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von rls

SAVAGE CIRCUS: Of Doom And Death   (Dockyard2)

Nachdem der Himmel für Savage Circus angesichts ihres Debütalbums "Dreamland Manor" anno 2005 noch voller Geigen zu hängen schien, fiel bald darauf saurer Regen: Bandgründer und Ex-Blind Guardian-Trommler Thomen Stauch zeigte sich gesundheitlich den Strapazen kontinuierlichen Arbeitens mit der Band (die wie jede andere neue Truppe auch zahlreiche Aufbaustunden verlangt) nicht gewachsen, so daß die anderen Bandmitglieder anno 2007 beschlossen, ohne ihn weiterzuarbeiten. Zunächst stieg aber Yenz Leonhardt als Bassist fest ein - auf dem Debütalbum hatte noch Gitarrist Piet Sielck den Baß mit eingespielt, aber Yenz hatte diese Aufgabe bei allen danach anstehenden Liveshows bereits übernommen. Zur allgemeinen Überraschung ging der Drumhocker nicht an Thomas Nack (Ex-Gamma Ray) über, der bereits zahlreiche Shows mit der Band vertretungsweise für Stauch absolviert hatte und auch auf der DVD "Live In Atlanta" zu sehen ist. Statt dessen holte man sich Wandervogel Mike Terrana ins Line-Up. Ob das eine zur Stabilität führende Entscheidung ist, wird die Zukunft zeigen - zumindest musikalisch hat sie nur geringe Auswirkungen gehabt, wenn man die Betrachtung allein auf die Schlagzeugarbeit bezieht: Terrana spielt hier und da vielleicht einen Tick geradliniger, weniger verziert und auch weniger in Hochgeschwindigkeits-Stakkati, aber diese Unterschiede verbleiben im Nuancenbereich, und daß er den Stauch-Stil quasi perfekt imitieren kann, zeigt bereits der Opener und Titeltrack, wo man schlagzeugtechnisch absolut keinen Unterschied zwischen den beiden Herren hört. Aber das Problem liegt woanders: Mit Stauch ist auch ein erfahrener Songwriter von Bord gegangen. Bei Blind Guardian hatte er sich ja nicht so richtig entfalten können, war dann aber eine der treibenden Kräfte für das Material von "Dreamland Manor". Ob er dabei viele Parts selber geschrieben hat, ist dabei erstmal zweitrangig, aber er war offensichtlich eine wichtige ordnende Hand, als es darum ging, schlüssige Songs mit songimmanenter Individualität zu schreiben - eine Fähigkeit, die Blind Guardian ab "Nightfall In Middle-Earth", spätestens aber ab "A Night At The Opera" mehr und mehr verlorenging, was speziell auf letztgenanntem Album zu einem völlig austauschbaren Puzzle von für sich betrachtet nicht schlechten Einzelparts führte, auf dem man beispielsweise Refrains zwischen manchen Songs beliebig hätte austauschen können. In diesem Punkt gingen Savage Circus auf "Dreamland Manor" zwei Schritte zurück und reduzierten zudem die Anzahl der aneinandergereihten verschiedenartigen Parts, was ein über weite Strecken begeisterndes Resultat erzeugte, welches an beste "Tales From Somewhere From The Other Side"-Zeiten Blind Guardians erinnerte. Und nun kommt das Problem: Stauch ist als einziges Mitglied der Gründungsbesetzung von Savage Circus beim neuen Album "Of Doom And Death" nicht mehr mit dabei, und acht der neun neuen Songs (das sanfte Outro "Dreamland" mal außen vor gelassen) haben genau das gleiche unzusammenhängende Patchworkmuster wie die neueren Blind Guardian-Alben - ergo muß Stauch die ordnende Hand gewesen sein, die auf "Dreamland Manor" dieses Problem aus der Welt geschafft hat, und diese Hand fehlt nun. Zwar wird das Problem hier dadurch gemildert, daß die Lieder nicht ganz durchkomponiert sind, also auch außerhalb der Refrains wiedererkennbare Elemente verwendet werden, ohne freilich simple Strophenlieder draus zu machen. Aber