www.Crossover-agm.de RIZON: Power Plant
von rls

RIZON: Power Plant   (Pure Rock Records)

Hatten Rizon bisher präzise wie ein Schweizer Uhrwerk im Dreijahresrhythmus neue Studioalben veröffentlicht, so wird dieser Rhythmus mit "Power Plant" durchbrochen. Gut möglich, daß die drei Umbesetzungen Einfluß auf die nunmehr fünfjährige Wartezeit hatten, wobei zwei der Positionen kurioserweise auch zwischen "Sudden Life" (2008) und "Masquerade" (2011) schon einmal neu besetzt worden waren: Seraina Tellis und Timo Prellers Rizon-Periode an Mikrofon respektive Baß war kurzer Dauer, und mit Reto Hähnel ist aktuell auch noch ein neuer Leadgitarrist mit an Bord, der sich aber musikalisch ebensogut in die Mannschaft eingefügt hat wie Neu-Sängerin Rahel Fischer und Neu-Basser Maik Kindermann. Vor allem Sängerwechsel sind ja oft problematisch, wenn man eine Band ist, die ihre Musik u.a. über Gesangsmelodien definiert, worunter Rizon zweifelsfrei gezählt werden dürfen - aber sie haben ja auch noch Matthias Götz und damit einerseits den Vorteil, daß dessen Stimme als Konstante erhalten bleibt, andererseits den Nachteil, daß jeder neue weibliche Gegenpart erstmal darauf getestet werden muß, ob die neue Stimme auch zur vorhandenen paßt. Auf "Power Plant" gibt es diesbezüglich keine Abstriche zu vermelden: Zwar singt Götz das Gros der Leads, aber auch Fischer überzeugt in diesem Metier, und der Zusammenklang der beiden funktioniert ebenfalls vorzüglich. Inwiefern die drei Neuzugänge an der geringfügigen musikalischen Kurskorrektur Aktienpakete halten, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden. Die gelegentlichen Düsterelemente finnischer Prägung, die "Sudden Life" noch zu bieten hatte, waren ja bereits auf "Masquerade" weitgehend verschwunden und sind auch auf "Power Plant" nicht wieder in stärkerem Maße zurückgekehrt (sie sind freilich immer noch da, wie das düster-entrückte Intro von "I Follow You" demonstriert), dafür macht das Septett aber einen kleinen Schritt weg vom Melodic Rock hin zum Melodic Metal - im Spannungsfeld der beiden Stile arbeiteten die Schweizer ja schon immer, und diesmal neigt sich die Waagschale etwas stärker zu letztgenanntem Genre (und das, obwohl sie innerhalb der Pure-Steel-Labelfamilie von Karthago zu Pure Rock Records gewechselt sind). Daß den Albumtitel Gamma Ray anno 1999 schon mal verwendet hatten, dürfte trotzdem keine bewußte Hommage Rizons sein - in puncto Kernigkeit erreichen sie die Hansen-Gang nicht und wollen das auch gar nicht. Statt dessen spielen sie mit der Doppelbedeutung des Wortes "plant" und packen ein Atomkraftwerk aufs diesmal in violetten Farben gehaltene Cover, auf dessen Vorplatz mit Urgewalt ein offensichtlich mutierter alter Bekannter durch den Boden bricht: Viola wittrockiana, das schon auf den Vorgängeralben in verschiedenen Sorten und Kontexten vorgekommene Stiefmütterchen, wächst atomkraftbedingt mittlerweile baumförmig und hat außerdem ziemlich gefährlich aussehende Zähne bekommen, die es zu einem Novum im Bereich der fleischfressenden Pflanzen machen würden, welche ihre Beute ja üblicherweise mit Kleb- oder Klappfallen erlegen. Passend zum zivilisationskritischen Unterton führen Rizon auch ihr Konzept, das Booklet noch mit Aussprüchen von Dichtern und Denkern auszustatten, fort, wobei sich dort freilich auch schwarzer Humor in Gestalt eines Dialogs aus "Lethal Weapon 3" findet. So ganz hoffnungslos ist die Lage also noch nicht, und das findet seinen Widerhall ja auch in der Musik, wo Rizon in den zwölf neuen Songs unter Beweis stellen, daß sie ihren Melodic Metal durchaus lebensbejahend verstehen, wenngleich sie etwa in der schönen Ballade "Lost Without You" auch Melancholie gekonnt umzusetzen wissen. Auffällig ist diesmal allerdings, daß die Schweizer ihre Songs viel kompakter arrangieren: Erreichten unter den dreizehn Nummern des Vorgängeralbums zehn die Fünfminutenmarke, so sind es von den zwölf neuen diesmal ganze vier oder, wenn man die beiden Parts des Albumclosers "Freedom Of Life" zusammenfaßt, von elf nur fünf. Das war früher kein Problem, da Rizon auch längere Kompositionen so ideenreich zu arrangieren wußten, daß keine Langeweile beim Hörer aufkam - umgekehrt aber sind sie auch in der Lage, kompaktere Songs zu schreiben, ohne daß der Hörer den Eindruck behält, die Ausarbeitung einer Idee sei noch nicht zu Ende gedacht worden. Interessante Einzelelemente gibt es jedenfalls nach wie vor zuhauf, die geschickt ins Gerüst des jeweiligen Songs eingeflochten wurden - man höre nur mal auf die verschobene Rhythmik im Solo von "New Age Dawn" oder die plötzliche Beschleunigung in "Midnight Sun"! Auch an den Tonartwechsel vor dem Refrain des Openers "Nevermore" muß man sich erstmal gewöhnen, nachdem schon die Passagen bis dorthin nicht unbedingt eingängig genannt werden dürfen - einen solchen Song an die Spitze des Albums zu stellen beweist Wagemut, aber der eingängige Refrain hält alle bei der Stange, die bis dahin noch nicht weitergeskippt haben (und die Weiterzipper würden vermutlich sowieso wenig Freude an Rizon haben, kompaktere Herangehensweise hin oder her). Auch weiterhin beweisen die Schweizer, daß sie starke und eingängige, aber nicht platte Melodien schreiben können - "No Way Out" geht als prima Beispiel durch und ebenso für die Aufgabe, wie man ein harmonisch auf bewährten Pfaden wandelndes, aber trotzdem mitreißendes Hauptsolo in Szene setzt. Daß Rizon die knapp 53 Minuten nicht mit dem dramatischen und wiederum angedüsterten "Timebomb" (kein U.D.O.-Cover natürlich), sondern mit dem positiven Reißer "Freedom Of Life" beschließen, unterstreicht einmal mehr, daß sie trotz aller Probleme Optimisten bleiben. Trotz der minimalen Kurskorrektur dürfte kein Mensch, dem die beiden Vorgängeralben gefallen haben, mit "Power Plant" unglücklich sein, und für Neueinsteiger ist das griffige Werk ebenfalls bestens geeignet. Bitte aber nicht wieder fünf Jahre bis zum nächsten Album ins Land ziehen lassen!
Kontakt: www.rizon.ch, www.purerock-records.com

Tracklist:
Nevermore
Feel The Heat
Midnight Sun
If You Rule The World
Lost Without You
I Follow You
Me
New Age Dawn
No Way Out
Timebomb
Freedom Of Life Part I
Freedom Of Life Part II
 




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