www.Crossover-agm.de PIEL DE SERPIENTE: El Veneno Se Extiende
von rls

PIEL DE SERPIENTE: El Veneno Se Extiende   (Karthago Records)

Warum Karthago-Chef Stefan Riermaier Piel De Serpiente in seinen Labelstall gelotst hat, wird nach Durchhören des vorliegenden zweiten Albums sofort klar: Die Spanier passen haargenau ins präferierte musikalische Spektrum des Labelchefs. Klassischer Melodic Metal ist ja heutzutage trotz der 1997 begonnenen und bis heute anhaltenden Wiederkehr der traditionell orientierten Metalstile doch eher selten geworden, spielt man als Band entweder reinen AOR (wenngleich bisweilen mit Härtegraden, die in den 80ern schon für eine Einstufung als Metal ausgereicht hätten) oder aber härtegradseitig mindestens Power Metal, während das Feld dazwischen relativ spärlich bestellt ist. Dort haben Piel De Serpiente ihre Wurzeln und eifern ihren Landsleuten Tierra Santa nach, ohne sie allerdings sklavisch zu kopieren. Die Unterschiede manifestieren sich einerseits in der Tatsache, daß zwar auch Piel De Serpiente gelegentlich zweistimmige Gitarrenläufe (solo- wie riffseitig) einbasteln, wie sie Tierra Santa aus dem Fundus von Iron Maiden übernommen hatten, dies allerdings nicht in der Dichte tun wie auf den TS-Frühwerken, daß andererseits Piel De Serpiente nicht über einen festen Keyboarder verfügen und die Einsätze dieses Instruments daher stark beschränken - es kommt nur im Solo von "El Huracan" zum Einsatz, gespielt von Iván Sánchez von Wurdulak (natürlich den spanischen Wurdulak, nicht etwa den gleichnamigen norwegisch-amerikanischen Black Metallern). Für alle anderen melodischen Einfälle instrumentaler Natur zeichnen also die beiden Gitarristen verantwortlich (auch der "flautisto" in "Leyendas Del Rock" wird gitarrensimuliert), und sie entledigen sich dieser Aufgabe auch mit unüberhörbarem Können. Natürlich erfinden sie das Rad nicht neu, aber wer verlangt das denn auch, wenn beispielsweise der Soloaufbau in "Vuelve A Mí" derart klassisch und derart begeisternd ausfällt? Das Schema: Einer der beiden Gitarristen intoniert eine riffartige Melodiepassage, der andere setzt für einen zweistimmigen Ausbau der Passage ein, und schließlich spielt der eine noch ein traditionelles Gitarrenheldenflitzefingersolo. Das findet man auch in anderen Mittelparts, etwa gleich im nachfolgenden "Marioneta", ohne daß man sich dadurch irgendwie gelangweilt fühlen würde. Und wieviel Gefühl die Gitarrenfraktion in ihr Spiel legen kann, zeigt die wehmütige, aber dennoch irgendwie schneidende erste Leadgitarre in der Ballade "Víctima Del Tiempo" - zu hinterfragen wäre hier allenfalls die Rolle der zweiten, etwas dunkler gestimmten Leadgitarre, die sehr weit in den Hintergrund gemischt wurde. Vielleicht gibt es dafür irgendeinen inhaltlichen Hintergrund, der sich Nichtspanischsprechern wie dem Rezensenten nicht offenbart. Lutfi S. Al-kharbutli singt nämlich, wie man anhand der Songtitel schon vermutet haben wird, ausschließlich in Spanisch und entledigt sich dieser Aufgabe mit einer grundsätzlich als angenehm einzustufenden Stimme in mittleren Tonlagen, nur ganz selten etwas rauher werdend, aber nicht mal in der erwähnten Ballade irgendwie "herunterschalten" müssend, da die Weichheit bereits im "normalen" Gesang angelegt ist, ohne aber irgendwie weinerlich zu wirken. Die sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzten Backingchöre der Saitenfraktion passen sich dem jeweils benötigten