www.Crossover-agm.de SAHIN FEAT. LUDVIK: Lie To Me
von rls

SAHIN FEAT. LUDVIK: Lie To Me   (Dragonblood Records)

Na hoppla, das ist ja mal eine Überraschung! Mehr als acht Jahre nach "Sweet Prince" erscheint doch tatsächlich ein neues Album von Sahin feat. Ludvik. Der erste Blick offenbart eine Kontinuität im optischen Konzept: wieder mal ein neues Logo, wieder keinerlei Hinweis, welcher Musikstil sich hinter den drei Würfeln auf dem Cover verbergen könnte. Daß die beiden Franken erneut nicht ins Lager des tschechischen HipHop abgedriftet sind (diese Möglichkeit würde der Projektname ja durchaus offenlassen), wird schon bei einem Hineinhören in die ersten Sekunden des Openers "Dive Into The Sun" klar, und nach dem ersten Hördurchlauf stellt der Anhänger des Vorgängeralbums befriedigt fest, daß sich zumindest an der Grundausrichtung wenig geändert hat. Walter Sahin und Rainer Michael Ludwig fabrizieren nach wie vor Melodic Rock mit starker Neigung zum Melodic Metal, letztere diesmal sogar einen Tick stärker ausgeprägt als auf dem Vorgängeralbum, also einen Deut härter als früher, obwohl die Vergleiche zu Maiden oder Helloween, die das Infoblatt zieht, nach wie vor als vermessen einzustufen sind. Auch die gleichfalls genannten Avantasia passen trotz einiger stimmlicher Ähnlichkeiten Ludwigs zu Tobias Sammet in dessen tieferen Lagen nicht so richtig, denn Sahin arrangiert im Direktvergleich viel basischer, hier und da auch deutlich zu zurückhaltend, etwa im merkwürdigerweise herunterschaltenden Refrain von "Tamerlane", obwohl die Dramatik eigentlich eine Intensitätssteigerung nahelegen würde. Passendste Referenzband sind nach wie vor Bonfire, allerdings die kernigeren alten Bonfire, und selbst von denen muß man sich vor allem die opulenten Gesangsarrangements etwas zurückgefahren denken. Das ist nichts prinzipiell Schlechtes - wer Lessmann & Konsorten vor allem für ihre straighteren Passagen und ihren Direktzugriff mag, wird, wenn ihn Sahins Drumcomputer nicht stört, an "Lie To Me" durchaus Gefallen finden können, zumal der "Chef" auch wieder ein paar schöne Gitarrenzaubereien eingestreut hat und etwas, sagen wir, befreiter aufspielt als früher. Gute Riffs schreiben kann er auch immer noch, wenngleich man natürlich nichts irgendwie Innovatives erwarten sollte - aber das tut man ja sowieso nicht, wenn man sich ein klassisches Hardrockalbum zulegt, und wer immer auf der Suche nach dem nächsten großen Ding ist, findet seinen Platz in der Anhängerschaft von Sahin feat. Ludvik garantiert nicht. Aber selbst die hier Versammelten dürften an einigen wenigen Stellen doch einhaken, daß man da doch etwas besser hätte machen können. An einigen Stellen wirkt der Gesang wie nachträglich dem instrumentalen Part übergestülpt und dann von der Harmonik her nicht mit der letzten Konsequenz angepaßt - das trifft beispielsweise auf Teile von "Dive Into The Sun", die Backings im Refrain von "Bring On The Hammer" oder auch auf die viermaligen "Voices" im Titeltrack zu. Daß Ludwig auch auf bisher von ihm weniger beackerten Feldern Gutes zu leisten vermag, beweist die dramatisch-rauhe Artikulation in den Strophen von "Watcher In The Skies" (kein Iron-Savior-Cover!), die den Song dann doch etwas in Richtung Metal schiebt und erfreulicherweise alle potentiellen Peinlichkeiten, die gerade an solchen Stellen lauern, gekonnt umschifft. Die etwas erhöhte Durchschnittslänge der Kompositionen (zehn Songs bringen es diesmal auf knapp 45 Minuten) ergibt sich aus bisweilen etwas ausladenderen Arrangements, was im Falle des eben genannten "Watcher In The Skies" richtig gut funktioniert, beim Titeltrack aber leider in wenig einfallsreiche Wiederholungen mündet und in "Tamerlane" einige komische Wendungen ergibt, deren Dramaturgie sich nicht in jedem Fall erschließt. Ganz nebenbei: Sahin feat. Ludvik pflegen auch die im Hardrock heute fast ausgestorbene Eigenart, Songs nicht per Schlußakkord zu beenden, sondern auszublenden - ob man nun ausgerechnet diese Vorgehensweise wiederbeleben mußte, darf im fröhlichen Meinungsstreit ausdiskutiert werden. Auch über die Qualität der Kompositionen werden die Meinungen divergieren, mancher wird die Ballade "Wolfmother" (die einzige alleinige Ludwig-Komposition der CD) als etwas zu pathetisch empfinden, während andere sie als willkommene Abwechslung ansehen dürften. Aber irgendwie wird auch der Rezensent das Gefühl nicht los, daß Sahin die flotte Gangart, hier beispielsweise durch das galoppierende "Defender Of My Dreams" verkörpert, besser liegt als das hochdramatische Fach. Das war auf dem Vorgänger noch anders, wo die Halbballade "Loosen The Ties" zu den stärkeren Exempeln gehörte - insofern darf man hoffen, daß eine vielleicht nicht erst in acht Jahren erscheinende Folgescheibe alle Stärken der Franken bündelt. "End Of All Days" und "This Time I Bleed" schließen die unterhaltsame Dreiviertelstunde ab, letzteres nach balladeskem Beginn recht hymnisch werdend, ersteres kein Rage-Cover darstellend, aber dafür einige orientalische Melodiefetzen einstreuend, von denen man sich vielleicht in "Tamerlane" auch schon einige gewünscht hätte. Randbemerkung: Hat Ludwig das DDR-Kinderbuch "Uli träumt von Samarkand" gelesen? Egal ob oder ob nicht - der Song enthält große Weisheit: "Just because you're hairy don't make you an heir of Genghis Khan." Noch mehr Worte nötig?
Kontakt: Sound & Design Tonstudio, Ascher Straße 2, 95028 Hof, Walter.Sahin@t-online.de, www.sahin-feat-ludvik.de.vu

Tracklist:
Dive Into The Sun
Tamerlane
Lie To Me
Burn Your Tears
Wolfmother
Watcher In The Skies
Bring On The Hammer
Defender Of My Dreams
End Of All Days
This Time I Bleed
 




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