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von ta

MY DYING BRIDE: Evinta   (Peaceville)

Die britischen Death-Doom-Vorreiter My Dying Bride sind 20 geworden und bringen anlässlich des Jubiläums eine sehr spezielle Zusammenstellung raus: Melodien aus dem reichhaltigen Fundus der Band werden durch den Opern- und Ambient-Fleischwolf gedreht. Auf diesem Album gibt es keine Gitarren, keinen Bass und kein Schlagzeug. Stattdessen Synthesizer, eine Geige, ein Cello und obendrüber zwei Stimmen: die von Aaron Stainthorpe, die Texte rezitiert, gelegentlich auch singt, und die der französischen Opernsängerin Lucie Roche, die hier und da über den Synthieteppich trällert.
Das Ergebnis ist eine Art düstere Klangcollage, die mit Klassik nur am Rande und mit Death Doom so mal gar nichts zu tun hat. Und auch nicht durchweg funktioniert. Da wären einmal die guten Momente: Die Melodien von My Dying Bride sind streckenweise wunderbar und wem bspw. zu Beginn von "Of Lilies Bent With Tears" nicht eine sanfte Gänsehaut über den Rücken streicht, für den ist dieses Album wahrlich nicht gemacht. Auch die Sounds stimmen oft - wenn in "The Distance, Busy With Shadows" in eine weite, stimmungsvolle Synthie-Fläche plötzlich das Piano einbricht, über das sich immer mehr Faser-Sounds legen, dann ist das schön und gut gemacht. Überhaupt wird das Album dominiert von Synthesizern. In "Of Sorry Eyes In March" dominieren die Sounds völlig und die Melodien verschwinden in der Collage - Dark Ambient pur. In "And Then You Go" wird zu Beginn ein flirrender Streicherteppich inszeniert, später gibt es reine Trauer, eine elegische Frauenstimme, die sich lautmalerisch über breite Keyboardakkorde legt, etwas neoklassische Finsternis im Stil von Elend. Sehr gelungen, sehr stimmungsvoll. Was mich bei My Dying Bride sonst stört, das Prätentiöse in der Theatralik, die Weinerlichkeit in der Stimme, fehlt hier - ebenfalls ein Pluspunkt.
Aber nicht alles an "Evinta" ist so gelungen. Die Textrezitation von Stainthorpe gibt den Songs nichts. Seine Stimme ist zu hell, der Ton zu sonor, man fühlt sich unweigerlich an die Hörspiel-artigen Passagen von Bal Sagoth erinnert - sicherlich kein Zufall, denn deren Johnny Maudling war hier maßgeblich an den Arrangements beteiligt. Was bei Bal Sagoth der völlig anderen Stilistik wegen aber funktioniert, nervt hier jedoch häufig.
Zudem läuft das 87minütige Album sich tot. Dafür, dass die Sounds und Stimmungen doch arg begrenzt sind, passiert einfach zu wenig. Es gibt keinen richtigen Höhepunkt, nur rudimentäre Spannungsbögen, und die Melodien zünden auch nicht immer. Das Ganze wirkt streckenweise zu dünn und uninspiriert. Besonders auf der ersten CD des Doppelalbums haben sich Längen eingeschlichen: Gleich das Eröffnungsdoppel aus "In Your Dark Pavilion" und "You Are Not The One Who Loves Me" plätschert sehr vor sich hin, entwickelt keine klare Linie, zeichnet keine Emotion wirklich tief und überzeugend nach - anders als etwa das Keyboard-Outro "A Hand Of Awful Rewards", das zehn Minuten lang auf einfache, aber überzeugende Weise Leere, Sehnsucht, Schwermut ausdrückt.
"Evinta" ist eine mutige, überraschende Veröffentlichung und zum zwanzigsten Geburtstag der Band allemal etwas Besseres, da Interessanteres, als eine Best-Of oder ein Live-Album. Und eine gewisse Konsequenz hat es auch, wenn eine Doom-Band sich an Neoklassik und Dark Ambient versucht. Aber das Album bleibt am Ende auch ein Stück weit hinter den Möglichkeiten eines solchen Projekts zurück und verliert sich gelegentlich in Langweiligem. Deshalb eine eingeschränkte Hörempfehlung - die allerdings mit Nachdruck. Fans der Band müssen dieses Album gehört haben.
Kontakt: www.mydyingbride.org, www.peaceville.com

Tracklist:
CD 1:
1. In Your Dark Pavilion
2. You Are Not The One Who Loves Me
3. Of Lilies Bent With Tears
4. The Distance, Busy With Shadows
5. Of Sorry Eyes In March

CD 2:
1. Vanité Triomphante
2. That Dress And Summer Skin
3. And Then You Go
4. A Hand Of Awful Rewards
 




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