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SERGEJ MAWRIN: Obratnaja Storona Realnosti
von rls

SERGEJ MAWRIN: Obratnaja Storona Realnosti   (Irond)

Die Literatur nennt gemeiniglich als Meilensteine in der Geschichte Arijas die Alben drei bis fünf - "Geroi Asfalta" zweifellos zu Recht, auch "Igra S Ognjom" ist eine sehr starke Platte, "Krow Sa Krow" besitzt der Rezensent noch nicht. Selbige drei Alben wurden unter Beteiligung Sergej Mawrins als zweiter Gitarrist neben Wladimir Cholstinin eingespielt, bevor sich Mawrin in den Mittneunzigern selbständig machte, mit "Sputnoje Wremja" unter Mitwirkung von Arija-Sänger Waleri Kipelow unter der Projektbezeichnung Kipelow & Mawrin einen erstklassigen Solostart hinlegte und danach weitere Alben mal unter seinem Spitznamen Mawrik als Bandnamen, mal unter seinem Realnamen Sergej Mawrin veröffentlichte. 2002/2003 schloß sich Mawrin Kipelows nach dessen Ausstieg bei Arija formierter Band, der Einfachheit halber Kipelow getauft, an und brachte gleich noch seinen damaligen Bassisten Alexej Charkow mit, packte aber schon bald wieder seinen Gitarrenkoffer und veröffentlichte weitere Soloalben, nunmehr bis zur Gegenwart ausschließlich unter Sergej Mawrin. "Obratnaja Storona Realnosti" ist dabei nur eine EP, mit 26 Minuten Spielzeit aber trotzdem gut gefüllt (als Multimedia-Extra gibt es noch eine Fotogalerie); vom Titel her wohl eher auf den Vorgänger "Sapreschennoje Realnostj" zurückverweisend, läßt das Songmaterial eher andere Querverweise zu, nämlich sowohl rückwärts als auch nach vorn. Nicht zu klären war bis zum Reviewzeitpunkt eine etwaige Herkunft des Openers "Prorok" - zumindest der Titel ist anderweitig schon mal verwendet worden. Die 7:40 Minuten machen klar, daß man Mawrins Musik nur äußerst schwer einsortieren kann. Einige Einflüsse seiner Arija-Tage sind zweifellos noch zu vernehmen, aber vor allem produktionsseitig kommt "Prorok" deutlich moderner daher, siedelt stilistisch in einer schweren Power Metal-Ecke, die allerdings hintergründig stark mit Orchesterelementen ausstaffiert wurde, rhythmisch recht kompliziert ausgefallen ist, ohne aber irgendwelchen Progmetalverdacht zu erzeugen, und nur bedingt "eingängig" genannt werden könnte. Zehn Sekunden kürzer, aber noch vielschichtiger ist "Sdjes I Seitschas" ausgefallen; etwas weniger massiv produziert, treten hier noch Elemente hinzu, die an Zirkusmelodien erinnern (man stelle sich vor, Blind Guardian anno 2006 hätten sich die Aufgabe gestellt, die Intromelodie aus "Majesty" zu einem kompletten Song ihrer neuzeitlichen Stilistik umzuformen - und selbst das ist im Mawrin-Falle nur ein Songbestandteil), und das Hauptsolo hätte gar diversen Achtziger-Progrockern wie Pallas gut gestanden. Diesen Song ebenso wie das folgende "Gorod, Stojaschtschii U Solnza" bekommt man auf dem Folgealbum "Otkrowenije" noch einmal zu Gehör, dort dann aber wahrscheinlich mit neuem Gesang, da Artjem Styrow (recht vielseitig und phasenweise Kipelow gar nicht unähnlich) zwischenzeitlich seinen Platz für Andrei Lefler geräumt hat/räumen mußte. "Gorod ..." beginnt wie eine Ballade, bevor sich doch ein relativ traditioneller Melodic Metal-Song entwickelt, natürlich auch mit diversen Wendungen, Tempowechseln etc., aber insgesamt deutlich geradliniger als die beiden Vorgängersongs und auch etwa zwei Minuten kürzer als diese. "Krylja" als Closer, wiederum 15 Sekunden länger als sein Vorgänger, greift dann eine Praxis auf, die eher aus der klassischen Musik bekannt ist, nämlich das Verarbeiten anderweitiger Themen in einer neuen Komposition. Das Themenmaterial gewann Mawrin hier allerdings nicht etwa extern, sondern aus zwei Kompositionen vom "Sputnoje Wremja"-Album. Während das markante bombastische Refrainthema des neuen Songs (der instrumental bleibt, stilistisch ebenfalls im Melodic Metal siedelt und ausgedehnte Streicherflächen künstlichen Ursprungs einmontiert, als Ganzes aber zweifellos zu überzeugen weiß, nur das Gitarrendröhnen zum Schluß irgendwie als kleinen Störfaktor hinterläßt) ebenso wie seine komplette Struktur (schon am Intro schön abzulesen) aus "Ja Swoboden!" stammt, hat sich Mawrin von den eingebauten Soundeffekten her auch von "Castlevania" ein paar Inspirationen geholt, allerdings keine kompletten Themen, weshalb man "Krylja" strenggenommen auch als instrumentale Neufassung von "Ja Swoboden!" (dessen Hauptkomponist seinerzeit übrigens nicht etwa Marwin, sondern Kipelow war, während "Castlevania" aus Mawrins Feder stammte) ansprechen könnte. Ein zweifellos interessantes und gelungenes Experiment, das "Obratnaja Storona Realnosti" auf hohem Niveau abschließt und den Erwerb dieser EP schon allein lohnen würde, sofern die Songs nicht wie in Rußland üblich mittlerweile noch anderweitig mehrfach verbraten worden sind. Vor dem Erwerb schaue man sich also sicherheitshalber in seiner Sammlung an den relevanten Stellen um.
Kontakt: www.irond.ru, www.mavrick.ru

Tracklist:
Prorok
Sdjes I Seitschas
Gorod, Stojaschtschii U Solnza
Krylja



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