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von rls

SOLITAIRE: Invasion Metropolis   (Battle Cry Records)

"10 Years of Speed Metal 1995-2005" liest man auf einem Transparent, das auf einem der zahlreichen Fotos im Booklet abgebildet ist, und nachdem sich die Finnen von diesem Jubiläum wieder erholt hatten (es wird sicherlich diverse hochprozentige Feierlichkeiten gegeben haben, wie man sie diesem Volk klischeehafterweise immer anhängt), gingen sie ins Studio, um die 10 Songs von "Invasion Metropolis" einzuzimmern, die so dermaßen traditionsmetallisch ausgefallen sind, wie es intensiver beinahe nicht mehr geht. Sänger Mika macht als einziger Nichtlanghaariger der Band dieses optisch-unmetallische Manko durch ein Overkill-Shirt wieder wett ("Feel The Fire"-Motiv natürlich), das Cover wirkt wie eine trashige Adaption der sowieso schon eher trashigen Godzilla-Filme, hier halt nur mit einem vorzeitlichen Reptil in Frauengestalt, bei dem die vordersten Teile der Oberweise als Raketenabschußrampen (!!) dienen, was ganze Generationen von Soziologen und Feminismusforschern beschäftigen könnte, würde man voraussetzen, daß sich die Band als Coverkonzepterdenker und Jani Järvinen als zeichnerischer Umsetzer tatsächlich etwas dabei gedacht haben - und dann wäre da natürlich noch die Musik zu betrachten. 10 Songs in 38 Minuten versprechen keine Progressivepen, die ersten 50 Sekunden des Openers "Soul Restless Soul" lassen aber mit ihrer Mischung aus Flüstervocals und Gitarreneffektwabern noch offen, was kommen wird, bis eben der eigentliche Song losbricht, Drummer Kalu ein Tempo anschlägt, das ein wenig über dem der ersten Metallica-Scheibe liegt, aber noch weit von dem heute im Death Metal Üblichen entfernt ist, die Gitarristen sich ihrer Achtziger-Wurzeln entsinnen (die sie bis zum Schluß dann auch nicht mehr vergessen werden) und letztlich Sänger Mika noch hinzutritt, dessen roher, ungekünstelter Gesang nicht selten an einen heiseren Udo Dirkschneider an der Grenze zur Hysterie erinnert. Und tatsächlich kommt man auch bei einigen der Songs (beispielsweise "The Decade Of Aggression") auf die Idee, daß Accept auf dem Nachfolger von "Restless And Wild" so ähnlich geklungen haben könnten, wenn sie die knüppelharte Linie von "Fast As A Shark" konsequent weiterentwickelt hätten, anstatt sich mit "Balls To The Wall" in deutlich temporeduziertere (damals hieß das "kommerziellere") Gefilde zu bewegen. Riku und Waaqqu, den beiden Solitaire-Gitarristen, gehen die klassischen Einflüsse Wolf Hoffmanns allerdings völlig ab, dafür geruhen sie hier und da ein paar zweistimmige Parts einzubauen, die eine zumindest latente Vorbildschaft Iron Maidens verraten; das Outro von "Wipe-Out" und das Hauptthema sowie das Hauptsolo von "Blue Lights Flashing" (letzteres sogar mit ganz kurzen Baßleads von Mikko) seien hierfür als Beispiele genannt. Daß sich Solitaire eindeutig als Weiterentwickler dieser Größen und nicht als Kopisten begreifen, demonstriert der Titeltrack, dessen schleppender Einstieg nun wirklich Accept in Reinkultur zeigt, bis er von einer aus dem Nichts um die Ecke schießenden Tempoverdreifachung begraben wird und der Song den üblichen Speed Metal-Geschwindigkeitsrausch beginnt, wobei Kalu dankenswerterweise nicht alles mit dominanten Doublebassorgien zuholzt, sondern die Snare nach wie vor als zentrales Geschwindigkeitsdeterminationsorgan begreift. "Die Tonight" markiert mit seinem sehr schnellen Stakkato die temposeitige Obergrenze des Albums, und auch hier darf im Hauptsolo der Baß mal kurz hervortreten. Neben den genannten europäischen Bands hinterlassen natürlich auch die Amerikaner wie Agent Steel ihre Spuren, wobei der Melodiefaktor bei Solitaire deutlich weiter unten liegt, wofür nicht zuletzt der deutlich ungeschliffenere Gesang verantwortlich ist. Nachteil von "Invasion Metropolis" ist allerdings, daß trotz des Bemühens der Band um Tempovariationen und des durchaus geschickten Einbaus einiger Breaks (z.B. in "Engage The Power", gleichzeitig auch die eindrucksvollsten und hier mal kaum Maiden-lastigen Doppel-Leads beinhaltend) kaum einer der Songs dauerhaft im Ohr hängenbleiben will, man auch keine Einzelsongs dauerhaft hervorheben kann und das Album somit nur wie ein 38minütiger Speedblock vor einem steht, in den man sich mühsam einmeißeln muß. Dagegen paßt die eher altmodische Produktion perfekt zum Anliegen der Band und der Platte und rundet somit eine für die Fraktion, die der metallischen Aufbruchstimmung der Früh- und Mittachtziger immer noch hinterhertrauert, durchaus gut geeignete Veröffentlichung ab; Leute, die das genannte Accept-Entwicklungs-Gedankenexperiment nachvollziehen wollen, und andere Leute, die wissen möchten, wie Tankard mit weniger Thrash, mehr Speed und besseren instrumentalen Fertigkeiten früher geklungen haben könnten, kommen um einen Erwerb vermutlich nicht herum, wohningegen Slayer trotz des Songtitels "The Decade Of Aggression" deutlich weniger Spuren im Schaffen des Quintetts hinterlassen haben als beispielsweise Raven, deren Fanklientel, hauptsächlich das der frühen Tage bis "Live At The Inferno", mit Solitaire vermutlich ebenfalls sehr glücklich wird.
Kontakt: www.battlecryrecords.de, www.solitairemetal.com

Tracklist:
Soul Restless Soul
Open Season
Wipe-Out
Blue Lights Flashing
The Decade Of Aggression
Invasion Metropolis
Die Tonight
Engage The Power
Potential Hazard To Life
Closing Circle



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