www.Crossover-agm.de LJUDI OSENI: Wosstanije
von rls

LJUDI OSENI: Wosstanije   (Stygian Crypt Productions)

Die Kernmannschaft dieser russischen Band war einstmals unter dem Namen Autumn unterwegs, und nachdem dieser Name zuerst in das etwas sperrige ... And We Are Falling Leaves ... geändert worden war, so ist nunmehr eine ganz andere Band daraus entstanden, die Chefdenker Juri Ketow witzigerweise Ljudi Oseni benannt hat, was übersetzt soviel wie "Leute des Herbstes" oder, wenn man das Wortspiel zum alten Bandnamen in besseres Deutsch übertragen will, "Die Leute von (der Band) Autumn" heißt. Ergo liegt hier eine bewußte Anknüpfung vor, was sicherlich auch gerechtfertigt sein dürfte, war Ketow doch wie erwähnt Kopf von Autumn - und da ist es auch kein Problem, wenn außer ihm nur noch ein anderes Ex-Autumn-Mitglied zur festen Ljudi-Oseni-Besetzung gehört, nämlich Ljudmila Emeljaschina, die mittlerweile allerdings Ljudmila Ketowa heißt, ergo offenbar auch privat an Ketows Seite gerückt ist. In der Spätphase von Autumn war sie dort als Violaspielerin eingestiegen, und das ist sie noch heute bei Ljudi Oseni, ergänzt durch die ausgewiesene Funktion als Backgroundsängerin. Erfährt man noch dazu, daß kein grundsätzlicher Stilwechsel, sondern lediglich eine leichte Umorientierung stattgefunden hat, ist der Fall klar: Autumn erinnerten zu Zeiten des "Tschornije Krylja"-Albums ein wenig an Anathema zwischen "The Silent Enigma" und "Eternity", und dieser Einfluß ist auch grundsätzlich erhalten geblieben, hat aber eine markante Ergänzung erfahren, nämlich durch das erwähnte Streichinstrument, das allein schon durch sein Vorhandensein Ljudi Oseni ein wenig in die Nähe von My Dying Bride rückt, und zwar zu "The Angel And The Dark River"-Zeiten. Zum etwas verträumten Touch der Musik paßt die dunklere Viola allerdings im Falle der Herbstleute viel besser, als es die schneidendere Geige tun würde, wobei Ljudmila die Klangfarben auch so gut auf die darunterliegende Musik abzustimmen weiß und in einem Song mit sowohl folkigem als auch in einem Zwischenspiel heftigerem Anstrich wie "Seroje Morje. Wjetschno" natürlich anders spielt als in einem trägen Gothicdoomer wie dem Quasi-Titeltrack "Wosstanjem".
Damit ist der Rahmen um die knapp 43 Minuten Musik gebastelt, wobei diese aus insgesamt drei Komponenten besteht. Zunächst wären da "Wosstanjem", "Tjomnaja Reka" und "Seroje Morje. Wjetschno", eingerahmt vom Intro "Ljudi Oseni" und vom Outro "Wjetscher" - diese fünf Kompositionen bildeten 2008 das erste, selbstbetitelte Demo von Ljudi Oseni und sind auch in diesen Fassungen auf "Wosstanije" zu hören, also nicht noch einmal neu eingespielt worden. Diese entsprechen der obigen Beschreibung am deutlichsten. Danach folgt "Sogrei", das 2010 als Single (sicherlich nur als Onlinefassung) erschienen ist und geschickt zwischen zurückhaltenden Akustikparts, flottem Akustikrock und heftigen Gothic-Metal-Ausbrüchen pendelt. Hier wird laut Booklet auch Ljudmila Ketowa als Sängerin gefordert (auch wenn man sie nirgendwo genau wahrnehmen kann), dazu kommen zwei weitere Gäste: Michail Njemirowski als Sänger (offenbar derjenige, der den Klargesang in den Akustikrockpassagen intoniert, denn der klingt anders als derjenige, der den sonstigen, fast flüsternden Klargesang und das gelegentliche Gebrüll beisteuert und bei dem es sich offensichtlich um Ketow handelt) und Feliks Wigorow, ein weiteres altes Autumn-Mitglied, als Bassist, über den zugleich eine Querverbindung zu den hier ebenfalls bereits rezensierten Labelkollegen Arcanar besteht, die für die etwas metallischeren Momente des Albums durchaus auch als Vergleichsband taugen, wiewohl sie eben in puncto durchschnittlicher Härtegrad weit über Ljudi Oseni arbeiten. Wer das Demo und auch die Single schon besitzt, findet auf dem Album dann zumindest noch einen neuen Song, nämlich "Belisna", das alle Stilelemente, die Ljudi Oseni sonst versammelt haben, in einem Song bündelt - nach dreieinhalb Minuten kommt nämlich auch noch der träge Gothic Doom zum Vorschein, mit dem man hier eigentlich gar nicht mehr gerechnet hatte. Dieser Song ist auch für alle, die atmosphärisch dichte Inszenierungen hören wollen, ein Lehrbeispiel, denn von einem fast "leer" wirkenden Einleitungsteil nimmt die Komplexität des Arrangements immer weiter zu, auch in den Akustikpassagen passiert im Hintergrund enorm viel. Wenn dieser Song repräsentativ für die weitere Entwicklung von Ljudi Oseni sein sollte, dürfen sich die Freunde vielschichtigen und komplexeren Gothic Metals auf die Folgewerke freuen, sollten aber auch "Wosstanije", dessen ältere Songs noch nicht diese Dichte aufweisen, allerdings auf ihre Weise auch immer interessant bleiben, durchaus ihr Ohr leihen. Ein stilvolles Artwork und ein Booklet mit allen Texten passen vom Anspruch her zum international problemlos konkurrenzfähigen Klanggewand.
Kontakt: www.stygiancrypt.com

Tracklist:
Ljudi Oseni
Wosstanjem
Tjomnaja Reka
Seroje Morje. Wjetschno
Wjetscher
Sagrei
Belisna



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