www.Crossover-agm.de SERGEJ MAWRIN: Otkrowenije
von rls

SERGEJ MAWRIN: Otkrowenije   (CD-Maximum)

Daß Gitarrist Sergej Mawrin immer wieder für eine Überraschung gut ist, was die stilistische Ausrichtung seiner Soloalben angeht, weiß der Kenner des russischen Metals. So eine Überraschung hat er auch auf seinem 2006er Album "Otkrowenije" wieder parat, nämlich in Gestalt des dem noch wenig auffälligen instrumentalen Intro "Wjestnik" folgenden "Wolnaja Ptiza" - dieser Song stellt nämlich reinrassigen melodischen Speed Metal der Ausprägung "Italien um die Jahrtausendwende" dar und hätte beispielsweise auch perfekt aufs selbstbetitelte Debütalbum von Vision Divine gepaßt. Diese stilistische Ausprägung kannte man aus Mawrins bisherigem Schaffen noch nicht, und er beweist in seinem diesbezüglichen Erstling gleich ein gutes Händchen, indem er beispielsweise der Gefahr von 1258 ähnlich klingenden Bands entgeht, die die Doublebass in solchen Songs einfach durchrattern lassen - er läßt sie auch durchrattern, aber in rhythmisierten Tripelfiguren, welche dem ganzen Song einen fröhlich-galoppierenden Touch verleihen und ihn so wesentlich schneller anmuten lassen, als er eigentlich ist. Trotz dieses guten Händchens aber soll "Wolnaja Ptiza" der einzige Song dieser Stilistik auf "Otkrowenije" bleiben; schon der Titelsong stellt die Gitarrenarbeit erstaunlich weit in den Hintergrund und koppelt einen eigenartigen Progrocktouch der Strophen, der auch noch leichte Gothiceinflüsse aufweist, mit schwer-hymnischem Power Metal im Refrain, bevor das Hauptsolo mit einer Gitarre-Baß-Cembalo-Kombination einen fast kammermusikalisch orientierten Gestus verpaßt bekommen hat. "Unesi Menja, Doroga" wiederum beginnt mit kräftigen Orchestertürmen und einem ultratiefen Riffing, das an die besten Zeiten von Divinefire auf "Glory Thy Name" erinnert, bevor sich ein guter und für Mawrin-Verhältnisse erstaunlich geradliniger Melodic Metal-Song entwickelt, der allerdings schon deutlich macht, daß die sehr fett gehaltenen Rhythmusgitarren, die man bereits auf der Vorgänger-EP nicht selten entdeckt hat, zu einer Art neuem Mawrin-Markenzeichen werden könnten, ihm damit eine Art Ausnahmestellung im heutigen Power Metal verleihend, denn selbst Divinefire schränkten den Einsatz dieses Stilmittels nach ihrem Debüt stark ein und sind mittlerweile ja ganz auf dem Bandfriedhof begraben worden. Das Hauptsolo dieses Songs weiß den kammermusikalischen Touch seines Pendants im Titelsong aufzunehmen und in diesem Fall mit den fetten Riffs und einer klassisch-metallischen Melodik zu koppeln, und eine ganz geradlinig verlaufende Songentwicklung gönnt uns Mawrin mit einem doomigen Break im Schlußteil und den wiederkehrenden Orchestertürmen als Outro auch nicht. Der Verweis auf den EP-Vorgänger ist ja bereits erfolgt - zwei von dessen Songs finden sich auch auf "Otkrowenije" wieder (womit immerhin knapp ein Drittel des neuen Albums gefüllt ist, da beide nicht gerade kurz sind), hier allerdings in umgekehrter Reihenfolge und musikalisch wohl zumindest mit neuem Gesang versehen (auf eine exakte Vergleichsuntersuchung des instrumentalen Parts soll verzichtet werden, und das Booklet macht keine genauen Angaben bezüglich einer eventuellen Neueinspielung), denn Artjem Styrow hat