www.Crossover-agm.de OBSESSION: Carnival Of Lies
von rls

OBSESSION: Carnival Of Lies   (Metal Mayhem Music)

Eine alte Achtziger-Metalband nach der anderen taucht wieder auf, meist mit mehr oder weniger zweifelhaften Ergebnissen, nur selten mal die verzweifelte Frage "Warum erst jetzt?" aufkommen lassend. Zu letztgenannter, selten zu besetzender Kategorie zählen eindeutig Obsession, die mit "Carnival Of Lies" ein bärenstarkes neues Album veröffentlicht haben, bei dem es fast schon symptomatisch ist, daß keine etablierte Firma seine Klasse erkannt hat und man es hierzulande nur als US-Import von einem kleinen Label bekommt. Nun befindet sich dummerweise in meinem Plattenschrank keines der ersten zweieinhalb Alben von Obsession (man veröffentlichte zunächst die EP "Marshall Law" und dann die Longplayer "Scarred For Life" und "Methods Of Madness", bevor man Ende der 80er zunächst auf dem Bandfriedhof landete, obwohl noch weiteres Material vorhanden gewesen sein soll), so daß ich keine Direktvergleiche anstellen kann - zumindest aber welche in einer anderen Richtung, denn Sänger Michael Vescera heuerte anschließend erst bei den Japanern Loudness und dann bei Yngwie Malmsteen an, und aus diesen Phasen haben sich das völlig unterbewertete Loudness-Album "On The Prowl" sowie die beiden nicht herausragenden, aber gutklassigen Yngwie-Platten "The Seventh Sign" und "Magnum Opus" in meiner Sammlung eingefunden, so daß ich zumindest die Stimme vor 15 Jahren mit der Stimme von heute vergleichen kann, und da kommt Michael sehr gut weg, denn Power und Ausdruck von damals sind auch heute noch in nicht geringerem Maße vertreten, lediglich die ganz extremen Höhen meidet der Sänger in den zwölf Songs auf "Carnival Of Lies", wobei ich in elf von zwölf Fällen nicht weiß, inwieweit es sich hier um Teile des erwähnten auf Halde liegenden alten Materials handelt oder um neue Songs. Fest steht, daß die Band mit dem Opener "Smoking Gun" einen Alltimeklassiker geschrieben hat, der jedweden traditionell orientierten Metaller in eine wild headbangend durchs heimische Wohnzimmer tobende Gestalt verwandeln müßte: schnelles, aber nicht übertriebenes Tempo, ein starkes Grundriff jenseits langweiliger Grundtönigkeit, prächtig arrangierte Melodielinien (dezent hintergrundchorunterstützt) und ein brillantes Soloduell zwischen den beiden neuen Gitarristen Scott Boland und John Bruno, das den besten Beispielen für dieses Stilelement (ich picke aus dem Hinterkopf wahlweise Helloweens "I'm Alive" oder Arijas "Patriot" heraus) in nichts, aber auch gar nichts nachsteht. Überhaupt: diese Gitarren! Vier Gitarristen teilen sich die Arbeit, einer besser als der andere, wobei Boland und Bruno fest zur Besetzung gehören, Joe Stump (den Vescera von seiner Band Reign Of Terror her kennt) und Robert Marcello (der schon früher mal zu Obsession gehört haben müßte) als Gäste fungieren. Da braucht es von vornherein keinen Keyboarder, nicht mal als Gast ist einer dabei - das Instrument glänzt schlicht und einfach durch komplette Abwesenheit, und die relativ rauhe Produktion tut ihr Übriges dazu, um "Carnival Of Lies" interessant für den Teil der Metallerschaft zu machen, dem es diesbezüglich nicht urtümlich genug sein kann (und der hier lediglich über die Backings stolpern dürfte, denn in deren Ausgestaltung muß man sich in der Tat erst reinhören). Von der alten Besetzung ist außer Michael Vescera auch noch Trommler Jay Mezias dabei (der 1988 aufgrund musikalischer Differenzen ausgestiegen war, aber die sind ganz offensichtlich beigelegt worden), und noch einen alten Bekannten gibt es zu vermelden, nämlich den Song "Marshall Law" von der EP, hier in einer Neueinspielung mit den beiden neuen Gitarristen. Daß das Ding inmitten der anderen gut- bis hochklassigen Songs gar nicht auffällt, spricht Bände, wenngleich ein weiterer Geniestreich wie der Opener im weiteren Verlauf der summiert knapp 50 Minuten nicht zu vermelden ist. Obsession beherrschen jedenfalls die Hochgeschwindigkeit (der kontrolliert-melodischen Sorte) genauso wie das massive, manchmal auch schleppende Midtempo, eine Ballade haben sie sich verkniffen, wenngleich "Guilty As Charged" als eine solche beginnt und sich auch im weiteren Verlaufe noch relativ entspannt gibt, allerdings mit einigen abrupten Tonartwechseln den Hörer vor allzuviel Eskapismus bewahrt und das erneut begeisternde Hauptsolo dann temposeitig weiter nach oben schaltet. "Judas" als zwölfter Song ist übrigens als Bonustrack deklariert, allerdings ist mir nicht bekannt, warum, weshalb, wofür - es ist jedenfalls kein Helloween-Cover, ließe aber aufgrund seiner Position durchaus einen kleinen Fingerzeig in religiöser Richtung zu, wenngleich es hierfür keinerlei rationale Ansatzpunkte gibt, auch nicht im Text (der ein eher allgemeines Szenario behandelt). Einzig und allein das Cover ist völlig verunglückt - eine Parallele Obsessions zum Comebackalbum "Haunted Mind" ihrer Stilkollegen Damien Thorne, wo man hinter der einfallslosen Gestaltung auch noch nicht den grandiosen musikalischen Inhalt vermuten würde. Aber der Querverweis ermöglicht auch ein querverweisendes Urteil: Wer "Haunted Mind" mochte, kann "Carnival Of Lies" ohne weitere Prüfung kaufen, und wer Bands wie Armored Saint mag, ist aufgerufen, Obsession zumindest mal anzuchecken, denn es könnte sein, daß man hierbei eine neue Favoritenband entdckt. In Deutschland bekommt man die CD z.B. auf www.karthagorecords.de
Kontakt: www.theobsession.net, www.metalmayhem.com

Tracklist:
Smoking Gun
Carnival Of Lies
In For The Kill
Playing Dead
Imagining
The Offering
Pure Evil
I Don't Belong
Written In Blood
Guilty As Charged
Marshall Law
Judas



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