www.Crossover-agm.de TANKARD: Best Case Szenario: 25 Years In Beers
von rls

TANKARD: Best Case Szenario: 25 Years In Beers   (AFM Records)

Musikalisch bekanntgeworden sind die Frankfurter Tankard mit deutlich punkbeeinflußtem Thrash Metal, wie er in der deutschen Metalwelt der 80er irgendwie einzigartig war und auch in der internationalen Konkurrenz wenig direkte Mitbewerber hatte; das sollte sich erst in den 90ern entscheidend ändern, als einerseits Tankard ihren Sound mit vielfältigeren Einflüssen anreicherten, wozu es in den 80ern nur bedingte Ansätze gegeben hatte, andererseits ein riesiger Haufen ehemaliger Black Metaller erkannte, daß man, wenn man basischen Thrash Metal spielen will, nicht nur Sodom nacheifern kann. Zugleich kultivierten die Herren um Andreas Geremia schon seit frühen Tagen ihr Image als Streiter für den Genuß von Gerstensaft, nachdem der allererste Tankard-Song mit Baujahr 1982, ein komplexer Achtminüter mit einem Anti-Atomkraft-Text, offensichtlich auf wenig Resonanz gestoßen war und bis heute in den Archiven verblieben ist. So kam die Idee auf, quasi ein metallisches Pendant zu Heinz Schenk aufzuziehen, der bekanntlich die Nische des gepflegten kollektiven Alkoholvernichtens im deutschen Fernsehen besetzt hatte (ältere Leser erinnern sich sicherlich noch an "Zum blauen Bock") und sich dort um das Frankfurter "Nationalgetränk", den Ebbelwoi, kümmerte, während Tankard trotz ihres ausgeprägten Lokalpatriotismus (in den 25 Jahren der Bandexistenz spielten ausschließlich Bürger Frankfurts in der Band) ein deutschlandweit übergreifendes Thema aufgriffen, nämlich das Bier. Das reichte von Protestsongs gegen die Aushöhlung des deutschen Reinheitsgebotes durch die Zulassung chemischer Zusatzstoffe ("Chemical Invasion" mit dem Refrain "Chemical Invasion - fight for your right to drink pure beer" und dem deutlichen Aufruf "Stop The Chemical Invasion" gleich am Beginn des Songs nach dem überraschenden Bluesintro), die man inhaltlich fast ernstnehmen konnte, bis hin zu pubertären Saufsongs wie "Freibier", die dafür sorgen, daß man die ernsthaften Anflüge gleich wieder gedanklich wegwischte, obwohl sich Tankard schon früh auch anderen Themen zuwandten, was in den letzten 15 Jahren weitreichendere Ausmaße annahm, aber von der Anhängerschaft geflissentlich ignoriert wurde, welche die Frankfurter weiterhin nur als die Biermetaller wahrzunehmen gedachte, geschürt durch Berichterstattung in den metallischen Medien wie einem Artikel zweifelhafter Qualität im RockHard, wo sich Tourreporter Wolf-Rüdiger Mühlmann mit begieriger Freude auf die Schilderung der feucht-fröhlichen Party nach dem letzten Konzert der Tour konzentrierte (und wohlwollend selbst beim kollektiven Besäufnis mitmischte), anstatt den Fokus, wie sich das in einer Musikzeitschrift eigentlich gehören sollte, auf die Musik zu legen. So wird also das Bild wie das Selbstbild von Tankard auch in den nächsten 25 Jahren der Bandexistenz keinen entscheidenden Veränderungen unterworfen sein. Zum 25jährigen Bandjubiläum hat die Band nun etwas getan, was diverse Kollegen altgedienter Bands in den letzten Jahren auch schon praktiziert haben: Man spielte einen Sack alter Klassiker mit der derzeitigen Besetzung neu ein. Im Falle von Tankard beschränkte man sich auf Material der Jahre 1986 bis 1995, was die originale Tonträgerveröffentlichung betrifft - die alten Demos hatten ja