den Platz am Mikrofon an Andrei Lefler (wenn der mal keine deutschen Vorfahren hat und hierzulande ganz einfach André Löffler heißen würde ...) abgegeben. Das Paradoxe: Man bemerkt kaum einen Unterschied zwischen den beiden - beide mittelhoch, beide klar, beide sicher, beide ganz leicht an Waleri Kipelow erinnernd, beide selbst in der Stimmfärbung ähnlich. Sollte Andrei Lefler gar nur ein Pseudonym von Artjom Styrow darstellen oder umgekehrt? Selbst das wäre nicht unmöglich, wenngleich dem Außenstehenden zumindest kein rationaler Grund für eine solche Maßnahme einfallen würde (aber es gibt ja immer wieder kuriose Fälle wie den, daß sich Helstar-Sänger James Rivera auf dem Debütalbum "Burning Star" hinter dem Pseudonym Bill Lionel versteckt haben soll, weil gerade eine Vaterschaftsklage gegen ihn anhängig gewesen sei). Fest steht: "Gorod, Stojaschtschij Na Solnze" und "Sdjes I Seitschas" machen im Kontext des Albums ebensoviel Sinn und eine qualitativ wie stilistisch ähnlich gute Figur wie auf der EP. Einen äußerst eigentümlichen Eindruck hingegen hinterläßt der Gesang im ersten Teil des balladesken Intros von "Linia Sudby", der eher geflüstert oder in Rumpelstilzchen-Manier an den Mann respektive die Frau gebracht wird, bevor im zweiten Teil des Intros Andreis normaler Gesang einsetzt und sich der Song letztlich zu einer Halbballade entwickelt, die in puncto Wendungsfreudigkeit noch am unteren Ende der nach oben offenen Mawrin-Skala anzusiedeln ist und mit dem ausgedehnten Gitarrensolo um Minute 2 herum den Gegenbeweis für die verbreitete These antritt, viele und schnelle Noten würden generell die balladesk-entrückte Atmosphäre zerstören - interessanterweise bleibt der Hauptteil des Songs komplett instrumental, bevor "Wonny" im Intro Kohllapse, Black Sabbath und Bathory fröhlich-düster kreuzt, bevor sich die russische Antwort auf Deep Purples "Perfect Strangers" im Sound der Dream Theater-Coverversion dieses Songs, ergänzt noch um die erwähnten fetten Gitarren, entwickelt, die im Refrain wiederum in klassischen Epic Metal umschwenkt, im Solo wieder Kammermusik und nochmal einen kurzen italospeedverdächtigen Part einflicht und irgendwie einen perfekteren, "runderen" Ausklang des Albums geboten hätte als das kurze und etwas unmotiviert endende Instrumental "Pokajanie". Aber sei's drum: Mit "Otkrowenije" liegt ein erstaunlich origineller Beitrag zum heutigen Power Metal vor, den man auch als Modernitätsverächter durchaus lieben könnte und als Genrefreund, den das austauschbare Einerlei vieler anderer Produktionen nervt, vermutlich lieben wird, ja muß. Interessantes Detail noch aus der Thankslist (die übrigens mit einem Dank an alle Menschen auf dem Planeten Erde endet - das liest man in der heutigen metallischen Misanthropie auch eher selten): Die (Ex-)Arija-Gitarristen Wladimir Cholstinin und Sergej Terentjew werden gleich in der ersten Zeile genannt, Ex-Arija-Sänger Waleri Kipelow (mit dem Mawrin auch außerhalb Arijas kooperierte) fehlt aber. Was hat das nun wieder zu bedeuten?
Kontakt: www.mavrick.ru, www.cd-maximum.ru

Tracklist:
Wjestnik
Wolnaja Ptiza
Otkrowenije
Unesi Menja, Doroga
Gorod, Stojaschtschij Na Solnze
Sdjes I Seitschas
Linia Sudby
Wonny
Pokajanie
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver