THE SORROW: Origin Of The Storm von rls (Drakkar)
Die Welle des Metalcore beginnt auch schon wieder langsam abzuebben, und hier wie in jedem anderen kleinen wie großen Trend wird es nur eine gewisse Anzahl Bands geben, die weit genug an den Strand gespült worden sind, um nicht wieder in den großen Ozean der Undifferenziertheit hinabgerissen zu werden. Die Prognose, daß The Sorrow zu den Überlebenden gehören werden, erfordert angehörs des vorliegenden zweiten Albums "Origin Of The Storm" weder viel Mut noch sonderlich ausgeprägte prophetische Gaben, wenngleich natürlich immer "Unglücksfälle" wie eine Bandauflösung oder ähnliche strukturelle Probleme einer Weiterexistenz einen Riegel vorschieben können. Für das Debüt "Blessings From A Blackened Sky" hatten The Sorrow viel Lob eingefahren, bei selbsternannten Szenewächtern aber auch Kritik der Marke "Emporkömmlinge und Mitläufer" hervorgerufen, weil kaum einer den Werdegang der Band so richtig verfolgt hatte und es Bands aus Österreich von jeher in der deutschen Szene schwer haben und viel härter als deutsche oder gar amerikanische bzw. skandinavische Bands arbeiten müssen, um anerkannt zu werden oder gar Erfolg zu haben. The Sorrow nun haben sich als Arbeitstiere entpuppt, quasi an jeder Steckdose gespielt, durch fähige Strukturen im Hintergrund auch schöne Supportslots ergattert (man erinnere sich an die Tour mit den wiedererstarkten Sepultura im Februar 2009) und mit "Origin Of The Storm" nun auch ihr zweites Full-Length-Album am Start. Klar: Originell sind sie auch mit dessen 13 Songs nicht, aber dieses Problem teilen sie mit fast allen Stilkollegen, und daher sollte es nicht zur Bewertung herangezogen werden. Dafür darf man wie eingangs bereits angedeutet die Standhaftigkeit der Band bewundern - stolz harren sie im Metalcore aus, wenngleich sie den ersten Namensbestandteil deutlich stärker gewichten als den zweiten - andererseits gehen sie aber nicht so weit wie beispielsweise Trivium, die auf "Shogun" fast im reinen Metal angekommen sind. Überhaupt taugen Trivium als ein Vergleich für The Sorrow, in der Generalbetrachtung wie erwähnt eher die Trivium der früheren Zeit, aber beispielsweise in den Arrangements der Cleanvocals auch noch die "Shogun"-Trivium - man höre sich als Exempel nur mal den Refrain von "Scars" bei Minute anderthalb an, den auch die Heafy-Songschmiede nicht sonderlich anders ausgestaltet hätte. "Scars" wäre auch ein passender Anspieltip, denn er enthält quasi alle Zutaten des Sounds von The Sorrow, angefangen vom erwähnten Cleanrefrain über mannigfache metallische Abstufungen und ein paar angedeutete oder auch ausgespielte Breakdowms bis hin zum speedlastigen Getrümmer, garniert auch noch mit ein paar doppelläufigen Gitarren aus der Göteborg-Abteilung, die allerdings sehr akzentuiert eingesetzt werden - im Intro von "Eyes Of Darkness" beispielsweise kommt auch so eine doppelläufige Melodie vor, aber bevor man sie richtig wahrgenommen hat, ist sie schon wieder im Orbit verschwunden. Kleine moderne Elemente weisen The Sorrow auch als der Jetztzeit zugewandte Künstler aus - traditionalistische Kreise werden, wenn sie überhaupt bis "Eyes Of Darkness" vorgedrungen sind (das ist, das Intro "Apnoia" mitgerechnet, schon Song fünf), die aus einer Art gequält-verzerrter Tiefe hervorbrechende Refraineinleitung definitiv nicht zu schätzen wissen, ohne daß dieses Element aber irgendwie unnatürlich wirken würde. Das Outro des Songs wiederum greift die Stilistik des Intros "Apnoia" auf - die Schlaflosigkeit wird mit sanften Pianoklängen samt leichtem Orchestertouch bekämpft (der berühmte Graf Keyserling war seinerzeit in einer analogen Situation noch ausschließlich mit einem von Bachs Schüler Goldberg gespielten besaiteten Tasteninstrument ausgekommen, was einem großen Zykluswerk von Bach den Namen "Goldberg-Variationen" einbrachte), der Weckruf am Beginn von "Where Is The Sun" entfaltet dadurch eine ganz besondere Brachialität, die der Song aber nicht durchhält, sondern bereits nach wenigen Sekunden Geknüppels wieder ad acta legt. Wenn man "Origin Of The Storm" etwas vorwerfen möchte, dann wäre das allenfalls der Fakt, daß The Sorrow etwas dazu tendieren, alle ihre Stilelemente in mitunter kaum wechselnden Mischungsverhältnissen in jedem Song unterzubringen, so daß einige Teile des 54minütigen Albums einen ähnlichen Blockcharakter anzunehmen drohen wie einige Teile von Blind Guardians "A Night At The Opera". Aber dieser Gefahr sind sie sich offensichtlich auch selbst bewußt, denn nachdem schon "Raising The Devil" ein ganz klein wenig Tempo herausgenommen hat, werfen sie genau in der Mitte des Albums einen Anker in den Sturm, ihren wohl melodischsten und auch vom Tempo her langsamsten Song, trotzdem natürlich weit von einer Ballade entfernt, da dauerhaft mit einer A-E-Kombination unterrifft, in der Gesamtbetrachtung irgendwie an zurückhaltendere Amon Amarth erinnernd. Freilich wird man das Gefühl nicht los, daß dieser Song noch nicht die Spitze des Eisbergs sein wird, was die Plazierung am Rand des Stilspektrums angeht - er selbst hätte natürlich auch noch düsterer gestaltet werden können, aber vielleicht hebt sich das österreichische Quartett diese Stilistik noch für den nächsten Longplayer auf. Mit "From This Day On" lassen sie übrigens gleich noch den wohl leichtfüßigsten Song der Platte folgen, bevor sie dann aber wieder in den Monolithenbau überwechseln, wenngleich die Dichte an originellen Details hier hinten im Schlußteil des Albums etwas höher ausfällt als im Eröffnungsmonolithen: "Heaven Is No Place For Us" beinhaltet neben fast progressiven Schlagzeugverschiebungen im Schlußteil noch eine nahezu gangshoutkompatible Passage im Mittelteil, die aber auch Running Wild für die akustische Darstellung eines Ruderrhythmus hätten adaptieren können. "Tempestous" wiederum erfüllt seinen Zweck als kleines auflockerndes Instrumental in bester Weise (hier kommen einem bisweilen eher schräglärmorientierte Combos in den Sinn), bevor die drei letzten Songs dann eher wieder klassischen Monolithenbau betreiben, übrigens wie das komplette Album bei erstklassigem sauberem und doch powervollem Sound. Passend zum düsteren lyrischen Gehalt (man merkt halt, daß The Sorrow herkunftslandseitig in der katholischen Tradition stehen ...) ist auch das maritime Artwork ausgefallen, in dem etliche Schiffe im Ozean der Unbestimmtheit versinken, womit wir den Kreis zum einleitenden Bild geschlossen hätten. Wie erwähnt: Daß The Sorrow zu den Schiffbrüchigen zu zählen wären, ist weder zu wünschen noch zu befürchten.
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