www.Crossover-agm.de KIPELOW: X Let - Krokus Siti Choll
von rls

KIPELOW: X Let - Krokus Siti Choll   (Digital Records)

Hatten Waleri Kipelow und seine Band schon das Jubiläumskonzert zum fünfjährigen Bestehen mitgeschnitten und auf Ton- und Bildträger veröffentlicht, so verwundert es nicht, daß sie Gleiches auch mit dem zum 10jährigen Bandbestehen tun. Der betreffende Gig fand diesmal allerdings nicht in St. Petersburg statt, sondern am 1. Dezember 2012 in Moskau, und zwar in der auch auf dem Cover vermerkten "Krokus Siti Choll", deren Schreibweise die kuriosen Probleme beim Rückübertragen russifizierter Termini in die Originalsprache offenbart. Die Stimmung scheint prima gewesen zu sein (der Sänger tituliert die fleißig mitsingenden Anwesenden regelmäßig als "Molodzy", übersetzt "Prachtkerle"), und die Leistung der Band, soviel vorweg, bietet dazu auch allen Anlaß. 22 Songs mit summiert reichlich zwei Stunden Gesamtspielzeit stehen auf dem Programm, wobei das weiland (und auch zum Rezensionszeitpunkt immer noch) aktuelle "Schitj Wopreki" erwartungsgemäß breiten Raum einnimmt: Sechs seiner Nummern erklingen, interessanterweise alle in der ersten Hälfte der Show und jeweils zu Dreierblöcken zusammengefaßt, wobei der eine gleich am Anfang steht - nach dem Album- wie Showintro bricht der orchesterunterlegte, aber in erster Linie metallisch Dampf machende Titeltrack los, gefolgt vom teilweise sehr speedlastigen "Jeschtscho Powojujem", dessen Ohoho-Teil natürlich einen dankbaren Einsatz fürs Publikum ergibt. Der zweite Block neuer Songs hebt mit "Glamurnaja Ptiza" an, einem Albumhighlight, das hier etwas rauher und nicht ganz so glamourös klingt und daher seinen Glanz nicht ganz so entfalten kann wie in der Studioversion, aber trotzdem natürlich noch jede Menge Hörspaß macht. Der begeisternde Speed von "Wlast Ognja" kontrastiert wirkungsvoll mit der folgenden streicherunterlegten Halbballade "Dychanije Poslednjei Ljubwi" (Besitzer der DVD-Version können leicht ermitteln, ob da tatsächlich ein - gut abgemischtes! - Streichorchester auf der Bühne zu Gast war oder ob das Band bemüht wurde), und dann ist Schluß mit neuem Songmaterial, noch bevor CD 1 mit den ersten 55 Minuten des Gigs durchgelaufen ist - die letzten fünf gehören einer der gleichfalls sechs Nummern vom Albumvorgänger "Reki Wremen", nämlich dessen Albumopener "Dychanije Tmy" (richtig, das erste Wort beider aufeinanderfolgender Nummern ist identisch, aber das wird vielleicht nicht der Grund der Anordnung gewesen sein - der schnelle zweite kontrastiert wirkungsvoll mit der Halbballade zuvor), nachdem bereits zuvor das vielschichtige "Nawaschdenije" und die Halbballade "Ja Sdjes" erklungen sind. Damit bleibt für CD 1 nur noch eine Trackposition übrig, und das ist die vierte, also nach dem eröffnenden Dreierblock neuer Nummern. Dort steht das allgemein umjubelte "Wawilon", bekanntlich das erste Songprodukt der Kipelow-Band, nachdem sie ihre frühen Gigs noch ausschließlich mit Arija-Material und dem des "Stupnoje Wremja"-Albums, das Waleri Kipelow und Sergej Mawrin gemeinschaftlich eingespielt hatten, bestritten hatten. Solche Songs dominieren dann die zweite CD: Die Kipelow-Mawrin-Halbballade "Ja Swoboden" hat ja sowieso ihren festen Platz im Finalteil von Kipelow-Gigs, und hier buddelt die Truppe zudem noch "Castlevania" aus, das beim Fünf-Jahre-Jubiläum nicht in der Setlist gestanden hatte. Dieser Song, der die 69 Minuten der zweiten CD eröffnet, bildet zugleich die erstklassige Gelegenheit für einen Gastmusiker - niemand anders als Sergej Mawrin, der zum ersten Kipelow-Line-up gehört hatte, aber dann 2004 wieder eigene Wege eingeschlagen hatte, spielt hier Gitarre (ob er die von Wjatscheslaw Molchanow