trotzdem erschließen sich viele Zusammenhänge nicht, könnte man auch hier problemlos Einzelteile oder selbst Refrains fast willkürlich in andere Songs verschieben, ohne musikalisch andere Ergebnisse zu erzielen. "Chasing The Rainbow" darf hier als besonders bemerkenswertes Beispiel gewertet werden - es ist kein Progmetal, aber ein roter Faden, dessen konsequente Zerschnippelung man Progbands ja gerne vorwirft, fehlt trotzdem völlig - keine Entwicklung, keine Aufbaulogik, einfach nur eine Aneinanderreihung einzelner, für sich betrachtet zweifellos hochklassiger Elemente. Und das wird angesichts der überlangen Spielzeit der Tracks (fünf erreichen über sieben Minuten, zwei weitere ebenfalls noch über sechs) dann wirklich zum Problem. "Of Doom And Death" nur als 57minütiges Gesamtkunstwerk begreifen zu wollen entspräche wohl keineswegs den Intentionen der Band, wäre aber die einzige Interpretationsmöglichkeit, mit der man diesen gigantischen Wirrwarr rechtfertigen könnte - und genau davon wollten Savage Circus ja eigentlich weg. Spätestens beim dritten Durchlauf beginnt sich der Hörer akut zu langweilen; eine Weile kann er sich noch damit bei Laune halten, indem er die versteckten Zitate sucht. "Empire" etwa ermöglicht kurz vor Minute 4 ein Deja Vu in der Gitarrenarbeit, das in Richtung Blind Guardian führt, während "Chasing The Rainbow" ein Riff mittenmang geworfen hat, das Helloween in nicht identischer, aber ähnlicher Form in "Revelation" verbraten hatten. Am generellen Stil der Musik hat sich freilich nichts geändert, allerdings läßt sich noch eine markante Veränderung im Gesang konstatieren: Jens Carlsson hatte auf "Dreamland Manor" neben den Hansi-Kürsch-Gedächtnisvocals auch noch andere Stimmlagen ins Gefecht geführt - davon ist er im neuen Material nun nahezu komplett abgerückt, denn die cleanen Lagen bleiben auf wenige Momente in der "Ballad Of Susan" beschränkt, bis er auch dort in die Kürsch-typischen hohen angerauhten Vocals zurückkehrt, gestützt durch die ebenso für Blind Guardian typischen Chöre. Gut, originell war auch "Dreamland Manor" schon nicht, aber es hatte dafür andere Qualitäten, die man auf "Of Doom And Death" ebensowenig findet wie etwa Doom oder Death Metal. So etwas wie eine songimmanente Entwicklung, die man anhand halbwegs logischer Maßstäbe nachvollziehen kann, gibt es fast nur in Songposition 6 mit der erwähnten "Ballad Of Susan", und selbst hier bleiben Fragezeichen wie das, was um Himmels willen der an den Schluß angeklebte wenigsekündige Powerpart noch zu bedeuten haben sollte. Auch an den rabiaten Übergang in den mittelschnellen zweiten Teil und dessen temposeitig völlig abstruse Vorbereitung in diesem Song muß man sich erst gewöhnen. Vielleicht erschließen sich nach 20maligem Hören auch noch einige der anderen Übergänge, aber damit ist, wenn überhaupt, nur in eher geringem Maße zu rechnen. "Of Doom And Death" bleibt somit eine gewaltige Kröte, die man zu schlucken hat, wenn man die mit "Dreamland Manor" eingeleitete Entwicklung gemocht und auf deren Fortsetzung gehofft hatte, und damit nicht nur subjektiv, sondern sogar objektiv eine Enttäuschung, während Menschen, die "A Night At The Opera" ernstlich für einen Geniestreich halten, möglicherweise "Of Doom And Death" mehr lieben werden als "Dreamland Manor".
Kontakt: www.savage-circus.com, www.dockyard2.com

Tracklist:
Of Doom And Death
The Ordeal
Devil's Spawn
Chasing The Rainbow
Empire
Ballad Of Susan
Legend Of Leto II
From The Ashes
Dreamland



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