www.Crossover-agm.de SHADOW HOST: Neverland
von rls

SHADOW HOST: Neverland   (Valiant Music Productions/Metalglory)

Hatten wir unlängst mit Salamandra eine tschechische Antwort auf Blind Guardian, so kommt hier in Gestalt von Shadow Host eine russische dazu, wobei sich diese im Gegensatz zu Salamandra (welchselbige die orchestral-bombastische Herangehensweise von "Nightfall In Middle-Earth" nicht nur replizierten, sondern sogar bedeutend gesünder und mitreißender gestalten konnten) eher an den Frühwerken bis einschließlich "Tales From The Twilight World", ansatzweise auch noch bis zum Meisterwerk "Imaginations From The Other Side" orientieren. Soll heißen: Auf "Neverland" regiert ausgefeilter Powerspeed fast durchgängig ohne Keyboards - viel mehr als die geringe atmosphärische Funktion beispielsweise in "The Last Hope" oder einen kleinen simulierten Flöteneinwurf in "Beyond The Line" gesteht man den Tasteninstrumenten nicht zu, hat auch keinen festen Keyboarder an Bord. Statt dessen lockert die Band den auch von der temposeitigen Grundanlage schon sehr abwechslungsreichen, wenngleich überwiegend im oberen Geschwindigkeitsbereich (sonst wär's ja auch kein Speed Metal :-)) dahincruisenden Gesamtkontext des öfteren durch halb- oder vollakustische Einsprengsel auf, in denen sich dann auch Sänger Sergej Sergejew mit seiner Hansi Kürsch ganz und gar nicht ähnelnden, sondern eher an kauzigere US-Metal-Shouter wie J. D. Kimball, Mike Scalzi oder John Blackwing erinnernden Stimme etwas besser durchsetzen kann als in den Speedpassagen, wo er aufgrund der vom Spektrum her ähnlichen Abmischung der Vocals und der Gitarren einen recht schweren Stand hat. Besagter Gitarrensound findet seine deutsche Parallele nun gerade nicht in Blind Guardian, sondern in Stormwarrior und damit zwingend auch in den frühesten Werken von Helloween - ein Querverweis, der irgendwann sowieso mal kommen mußte, denn als "Bonus Track" an elfter Position ist "Twilight Of The Gods" enthalten, ein eher selten gecoverter Track der Hamburger Kürbisschmiede, der leider soundlich etwas gegenüber dem restlichen Material abfällt (der Gesang hört sich irgendwie so an, als ob Sergej vier Meter hinter dem Mikro gestanden hätte), wiewohl das Booklet keine Angaben über etwaige differierende Aufnahmeumstände macht. Trotzdem macht diese Version zweifellos Spaß, wenngleich sie mit dem Original nicht mithalten kann (und das nicht, weil sie sich die Freiheit genommen hat, ein paar Tonschritte in der Melodik abweichend zu gestalten), trotzdem aber der einprägsamste Track der ganzen CD bleibt. Das goldene Händchen, trotz aller Abwechslung und ansatzweisen Komplexität (wiewohl diese weit unter "Imaginations From The Other Side"-Zuständen bleibt, von den überfrachteten Folgewerken ganz zu schweigen) einprägsame Songs zu schreiben, bedarf bei Shadow Host nämlich noch ein wenig der übenden Ausfeilung, wenngleich auf "Neverland" zumindest schon vielversprechende Ansätze zu vernehmen sind. Der atmosphärisch unterstützte Themenpart in "Beyond The Line" darf hierfür ebenfalls als Beweis gewertet werden wie der hymnische Refrain in "Dragonfire's Burning", der auch ein wenig nach Italien weist und nur das Problem hat, daß er beim ersten Mal recht unvermittelt an die Tür klopft, da er versuchsweise mit halbballadesken Parts eingeführt wurde, was nur bedingt paßt. Bei einem Teil der Songs scheint es sich übrigens bereits um älteres Material zu handeln, denn vor der ersten CD "Twilight Legend" von 1997 (wer nicht spätestens hier den Blind Guardian-Querverweis erkennt, dem ist vermutlich im traditionsmetallischen Sinne nicht mehr zu helfen) sind bereits drei MCs erschienen, und deren zweite und dritte hörten auf die Titel "Nothing Left Behind" (der letzte Song vor dem abschließenden Cover auf "Neverland" trägt gleichfalls diesen Titel - er enthält ein paar kleine äußerst komische Rhythmusverschiebungen in der ersten Strophe) bzw. "Beyond The Line" (siehe den bereits mehrmals erwähnten Song); der frühere Sänger Sergej Kajumow ist in mehreren Songs noch als Co-Autor ausgewiesen (wenngleich gerade bei den beiden erwähnten nun nicht - die hat Gitarrist/Bandkopf Alexej Arzamazow im Alleingang geschrieben). Die knapp 51 Minuten der CD wimmeln nur so vor Spielfreude und ungekünstelter Begeisterung fürs gewählte Sujet, so daß man auch über den überdeutlichen Ideenklau in "Call Of The Unknown" hinwegsehen kann (da winkt Blind Guardians "Mordred's Song" fröhlich um die Ecke). Als Anspieltip für Geschwindigkeitsfreunde sei "Inviolable Balance" (mit gar nicht so kompliziertem, aber wirkungsvollem Solo) angeführt, aber auch das halbballadesk beginnende "Echo Of Sunrise" oder das zweiminütige Instrumental "Forgotten Words" taugen als Einstieg - oder eigentlich jeder der 11 Songs vom Intro bis zur abschließenden Coverversion. Fürs nächste Album wünsche ich mir einen geringfügig weniger blechernen Drumsound und ein paar Ohrwurmpassagen mehr - alle anderen Faktoren dürfen gern so bleiben wie auf "Neverland", denn dann könnte uns ein wahres Hammeralbum aus dem Osten heimsuchen. Trotzdem bleibt "Neverland" Pflichtprogramm für den Freund der Frühwerke von Helloween und Blind Guardian.
Kontakt: www.shadowhost.ru, www.valiantmusic.ru, www.metalglory.de

Tracklist:
Visions
The Last Hope
Beyond The Line
Call Of The Unknown
Forgotten Words
Dragonfire's Burning
In The Mirrorland
Echo Of Sunrise
Inviolable Balance
Nothing Left Behind
Twilight Of The Gods



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