Ausdruck an (will heißen, in "Leyendas Del Rock" gibt es auch mal energischer zupackende "Gangshouts"), während man hinter dem Drumkit kein Gesangsmikrofon befestigt hat - Emma López ist also nicht an den Gesängen beteiligt, sollte sich aber vielleicht ein wenig anderweitige Ablenkung zu organisieren trachten, denn ansonsten kommt sie bisweilen auf eigentümliche Gedanken der Rhythmusunterbrechung, die den Song nicht immer aufwerten, wie man beispielsweise an den Holperbreaks im Opener "Muérdeme" bemerkt. Schon in dessen Intro spielen Gitarren und Drums derart weit nebeneinander, daß man sich fragt, ob das bei den Aufnahmen niemand bemerkt hat, und man verliert fast die Lust, weiter in die Scheibe reinzuhören. Hat man den Opener aber überstanden, werden die problematischen Momente dankenswerterweise seltener, wenngleich man auch da immer noch mit gelegentlicher numetallischer Rhythmushektik wie in "Jardín De Espinas" rechnen muß, die eine gewisse Gewöhnungszeit erfordert. Da macht ein relativ geradliniger Midtemposong wie "El Hurácan", den man in einer Demoversion auch schon auf dem Karthago-Labelsampler "Metal Armada Of Karthago's Dragons" hören konnte, dann doch mehr Hörspaß, und das auch noch von Anfang an und ohne nennenswerte Abnutzungserscheinungen. Temposeitig setzen Piel De Serpiente das obere Limit bereits im treibenden Midtempo von "Viuda Negra", halten sich vom gängigen Eurospeed also konsequent fern und agieren damit auch ein Stück langsamer als Tierra Santa, die ja beispielsweise in "Pegaso" dem Titelgeber ordentlich schnelle Flügel verpaßt hatten; die kurzen schnellen Stakkati in "El Beso Del Sol" bleiben singuläre Erscheinungen und stören an dieser Stelle nicht, sondern unterstützen den vorwärtstreibenden Charakter des Songs in nutzbringender Manier. Fast ins Proglager geraten Piel De Serpiente mit "No Esperás Mas" - der eigentümliche Einleitungsteil jedenfalls erinnert an Düsterprog (Evergrey und Konsorten), auch der weitere Songaufbau ist recht originell durchstrukturiert, und man hätte sich nicht gewundert, wenn nach dem vorausgegangenen Aufbau der Teil ab "Cuendo el miedo ..." im Speedtempo aus den Boxen geflitzt gekommen wäre. Aber das tut er nicht, Piel De Serpiente bleiben bei ihren Leisten, und so hat "El Venero Se Extiende" neben den gelegentlichen Rhythmusproblemen und dem gesamten Albumopener eigentlich nur zwei Probleme: Erstens sind einige Songs besonders in der zweiten Albumhälfte, z.B. "El Juramento", so basisch inszeniert, daß sie auf Konserve eher langweilen und man sich schon unmittelbar nach dem Hören nicht mehr erinnern kann, was man da gerade gehört hat. Zweitens schließlich fehlt unter den 13 Songs ein richtiger großer Song, einer, an dem man sich auch als Nichtspanischsprecher festhalten kann. Wer sich davon nicht beirren läßt und sich statt dessen an den "Heyhey"-Chören im klassisch-hardrockigen Closer "Carpe Diem", der witzigerweise ein wenig nach dem Frühwerk der Tschechen Kreyson klingt (frage niemand nach rationalen Begründungen), erfreut, der bekommt 54 Minuten interessanten Hörstoffs aus Südwesteuropa angeliefert.
Kontakt: Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de

Tracklist:
Muérdeme
El Hurácan
Lágrimas Sobre El Cristal
Vuelve Al Mí
Marioneta
Víctima Del Tiempo
Leyendas Del Rock
Jardín De Espinas
El Juramento
Viuda Negra
No Esperes Más
El Beso Del Sol
Carpe Diem
 




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