www.Crossover-agm.de MANTICORA: Darkness With Tales To Tell
von rls

MANTICORA: Darkness With Tales To Tell   (Scarlet Records)

Rätsel: Ein schlafender Krieger lagert mit freiem Oberkörper in einem brennenden Wald. Sein Schwert lehnt an einem Baum, sein Schild, auf dem eine Figur prangt, die so 'ne Art Kreuzung aus einem Flughund und einem Pterodactylus darstellt, aber wohl einen Drachen abgeben soll, liegt in einigem Abstand daneben, das fäßchenartige Etwas neben dem Schwert kann ich nicht so recht deuten (ein Papierkorb soll es wohl nicht sein), einige Bäume zeigen undeutbare Gesichter (wollen sie den Krieger wecken oder aber unauffällig vernichten?), die Songtitel enthalten Worte wie "Dragon", "Shadow" oder "Twilight", und das M des Bandlogos wird aus zwei pflugscharartigen Winkeleisen gebildet. Welche Musik spielen Manticora? Na? Wer hat da was von Melodic Speed Metal gemurmelt? Voll und ganz korrekt. Nun sind die Dänen nicht unbedingt als Trendreiter einzustufen, denn schon die erste Mini-CD "Dead End Solution" von 1997, noch unter dem Namen Manticore veröffentlicht, soll in eine ähnliche Kerbe geschlagen haben (das Info spricht von einer Kreuzung aus 80er Power Metal und 90er US-Progmetal, wobei unter letztgenannten Terminus lustigerweise auch Iced Earth und die Deutschen Superior subsumiert werden - ich kenne die Platte nicht und kann daher nicht beurteilen, ob das so zutrifft), und mit dem 99er Debütlongplayer "Roots Of Eternity" kam dann auch der symphonische Aspekt stärker zum Tragen, da man den Keyboarder Jeppe Eg fest bestallte. Der hat definitiv viel Klassik gehört und unterstreicht das auch auf der neuen Scheibe - deutlichstes Anzeichen sind die barock inspirierten Solopassagen in "Dragon's Mist". An Spielfreude mangelt's den Herren nicht, an Tempo sparen sie in den zehn Songs auch nicht (den elften, das relativ nichtssagende Intro "... From Far Beyond", lassen wir mal unerwähnt), ebensowenig an im Ohr behaltbaren Melodien sowie Zeichen, daß sie allesamt Meister an ihren Instrumenten sind. Nur: Diese Attribute vereinigen Hunderte Bands aus Italien und anderswo auch auf sich. Was unterscheidet Manticora von ihnen? Da gibt's eigentlich nur ein Faktum, nämlich den Gesang. Lars F. Larsen hält sich nur selten in den hohen Lagen auf, wie dies die allermeisten seiner Positionskollegen häufig tun. Statt dessen bevorzugt er einen pathetischen, aber völlig klaren Gesang in den mittleren Tonlagen, für den mir spontan lediglich zwei analog agierende Vergleiche einfallen. Das wären zum einen die erste Scheibe von Custard (lauscht mal dem Track "Kingdoms Of Your Life", dann wird's deutlich) und zum anderen einer der beiden Sänger von Eterna auf "Papyrus" (fragt mich nicht, wie er heißt - nicht der, der ein wenig an Dio erinnert). Außerdem setzen Manticora in "Felice" auch noch eine Frauenstimme ein - nicht sonderlich ausladend, aber doch ausgeprägt genug, um festzustellen, daß das fast Anja Natasha von Dismal Euphony zu "All Little Devils"-Zeiten sein könnte. Keine Ahnung, wer's wirklich ist - das Bandinfo gibt den Namen nicht preis. Dafür steht dort aber was von "real metal-opera", was mich schon wieder im Regen stehen läßt, da ich kein Textblatt habe und allein aufgrund der Songtitel keine Zusammenhänge auszumachen sind. Weiter im Infotext: "Parts 3&4 of 'The Saga ...' (continued from 'Roots Of Eternity') are featured on this album ..." - dumm nur, daß ich auch dieses Album nicht besitze, folglich nicht weiß, welche Songs hier gemeint sind, zumal analog in diesem Fall die Songtitel keinerlei Aufschluß geben, und ich somit auch dieses Konzept nicht näher beleuchten kann. Pech gehabt. Muß ich mich halt mit dem reichlich einstündigen musikalischen Inhalt begnügen - aber der ist begeisternd genug, sofern man nicht gerade an Melodicspeedübersättigung leidet. Ungekünstelte Arrangements, künstlerisch trotzdem nicht billig, viel Abwechslung trotz häufigen Verharrens auf dem Gaspedal und Erreichens einer herzschlagsteigernden Geschwindigkeit - und dazu eine erfreuliche Unverbrauchtheit, die Fähigkeit, aus dem Wiederkäuen liebgewonnener Strukturen, wie dies beispielsweise Stratovarius seit "Episode" auf hohem Level praktizieren, auszubrechen, und der Wille, auch mal zu überraschenden Elementen hinzulangen. Als Exempel für letztgenannte möge der Keyboardsound in der später nochmals aufgegriffenen Introsequenz von "Critical Mass" gelten, den man bisher eher aus dem Düstermetalgenre kannte - ich sage nur "Stechapfel" von Eternal Peace oder "Die Chance" von Exaudi. "Darkness With Times To Tell" klingt somit frisch - nicht ganz so taufrisch wie "The World Where Shadows Come To Life" der stilistisch recht ähnlichen Russen Archontes, aber immer noch so frisch wie ein Luftzug in meinem Altenburger Büro an einem sonnigen Julinachmittag, wenn Klärchen ungebremst auf die darüberliegende Dachfläche lacht und man deshalb sämtliche Büroöffnungen aufreißt. Der Erwerb der CD sollte im gutsortierten Fachhandel problemlos möglich sein - wenn doch nicht, hier die Labeladresse: Scarlet Records, Via Mattei 48, I-20097 S. Donato Mil.se (MI), Italy, www.scarletrecords.it
 




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