auf einigen der jüngeren Platten schon partielle Neueinspielungen erfahren, aber die Frage, warum man die jüngeren Platten nicht mit bedacht hat, bleibt trotzdem offen. Gut, die Besetzung ist seit dem 2000er Album "Kings Of Beer" konstant, so daß einer der Effekte einer Neueinspielung verlorengegangen wäre, aber "Best Case Szenario" ist eindeutig als Best Of positioniert, und da hätte allermindestens die großartige Hymne "Kings Of Beer" mit draufgehört. Die hätte zugleich geholfen, die relative Monotonie der reichlichen Stunde Spielzeit etwas abzumildern. Auf ihren regulären Alben hatten Tankard ja immer auch ein paar ungewöhnlichere Songs dabei, die musikalische Abwechslung ins Geschehen brachten und dafür sorgten, daß man die meisten Platten ohne Gähnangriffe durchhören konnte. Genau diese ungewöhnlicheren Songs fehlen nun aber auf "Best Case Szenario" - hier rächt sich die Positionierung als Best Of, denn die bekanntesten Songs der Frankfurter ähneln sich stilistisch alle sehr stark, und wenn man die aufreiht, zumal durch die Neueinspielung bedingt auch noch alle im gleichen Soundgewand, ermüdet die Aufmerksamkeit des Hörers (auch bzw. gerade des nüchternen) doch recht schnell, und man macht sich, um dem Abgleiten in Morpheus' Arme zu entrinnen, auf die Suche nach den seltenen, aber doch vorhandenen besonderen Einfällen. So gehört das abwechslungsreiche und intelligent arrangierte "Space Beer" zweifellos zu den besten Tankard-Songs, der Kanon am Ende von "Minds On The Moon" durfte auch nicht so erwartet werden, die Einflechtung von "Jesus Christ Superstar" und einem klassischen Gitarrenheldensolo erfreut den Hörer bei der Entdeckung in "666 Packs" gleichfalls, und "(Empty) Tankard" gehört, Einförmigkeit hin oder her, mit seinem hoppelnden Riff und seinem hymnischen Ausklang, immer noch zu den Metalhymnen, die auf jeder Achtziger-Metal-Compilation stehen sollten. Dem Medley aus "Alcohol", "Puke", "Mon Cheri" und "Wonderful Life" wiederum merkt man eigentlich nur am Nichtwiederkehren irgendeines der Refrains an, daß es eigentlich aus vier Songs besteht, was man als Kompliment wie als Kritik auffassen kann. Ob Durchschnittsware wie "Nation Over Nation" unbedingt auf diese CD gehört hat, darf diskutiert werden; der Rezensent hätte zweifellos lieber das ungewöhnliche "For A 1000 Beers" gehört (mit Spannung, was Andy Gutjahr mit seinem bekannten neoklassischen Background aus der Gitarrenarbeit gemacht hätte), aber das hätte dann wieder nicht ins Best Of-Schema gepaßt, womit wir wieder am Kopf der Argumentation angekommen wären. Eine Edition im limitierten Digipack enthält noch eine Bonus-CD, auf der 18 Kapellen Tankard-Songs (hier übrigens auch jüngere wie z.B. "Rectifier") covern, einige Combos, die man in einem solchen Kontext erwartet hat, z.B. Abandoned oder Torment, aber auch einige Kandidaten, an die man im ersten Moment nicht unbedingt denken würde, z.B. die Italiener Hatework oder die Dänen Manticora. Wie sie sich schlagen, kann der Rezensent nicht beurteilen, da ihm die zweite CD nicht vorliegt.
Kontakt: www.afm-records.de, www.tankard.org

Tracklist:
Zombie Attack
Maniac Forces
(Empty) Tankard
Don't Panic
Chemical Invasion
The Morning After
Alien
666 Packs
Beermuda
Space Beer
Medley (Alcohol, Puke, Mon Cheri, Wonderful Life)
Freibier
Nation Over Nation
Two-Faced
Minds On The Moon



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