www.Crossover-agm.de MANTICORA: Hyperion
von rls

MANTICORA: Hyperion   (Scarlet Records)

Die Doppelinformation, daß der Debütlongplayer "Roots Of Eternity" dieses dänischen Sextetts bei den Griechen von Black Lotus Records erschien und daß sich hinter dem Drittling "Hyperion" ein Konzeptalbum verbirgt, könnte Anlaß für die leider unrichtige Vermutung bilden, man habe sich an Hölderlins gleichnamiges Werk gehalten. Aber der alte Friedrich H. bleibt in der Schublade und muß Dan Simmons mit seiner gleichnamigen SciFi-Novelle Platz machen, was mich vor ein doppeltes Problem stellt: Erstens hab' ich die noch nicht gelesen, und zweitens liegen mir auch keine Lyrics vor, weshalb ich als logische Konsequenz nichts über die außermusikalischen Inhalte oder die Abstimmungsintensität dieser mit der musikalischen Komponente berichten kann. Konzentrieren wir uns also auf die Musik - die enthält auch genügend Berichtenswertes. Zunächst fällt die Struktur der CD auf: Von den 12 Tracks sind sechs überlange Epen mit mindestens sieben Minuten Länge, die anderen sechs schwanken zwischen 1:41 und 4:41, ohne jedoch allesamt reinen Zwischenspielcharakter aufzuweisen. So ist der 4:41er "At The Keep" zusammen mit "Reversed" praktisch die (Halb)Ballade des Albums, wohingegen ansonsten eher der melodische Speed Metal in erneut begeisternder Frische dominiert. Das zentrale Thema von "Keeper Of Time - Eternal Champion", das nach der orientalischen Melodieskala am Anfang auftaucht, weist mit seiner dem Grundrhythmus nicht stoisch folgenden Melodiestruktur auf die Nachbarn aus der Siedlung "Progressive Metal" hin, bleibt aber so gut wie der einzige Blick dieser Art über den Gartenzaun. Dieses Element muß den Dänen um die beiden chefdenkenden Larsens an Gesang respektive Gitarre so gut gefallen haben, daß sie es in abgeschwächter Form im darauffolgenden "Cantos" sowie im Schlußsolo des Closers "LovEternaLovEternaL..." gleich nochmal eingesetzt haben. Generell fällt auf, daß die Siebenminüter (die vielschichtige Halbballade "Reversed" mal ausgeklammert), aber auch einige der Kurztracks (höre exemplarisch die beiden "On A Sea Of Grass"-Teile) bis auf kurze Interludien von meist nicht mehr als einer Minute Dauer geschwindigkeitstechnisch am oberen Limit des Melodic Speed-Genres plaziert wurden und Drummer Mads Wolf (neben den beiden Larsens einziges verbliebenes Urmitglied) ausgiebig und nach Herzenslust Tempo machen darf, was er mit einer erfreulich ungekünstelten Spielweise belohnt (zudem arbeitet er bedeutend häufiger als seine Kollegen mit Stakkatorhythmen und verfällt seltener in einen off-beat), die Manticora angenehm von den meisten Mitbewerbern um den Thron des europäisch geprägten melodischen Speed Metals abhebt. Dafür steht Keyboarder Jeppe Eg etwas weiter im Hintergrund als auf dem Vorgänger "Darkness With Tales To Tell", was den symphonischen Aspekt der CD etwas zurückdrängt und wiederum etwas Distanz zu den immer noch hauptsächlich italienischen und spanischen Kollegen schafft. Originalitätsfaktor bleibt auch Lars F. Larsen, der sich in energischem mittelhohem Klargesang ergeht und dadurch einen kleinen Querverweis auf Wizards Sven D'Anna zuläßt, dessen Pathosgehalt aber nicht kopiert. Daß die erwähnten "Reversed" und "At The Keep" allein schon aus diesem Grund ein wenig in die Nähe von Wizards zentralen Epen der "Battle Of Metal"-Scheibe rücken, darf als Zufall gewertet werden, wobei die Tatsache, daß Manticora bedeutend gefühlvoller zu Werke gehen als die Bocholter Metalkings, nicht unterschlagen werden sollte. Das absolute Highlight von "Hyperion" hört allerdings auf den Namen "A Long Farewell", ist mit knapp neun Minuten auch das Longlight und walzt seine furiosen Speedsoli (vor dem eher epischen Schlußpart) ins Ellenlange aus, dabei so begeisternd bleibend, daß man davon gar nicht genug bekommen kann, jedenfalls nicht, wenn man sich (wie der Rezensent) sehnlichst wünscht, daß Helloween mal wieder etwas Adäquates hinbekommen, anstatt sich wie in "The Dark Ride" auf finsteres Riffgeschiebe zu konzentrieren, das mit den geliebten "Happy, Happy Helloween" nicht mehr allzuviel und mit den gereift und trotzdem begeisternd losholzenden Helloween zu "The Time Of The Oath"- oder "Better Than Raw"-Zeiten auch nicht wesentlich mehr zu tun hat. Aus dem Helloween-Vergleich könnte herausgelesen werden, daß "A Long Farewell" der konventionellste Track der CD ist, und auch das mag stimmen, was aber nicht bedeuten soll, daß man sich mit den weniger konventionellen zu weit aus dem Fenster gebeugt hat. Nach dem aggressiven Zweiminüter "Swarm Attack" (da kann man auch ohne literarische Vorlage herausfinden, was passiert) schließt der wiederum sehr vielschichtige Speedie "LovEternaLovEternaL..." eine erneut stark zu empfehlende Stunde Musik ab.




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