www.Crossover-agm.de
SPACE VACATION: Heart Attack
von rls

SPACE VACATION: Heart Attack   (Pure Steel Records)

Dem Bandnamen nach könnte man hier eine Kapelle vermuten, die gleich frühen UFO oder Hawkwind durch den etwas vernebelten Raum schwebt, aber ein Hineinhören bereits in die ersten Sekunden des Openers und Titeltracks belehrt den Interessenten eines Besseren: Zwar lieben auch Space Vacation einen urtümlich-rauhen Sound, aber sie sind Metaller von ganzem Herzen, und zwar Traditionsmetaller, deren musikalische Zeitrechnung irgendwann in den Mittachtzigern stehengeblieben ist. Interessanterweise kombinieren sie allerdings NWoBHM- und andere Europa-Einflüsse mit solchen des frühen US-Metals und sind damit in der heutigen Retrobewegung fast schon wieder so etwas wie originell, wobei die stärkeren Impulse allerdings aus Europa gekommen zu sein scheinen und sich keineswegs nur im Mercyful-Fate-Shirt von Drummer Andrew Headrick widerspiegeln. Zwar stammen die doppelläufigen Leadgitarren stilistisch im Zweifel eher aus der Iron-Maiden-Schule, aber ihr Einsatzprinzip folgt eben nicht dem Hookline-Ersatz-Schema, sondern sie gehen durchaus eigenständige Wege, wie sie das eben auch bei Mercyful Fate taten. Zur adäquaten Umsetzung dieser Passagen in der Konzertsituation bedarf es logischerweise zweier Gitarristen, und so dürfte Bandkopf Scott Shapiro froh gewesen sein, daß er im Vorfeld der Einspielung dieses Albums Kiyoshi Morgan, der schon mit Vicious Rumors zusammengearbeitet hatte, für die zweite Gitarre neben sich selbst gewinnen konnte, nachdem er das selbstbetitelte Debütalbum noch als Sechssaiten-Einzelkämpfer hatte einspielen müssen. Über die derzeitige Personallage gibt die Encyclopedia Metallum allerdings eher verwirrende Auskünfte - so soll Scott an den Baß gewechselt sein, aber statt des Ur-Bassisten Jay Shapiro (Scotts Bruder) wird dort für das gleiche Instrument auch noch ein Mark Shapiro (sicherlich der gleichen Familie entstammend) angegeben. Sei es, wie es sei - für die Betrachtung von "Heart Attack" interessiert uns das erstmal nicht. Zu überlegen wäre allerdings noch die Hinzuziehung eines hauptamtlichen Sängers: Scott besetzt nämlich auch diese Position, aber entweder wurde er hier vom Soundmenschen etwas weit in den Hintergrund gemischt, oder seine Durchsetzungs- und Überzeugungskraft läßt tatsächlich zu wünschen übrig. Er singt keinesfalls schlecht und führt zudem eine im besten Sinne angenehm zu nennende Stimme in normalen Tonlagen ins Feld, aber irgendwie wird man das Gefühl nicht los, daß sein Gesang hier das schwächste Glied in der Kette darstellt, zumal die Variationsbreite der Gesangsmelodien nicht sonderlich groß ausfällt und richtig große, aber zudem über einige geshoutete Schlagworte hinausreichende Refrains, die dem Hörer die Identifizierung mit dem trotz traditionsmetaltypischer Zugänglichkeit relativ sperrigen Material erleichtern würden, Seltenheitswert besitzen - "Bro Hammer" stellt hier die Spitze des Eisberges dar, wenngleich auch das etwas zurückhaltendere "Devil's Own" diesbezüglich durchaus interessant strukturiert ist und, nebenbei bemerkt, textlich als Warnsong für evangelikale Kreise brauchbar wäre, wenn sie dem Ungläubigen demonstrieren wollen, was alles so schiefgehen kann im Leben. Schiefgegangen ist bekanntlich auch der Versuch Großbritanniens, seine Kolonien in Nordamerika an der Erlangung der Unabhängigkeit zu hindern, und dieses Szenario findet sich in "Boston Massacre" verarbeitet, also nicht etwa die Anschläge auf den Bostoner Marathonlauf anno 2013, was auch chronologisch gar nicht gegangen wäre - "Heart Attack" wurde bereits 2012 eingespielt und ist in den USA zunächst als Eigenproduktion erschienen, bevor die Spürnasen von Pure Steel Records einen offiziellen Labelrelease daraus gemacht haben. Knappe 45 Minuten rotiert "Heart Attack" im CD-Player und könnte geneigt sein, manchem eher auf simpel rhythmisierten Metal geeichten Hörer eine solche zu verschaffen, denn Headrick kann zweifellos auch schnörkellos geradeaus spielen, aber er leiht sich gern Stilmittel aus dem Epic Metal, wenn man z.B. Pferdegalopp oder Kampfesgetümmel symbolisieren will, und so reiht sich bisweilen ein Break ans andere Fill, wozu ein intensiver Beckeneinsatz kommt, den man aus dem Stoner Rock kennt. Daß das Hauptriff in "Loaded Gun" wahlweise an Black Sabbath oder Black Widow erinnert (man muß sich immer zurückhalten, um nicht die "Sacrifice"-Titelzeile dazu zu intonieren), dürfte allerdings purer Zufall sein, paßt indes durchaus ins etwas verschroben wirkende Gesamtkonzept von Space Vacation, das sich trotz augenscheinlicher Vertrautheit erst nach etlichen Hördurchläufen zu erschließen beginnt, wozu dann auch die Erkenntnis tritt, daß manche Songs, etwa "Logan's Run", wie Metalversionen von Thin Lizzy wirken (auch wenn "Rocker" keine Coverversion darstellt). Das mag in den Zeiten der Rückbesinnung auf merkwürdige Frühachtziger-Klänge sogar in gewisser Weise en vogue sein, und wem die Westküsten-Kollegen White Wizzard bei aller Rückwärtsgewandtheit doch etwas zu "sauber" musizieren, der könnte mit Space Vacation einen passenden "Ersatz" finden. Wenn jetzt noch ein richtiger Könner am Mikrofon stünde ...
Kontakt: www.puresteel-records.com

Tracklist:
Heart Attack
End Of The Bender
Bro Hammer
Boston Massacre
Devil's Own
Summer Knights
On The Road
Loaded Gun
Logan's Run
Rocker
 



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver