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von rls

KIPELOW: Putj Nawerch   (Russki Shit/Prolog Music)

Daß sich Waleri Kipelow nach seinem Ausstieg bei Arija nicht einfach ins Privatleben zurückziehen würde, war abzusehen. Und so trommelte der Sänger eine neue Band zusammen, die er kurzerhand nach seinem eigenen Familiennamen benannte - Wiedererkennungswert ist also allein aufgrund dieses Faktors schon mal da, wenngleich abzuwarten bleibt, inwieweit sich hier ein Bandgefüge aus fünf gleichberechtigten Musikern entwickeln wird, das lediglich aus Marketinggründen unter dem bekannten Namen des Sängers firmiert, oder ob Waleri tatsächlich ein Soloprojekt mit wechselnden Mitmusikern führt. Die Besetzung auf diesem ersten akustischen Lebenszeichen der Truppe, nämlich einem Doppel-Livealbum namens "Putj Nawerch", ließe beide Optionen zu. Der Sänger hat sich der Dienste der beiden anderen Arija-Recken versichert, die gemeinsam mit ihm ausgestiegen waren (also Trommler Alexander Manjakin und Gitarrist Sergej Terentjew), dazu kommt mit Sergej Mawrin (ebenfalls Gitarre) noch ein weiterer ehemaliger Arija-Musiker, mit dem Kipelow ja bereits anno 1997 das unter dem Projektnamen Kipelow/Mawrin veröffentlichte Album "Sputnoje Wremja" eingespielt hatte. Einzige eher unbekannte Größe im Team ist Bassist Alexej Charkow, aber der fügt sich solide in die Truppe ein (man kann ihn akustisch relativ gut heraushören, was auf Livemitschnitten ja nicht unbedingt die Regel darstellt). Dankenswerterweise unterscheidet sich die Setlist der Doppelscheibe doch ein gutes Stück vom kurze Zeit zuvor veröffentlichten Arija-Livedoppeldecker "W Poiskach Nowoi Shertwij", der offensichtlich auf der Tour zum "Chimera"-Album mitgeschnitten worden war. Kipelow haben nämlich darauf geachtet, daß sie nur solche Arija-Tracks spielen, an denen zumindest ein späteres Kipelow-Mitglied mitgeschrieben hat - mit lediglich zwei Ausnahmen: "Torero" stammt von Alik Granowski (der wiederum hatte allerdings auch an der Kipelow/Mawrin-Scheibe mitgearbeitet, gehört also offenbar auch noch zur "Familie"), und den unvermeidlichen Closer "Wolja I Rasum" (einer der ganz großen Arija-Hits) hatte damals, vor 20 Jahren, Andrej Bolschakow geschrieben. Ansonsten kommt man in den Genuß eines guten zeitlichen Arija-Querschnitts vom Debüt (das erwähnte "Torero", auch ein Alltimeclassic - geile Gitarrenarbeit!) über die für viele immer noch stärkste Phase der Alben drei bis fünf ("Geroi Asfalta" steuert den Titeltrack und "Mertwaja Sona" bei, "Igra S Ognjom" bleibt erstaunlicherweise außen vor, während "Krow Sa Krow" mit "Besy" bedacht wird) bis hin zu den drei Alben der Terentjew-Phase, und auch eine Fremdkomposition hat sich eingeschlichen, nämlich "Bespetschnij Angel", im Original von den Holländern Golden Earring und mehrfach auf Alben von Arija zu hören. Dazu kommen dann noch drei Tracks von der Kipelow/Mawrin-Scheibe (die kann man selbstredend nicht im Arija-Repertoire finden), nämlich das für die CD titelgebende "Putj Nawerch", das etwas zusammenhanglos dem Bombast-Liveintro folgt (da hätte man stringenter arbeiten können), das mit hervorragenden Keyboardeffekten arbeitende "Castlevania" und das getragene, aber trotzdem mit ekstatischer Gitarrenarbeit ausgestattete "Ja Swoboden". Tempofetischisten kommen auf beiden CDs übrigens nicht so richtig zum Zuge, denn obwohl Arija durchaus einige Speedsongs in ihrem Schaffen aufwiesen, sind diese hier komplett außen vor geblieben (das galoppierende "Geroi Asfalta" markiert ungefähr die Obergrenze, aber auch dieser Song wird durch etliche Verharrer unterbrochen). Das mag manchen Hörer etwas grämen, aber andererseits kommt auch im treibenden Midtempo noch genug Energie rüber, und ein massiver Stampfer wie "Wolja I Rasum" wäre im schnelleren Zustand vermutlich nur halb so drückend. Vom Publikum in St. Petersburg, wo anno 2003 das mitgeschnittene Konzert stattfand, hört man während der Songs nur selten etwas (die kurzen Mitsingattacken in "Putj W Nikuda" sind da schon fast das Höchste der Gefühle - aber bei der Schrägheit, wie die am Anfang von "Maschina Smerti" mitsingen, macht das auch nichts :-)), aber in den Songpausen machen die Anwesenden schon ordentlich Lärm. Vom Soundgewand her fällt auf, daß die Laut-Leise-Abstimmung zwischen den beiden Gitarren manchmal etwas zu wünschen übrig läßt, was den Schluß zuläßt, daß an den Aufnahmen relativ wenig nachbearbeitet worden ist. Neue Songs der versammelten Mannschaft sucht man auf "Putj Nawerch" übrigens vergeblich, was den Schluß nahelegt, man habe hier erstmal etwas auf Nummer sicher gehen und den Namen mit bekannt-bewährtem Material einführen wollen. Aber solange man das auf diesem Qualitätsniveau tut, soll es mir (und sicher auch allen anderen Arija-Anhängern) durchaus recht sein. Da kann man den Laser aufsetzen, wo man will, man bekommt stets ehrliche Freude am Musizieren zu hören, dargeboten von erstklassigen Instrumentalisten (daß die gut aufeinander eingespielt sind, kann man ja bei der größtenteils identischen Vergangenheit erwarten) und einem Sänger, der ebenfalls nicht zu schwächeln gedenkt, wenngleich man ihm manchmal anhört (z.B. in "Geroi Asfalta"), daß ihm manche Passage nicht mehr mit der spielerischen Leichtigkeit von früher gelingt. Das Album ist übrigens in zwei einzeln erwerbbare CDs gegliedert (das ist in Rußland nicht unüblich - richtige Doppel-CDs gibt es dort eher selten), die sich nur anhand des Coverschriftzuges "CD 1" bzw. "CD 2" unterscheiden lassen. Übrigens haben Kipelow logoseitig einen interessanten Rückgriff auf die Kipelow/Mawrin-Scheibe unternommen und das in Stein gemeißelte Logo nur in zwei Komponenten umformatiert: Der Name Mawrin ist weggefallen (statt dessen wurde dort der Albumtitel eingemeißelt), und die beiden Sternzeichen an den Seiten sind einem simplen Kreuz gewichen. Die zweite CD enthält nach den neun Livetracks übrigens noch drei Bonustracks - die kennen aber alle schon, die die Arija-CD "Dalnoboistschiki 2" besitzen, denn es handelt sich um die gesangslosen (!! - und das bei einem nach dem Sänger benannten Projekt) Versionen von drei Arija-Klassikern der ersten Scheiben. Im Vergleich zur "Dalno"-Scheibe scheint allerdings nicht erneut eine Neueinspielung erfolgt zu sein, zumindest kann ich keine eindeutigen Anzeichen dafür feststellen - der eingemischte Applaus in diesen Stücken ist gefakt (was natürlich die Frage aufwirft, was vom Rest des Applauses echt ist). Aber das senkt den Reiz der Aufnahme als Ganzes nicht - nur ein Problem gibt es da noch: Bei CD 2 ist beim Mastering etwas schiefgegangen, sind zwischen den Tracks jeweils 2 Sekunden Pause, was für ein Livealbum natürlich fürchterliches Gift darstellt (die aufgeteilte HiHat-Anzählung zwischen "Sakat" und "Wasmi Mojo Serdze" etwa killt die Atmosphäre dieser beiden lagerfeuertauglichen Balladen mal eben völlig). CD 1 ist diesbezüglich in Ordnung. Dieses Faktum sollte man bedenken, wenn man sich auf die Suche nach "Putj Nawerch" macht - vielleicht erwischt man auch eine spätere Pressung, bei der das dann behoben worden ist. Wenn www.metalglory.de die Scheiben nicht vorrätig hat, mache man sich mal direkt in Rußland schlau: www.kipelov.ru oder www.prologmusic.ru - die Firma Russki Shit (steht wirklich so auf dem Inlay!) scheint selbst keine Homepage zu haben. Das Konzert gibt's übrigens auch auf DVD, VHS oder MPEG 4-CD zu erstehen, wo man sich dann ggf. über den Livefaktor noch klarer werden kann.

Tracklist:
CD 1:
Putj Nawerch
Ja Nje Soschel S Uma
Grjas
Besy
Djabolskij Snoi
Castlevania
Ja Swoboden
Putj W Nikuda
Sledui Sa Mnoi

CD 2:
Poterjannij Raj
Bespetschnij Angel
Geroi Asfalta
Mertwaja Sona
Sakat
Wosmi Mojo Serdze
Torero
Maschina Smerti
Wolja I Rasum
Bonus Tracks:
Wstan, Strach Preodolei
Metschty
Sdjes Kujut Metall
 




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