www.Crossover-agm.de HAWKWIND: Live '74
von rls

HAWKWIND: Live '74   (EMI)

Hawkwind? Hawkwind?? Hawkwind??? Hawkwind! Genau die Truppe, die man in Metallerkreisen heute nur deshalb noch kennt, weil Motörhead-Ikone Lemmy Kilmister sich in den Frühsiebzigern seine lebenserhaltenden Substanzen bei ihr verdiente, die aber in Spacerockerkreisen noch heute Kultstatus besitzt, was ihren seinerzeitigen zentralen Figuren das Überleben sichert, sei es nun mit Re-Releases, gelegentlichem Touring und noch gelegentlicher auch mal einer neuen Platte mehr oder weniger hoher Qualität. Anno 1974 allerdings galten Hawkwind als eine der zentralen und wichtigsten Bands des Rockbusiness und hatten zwei Jahre zuvor mit "Silver Machine" einen Hit geschrieben, den man noch heute auf jeder zweiten Seventies-Compilation zu hören bekommen kann, der aber skurrilerweise im Programm der US-Tour 1974, dem, wie der Titel schon vermuten lassen hat, der vorliegende Mitschnitt entstammt, gar nicht zu hören ist. Hawkwind machten schlicht und einfach, was sie wollten, spielten anstelle der A-Seiten ihrer Singles kurzerhand die B-Seiten und hievten auch eine Handvoll Songs ins Programm, die noch gar nicht auf Tonträger zu hören gewesen war, sondern erst auf dem Folgealbum "Hall Of The Mountain Grill" (was für ein Titel!) bzw. den zugehörigen Singleauskopplungen konserviert werden sollte. Das Publikum störte sich daran ohrenscheinlich herzlich wenig, zumal sich am bewährten Spacerockkonzept mit oft treibenden Drums, tonnenweise Effekten und dem Stimmkontrast zwischen Hauptsänger Nik Turner, Gitarrist Dave Brock und Bassist Lemmy nichts Entscheidendes geändert hatte. Hawkwind klangen oftmals wie eine bodenständigere Variante von Grateful Dead, improvisierten nicht so ausgedehnt wie diese, waren aber zweifellos auch dazu in der Lage, setzten allerdings auch auf die Verbindung mit einer weiteren Kunstform, nämlich dem als statuenartig beschriebenen Ausdruckstanz einer Dame namens Stacia, was man auf der CD natürlich nicht mitbekommt, sondern sie nur in einem Livefoto im Booklet auf S. 8 sieht (zu dem ich mich mal jedwedes Kommentars enthalte, ähem ...). Der Mitschnitt stammt vom 21. März 1974 aus dem Chicago Auditorium, wurde betreut von Roy Thomas Baker (der sich später zu einem avancierten Plattenproduzenten aufschwingen sollte, speziell aufgrund seiner Arbeit mit Queen Reputation erwarb) und bereits 1997 in voller Länge von der EMI veröffentlicht, damals unter dem Titel "The 1999 Party". Konsequenterweise hätte man mit dem Release also noch zwei Jahre warten sollen; der Titel ergab sich allerdings aus dem Tourmotto Hawkwinds von 1974, das eben "The 1999 Party" lautete. Paradoxerweise muß man feststellen, daß Hawkwinds musikalischer Einfluß tatsächlich erst in den 90ern größere Ausmaße anzunehmen begann, und während seit den Endsiebzigern quasi jede neue Metallergeneration Motörhead liebte, egal was gerade für eine Bewegung durch die Szene rollte, wurden Hawkwind während der 80er mehr oder weniger komplett übersehen und erst von Bands wie Monster Magnet Ende der 80er/Anfang der 90er wieder ans Licht gezerrt, was gleichzeitig mit einer allgemeinen Rückbesinnung auf die musikalischen Werte der Siebziger geschah (und etwa zu Ereignissen wie der ersten Neuauflage des Woodstock-Festivals führte), die Theorie von der zyklischen Entwicklung des Musikbusiness ein weiteres Mal nährend. Komme nun aber niemand und frage nach dem Sinn der hier vorliegenden Veröffentlichung "Live '74", denn deren neun Songs stammen auch vom erwähnten Chicago-Gig, und es handelt sich praktisch um eine auf eine Stunde Laufzeit gekürzte Version von "The 1999 Party". Immerhin funktioniert diese Kurzvariante auch bestens, zumal der am Stück recht monoton wirkende treibende Blubberrockstil immer wieder geschickt unterbrochen wird, etwa durch die Hymne "Seven By Seven" oder das eingängig-zurückhaltende Intro von "D-Rider", die wirkungsvoll mit Nummern wie dem Opener "Brainbox Pollution", dem zweiten Hit (neben "Silver Machine") "Brainstorm" oder dem auch allseits beliebten frühen Klassiker "Master Of The Universe". Auch der Closer "Welcome To The Future" wird durch eine Spoken Words-/Akustik-Passage eingeleitet, die sich vermutlich eine deutsche Band namens Eloy genau angehört hat, bevor hier aber mit typischen Spacesoundeffekten ein Systemabsturz simuliert wird und der Song plötzlich wie aus dem Nichts wieder endet. Schöner Einblick in das Schaffen einer interessanten Band, den man sich aber nur dann zulegen sollte, wenn man nicht schon "The 1999 Party" besitzt.
Kontakt: www.emimusic.info

Tracklist:
Brainbox Pollution
You Know You're Only Dreaming
Brainstorm
Seven By Seven
You'd Better Believe It
The Psychedelic Warlords (Disappear In Smoke)
D-Rider
Master Of The Universe
Welcome To The Future
 




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