CD wird allerdings "More Than The Air", eine starke Halbballade, die als Ergebnis eines Gedankenexperiments, wie Bostons "More Than A Feeling" in einer leicht metallisierten Fassung klänge, dienen könnte und gleichermaßen zum Prüfstein wie zum Qualitätssignet des neuen Sängers Zane Lazar wird, der 1985 Gründungssänger Allwein abgelöst hatte, wobei auch Jones' großes Gitarrensolo zum Beeindruckungsfaktor des Songs sein Scherflein beiträgt.
Fünf Bonustracks ergänzen diese CD-Wiederveröffentlichung, und gleich der erste demonstriert, daß es durchaus Zeiten gab, als St. Elmo's Fire an vorderster Front der Szeneentwicklung mitmischten: Für 1980 (dieses Entstehungsjahr gibt das Backcover jedenfalls an) ist die Frühform des in der 1986er Albumfassung immer noch guten, aber kaum auffallenden "Don't Drop It" ein knüppelhartes Stück Metal, das an die Großtaten der frühen Messiah erinnert, in der Gitarrenarbeit den einen oder anderen Black-Sabbath-Anklang transportiert, im Drumming einen latent progressiven Touch auffährt (man höre die partiell völlig abstrus rhythmisierten Beckenparts!) und sich im Midtempo unaufhaltsam seinen Weg bahnt. Für eine Demoaufnahme dieses Jahres ist auch der Sound exzellent ausgefallen. Wären St. Elmo's Fire damals umgehend gesignt worden, hätte hier eine große metallische Karriere winken können. Sänger Allwein artikuliert sich hier überwiegend in einer Art Flüsterton, gelegentlich in zurückhaltendes Shouten überwechselnd - was er im melodiösen Sektor draufhat, das demonstrieren die anderen vier Bonustracks, die auf dem Backcover schlicht als "Alternative Version" betitelt sind, sich allerdings als das 1984er Vier-Track-Demo entpuppen, das St. Elmo's Fire damals in Tapetraderkreisen auch Europas bekanntmachte. Erste Überraschung: Alle drei stilistisch ungewöhnlichen Songs sind hier schon enthalten und dazu "Innocent", das in der Frühfassung von der Gesangslinie her ein wenig an die frühen Mötley Crüe (aber mit weniger kreischigem Gesang) erinnert und im psychotischen Mittelteil dessen späteren Ausdruck nur andeutet. "Too Bad" hatte schon damals diese Holperstelle im Solo, macht sonst aber ähnlich viel Spaß wie in der Albumversion, "Real Life" kommt hier noch ohne seinen Untertitel aus, ähnelt aber sonst seinem späteren Bruder ziemlich - ja, und dann gibt es eben noch "More Than The Air", das Allwein in Bestform zeigt (er erinnert von der Stimmfärbung hier an irgendjemanden, aber dem Rezensenten ist noch nicht eingefallen, an wen). So haben wir mit dieser Wiederveröffentlichung eine knappe Stunde interessanten US-Westküsten-Metals vor uns, dem man als Freund von dessen Frühzeiten definitiv Gehör schenken sollte und die zugleich Appetit auf die weiteren Werke der Band macht.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Fade To Black
Into The Night
Don't Drop It
More Than The Air
Too Bad
Breaking Out
Real Life (How Does It Feel)
Inside Of The Hunter
Innocent
Don't Drop It (1980 Demo)
More Than The Air (Alternative Version)
Too Bad (Alternative Version)
Innocent (Alternative Version)
Real Life (Alternative Version)
 



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