www.Crossover-agm.de ROACHCLIP: The Return
von rls

ROACHCLIP: The Return   (Karthago Records)

Und wieder eine Band, die aus dem Gestern kommt und heute noch immer so wie gestern klingt, was aber als Gütesiegel zu begreifen ist: Roachclip waren von 1985 bis 1992 eine mal mehr, mal weniger feste Größe in der Rockwelt des Südwestzipfels der Bundesrepublik. Personelle Probleme warfen die Band immer wieder zurück, wenn sie glaubte, endlich eine Stabilitätsinsel im großen Haifischbecken der Musikwelt erreicht zu haben. Da ging einer auf eine mehrjährige Weltreise, einer wurde in der Fachwelt anerkannter Virologe, und der letzte Drummer dieser Aktivitätsphase, übrigens der Sohn des Sportarztes von Steffi Graf, starb in noch jungem Alter - der Gig auf seiner Beerdigung wurde 1992 auch zur Beerdigung von Roachclip. Erst 2008 trafen sich vier der Altmitglieder auf einer Party wieder und riefen mit einem Spontangig die Band wieder ins Leben - allerdings setzten drei der Altmitglieder erneut andere Prioritäten, und Chefdenker Sven Bauer war wieder einmal gezwungen, Umbesetzungen vorzunehmen. Aber die derzeitige Besetzung besteht trotzdem aus lauter alten Hasen: Bauer selbst singt, spielt Gitarre und Baß, Oliver Noack spielt Keyboards (er nahm 1990 das einzige Album der Band, "Till Morning Light", auf und stieg anschließend fest ein), Thilo Kromer steuert ebenfalls Gesang bei (er kam 1991 zur Band), und Drummer Fritz Steger ist von seiner Weltreise auch wieder zurück. Diese Besetzung hat nun das neue Album "The Return" eingespielt, wobei nirgendwo eine Information zu finden ist, ob es sich lediglich um neu eingespielte Songs aus der ersten Schaffensperiode, die damals nicht auf der LP konserviert wurden, handelt oder um komplett neue Stücke. An zweien hat jedenfalls Ur-Drummer Stephan Studer, der auch zur 2008er Initialbesetzung gehörte, mitgeschrieben, an drei anderen aber Rainer Schorm, der ansonsten nicht unter den festen Musikern auftaucht, wohl aber das Artwork von "The Return" anfertigte und in Freiburg unter "images & words" firmiert, also wahrscheinlich freier Grafiker und Dichter ist und ergo wohl die Texte für "Pain Is All I Feel", "Emotional Crime" und "Winter In Heaven" geschrieben hat. Eine Person nachnamens Scholl taucht noch als Co-Writer für "Yourself" auf, ansonsten geht die kreative Leistung komplett aufs Konto von Sven Bauer. Und der hat Ahnung von dem, was er macht: Traditionelle Rockmusik mit Tendenz zum Hardrock bestimmt die 76 Minuten der CD, bis auf wenige Momente (etwa die arg hilflosen "of flames"-Backings im Refrain von "Sea Of Flames") durchgängig gelungen, wenngleich kein absolutes Glanzlicht, das man gar nicht mehr aus dem Player herausbekommen würde, dafür vermutlich hochgradig livetauglich. Gehobenes Midtempo bildet die obere Tempogrenze, viele Songs sind allerdings etwas schleppender angelegt, manchmal düsterer ("Winter In Heaven"), manchmal fast richtig doomig aus der alten Sabbath-Achtziger-Schule ("Inside Out", gar mit Krümelmonstergesangseinlagen versehen - nicht die Sabbath-Siebziger-Schule ist gemeint, man bedenke das!), manchmal aber auch Einflüsse aus dem Blues beziehend ("Turning Wheel"), wobei "Emotional Crime" eine kleine Zwitterstellung einnimmt: Der Bluesrock dominiert hier zwar, aber der düstere Part mit der Glocke stammt aus der klassischen Dio-Schule. In der Gesamtbetrachtung kommen einem vor allem zwei Bands in den Sinn, an denen Roachclip zwar keinesfalls kopistisch kleben, aber deren Anhängerschaft den Südwestdeutschen mal das eine oder andere Ohr leihen könnte: die legendären Briten Magnum und die nicht minder legendären "norddeutschen Briten" Lake. Der gewisse Southern Rock-Touch der letztgenannten fehlt bei Roachclip allerdings, und im Direktvergleich schlagen auch die Sänger Bob Catley und derjenige von Lake (egal, welchen man nimmt) die Roachclip-Vokalisten Sven Bauer und Thilo Kromer (wie auch immer die die Vokalarbeit unter sich aufgeteilt haben) aus dem Feld - die Roachclip-Fraktion singt keineswegs schlecht, aber bis zum Status eines großen Könners, eines richtigen Crooners fehlt halt noch ein Stück Weges. Das macht sich gerade bei "Lucy", einem klassischen Melodic Rock-Track der alten Schule (Enuff Z'Nuff lassen hier grüßen, wobei die Leadgitarre aber auch in fast jedes melodischer orientierte Metalgenre gepaßt hätte) bemerkbar - ein sehr guter Song, aus dem aber ein richtig grandioser Sänger noch ein paar Prozente mehr hätte herausholen können. Dieser Song wurde übrigens mit einem Gastbasser namens Arti McCould eingespielt, der auch für die Backing Vocals verantwortlich zeichnet, und die Rhythmusgitarre (hier akustischer Natur) spielt ein gewisser Animal Kabel, den Verdacht auf ein Pseudonym nahelegend. Die nächsten vier Tracks räumt Fritz Steger den Drumhocker für Judy Goldschmidt (laut Personalfoto übrigens ein Mann, was man anhand des Vornamens nicht vermutet hätte), wohl eine eigenartige Sinnsuchphase im Leben Bauers widerspiegelnd (was das Nebeneinander von "Wodan", "You're Mine", "Hel" und "Prayer" erklären würde), und die letzten drei fallen personell ganz aus dem Rahmen: Es handelt sich um Bonustracks, die von der "Till Morning Light"-LP stammen. Angesichts deren geringer Zirkulation (es soll nur 500 Exemplare geben, sagt das im Booklet abgedruckte Review aus dem Metal Hammer von damals) ist eine stärkere Verbreitung sicherlich nützlich, aber eigentlich hätte man auch gleich einen kompletten Re-Release der LP machen können, zumal "The Return" auch ohne diese drei Zugaben auf eine Stunde Spielzeit kommt, der Value-for-money-Faktor also problemlos erreicht worden wäre. Vielleicht dient "The Return" auch gleichzeitig als Testballon, ob sich ein derartiger Re-Release überhaupt lohnen würde. Nimmt man allein die Qualität der drei Boni als Maßstab, dürfte diesbezüglich jedenfalls kein Zweifel bestehen - auch hier gibt es knackigen Hardrock der alten Schule mit viel Hammondeinsatz, wie er schon 1990 völlig out of fashion war, aber eben auch zeitlos. Beim Hören von "The Old Man" fällt einem noch ein Vergleich ein, der bei genauerer Betrachtung auch auf andere Teile des Materials angewendet werden kann: Pan Ram - aber außer ein paar Spezialisten kennt die ja eh keiner mehr (sie waren 1996 mal mit Deep Purple auf Tour). Das zurückhaltende Hauptbreak wiederum hätte beinahe auf einem Gary Moore-Album jener Zeit Platz gehabt. In "Innocent Continent" wirkt das Drumming in den Strophen einen Tick zu hektisch - dafür hätte es eigentlich keinen rational nachvollziehbaren Grund gegeben, und die straighter untertrommelten Passagen überzeugen hier deutlich mehr als die nervöseren. Der Titeltrack der LP, eine Ballade mit teils nicht ganz sicherem Gastgesang von Annette Bolz (aber die Harmonien im Refrain sitzen!), schließt die vorliegende CD ab, die man sich als Freund anachronistischen, aber zeitlosen melodischen Hardrocks teils leicht angedüsterter Prägung (die Andüsterung fehlt den LP-Boni übrigens noch) bedenkenlos in die Sammlung stellen kann.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Pain Is All I Feel
Emotional Crime
Bethadina
Winter In Heaven
Sea Of Flames
Yourself
Turning Wheel
Inside Out
Lucy
Wodan
You're Mine
Hel
Prayer
The Old Man
Innocent Continent
Till Morning Light



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