oder die von Andrei Golowanow übernimmt oder ob er als dritter Gitarrist agiert, können Besitzer der DVD-Version sicherlich problemlos ermitteln). Und wenn er einmal da ist, bleibt er auch gleich für einen weiteren Song: Arijas "Mjortwaja Sona" dürfte sicherlich die größte Überraschung des Gigs sein - nicht der beste Song des von Mawrin mit eingespielten "Geroi Asfalta"-Albumklassikers aus dem Jahre 1987, aber natürlich trotzdem klasse (und vermutlich deshalb ausgewählt, weil Mawrin an ihm mitgeschrieben hat - Waleri Kipelow hält bekanntlich die Zahl der Arija-Songs von Wladimir Cholstinin oder Witali Dubinin in den Setlisten seiner eigenen Band eher kurz). Dann wechselt der Gast, aber die Originalband nicht: Der gleichfalls im ersten Kipelow-Line-up vertreten gewesene Sergej Terentjew löste Mawrin nach dem "Krow Sa Krow"-Album als Arija-Gitarrist ab, und er tut das auch an diesem Abend auf der Bühne und spielt die beiden Folgesongs mit, die original seiner Arija-Periode entstammen: "Poterjannij Rai" als einer der beiden neuen Songs des "2000 I Odna Notsch"-Samplers (auch das eine Überraschung in jüngeren Kipelow-Sets) und "Grjas" auf "Generator Sla" (das gibt's auch in Kipelow-Setlisten häufiger, nicht zuletzt weil es aus der Feder des "Chefs" stammt). Wer oben richtig mitgezählt hat, weiß, daß dann noch drei Songs von "Reki Wremen" folgen müssen, und das tun sie auch: das midtempolastige und um einen Mitsingpart ergänzte "Nje Seitschas", der schleppende Titeltrack und der stampfende Albumcloser "Prisratschnij Wswod". Zwischen die letztgenannten beiden Songs hat sich aber eine weitere Überraschung geschlichen: "Oi, To Nje Wetscher", ein altes Kosakenlied, wird hier in ähnlicher Form präsentiert, wie das die Scorpions dreieinhalb Jahrzehnte früher mit "Kojo no tsuki" getan hatten, also zunächst balladesk a cappella bzw. zur Akustikgitarre, dann halbballadesk mit Bandunterstützung - und die Moskowiter singen genauso begeistert mit wie damals die Tokioter (struktureller Unterschied: Klaus Meine mußte in einer anderen als seiner Muttersprache singen, während Waleri Kipelow und seine Co-Sänger, unter denen gemäß den Angaben in der Encyclopedia Metallum zumindest Andrei Golowanow ist, beim Russischen bleiben können). Nach "Prisratschnij Wswod" und "Ja Swoboden" haben wir dann aber nur noch einen Track, jedoch drei Songs übrig. Dieses Rätsel löst sich leicht, indem dieser letzte Track als "Popurri" (sic!) deklariert ist: Zum Abschluß erklingt also nicht nur Arijas "Wolja I Rasum" wie bei Kipelow-Gigs üblich, sondern ein Medley, das neben dem schon vom 5-Jahre-Jubiläum bekannten Orgelchoral auch noch "Wstan, Strach Preodoljei" und "Torero" enthält, allesamt von den ersten beiden Arija-Alben stammend. Ob hier auch nochmal die Gäste mitspielen (obwohl die Nummern allesamt vor ihrer Arija-Mitgliedschaft entstanden sind), kann anhand der vorliegenden CD nicht gesagt werden, die sowieso völlig mit Informationen geizt - die Covercard etwa enthält rückseitig nur ein Bild von Waleri Kipelow selbst und das Backcover auch nur die Copyrightangaben und die Setlist. Apropos Kipelow: Der Mann hat die 50 ja schon weit hinter sich gelassen und steuert die 60 an - aber er ist immer noch prima bei Stimme, liegt nur ganz selten mal akut neben der Spur (der Refrain von "Grjas" ...) und weiß sich etwa bei "Wawilon" zu helfen, indem er den Song eine Oktave tiefer singt, was beim ersten Hördurchlauf einen sehr eigentümlichen Eindruck hinterläßt, aber bald dem Gewöhnungseffekt weicht. (Wer singt eigentlich die hohen Backings in "Poterjannij Rai"?) Und daß die Band topfit ist, bedarf wohl keiner gesonderten Erwähnung mehr - sie gehört zu den besten Traditionsmetalformationen Rußlands, ist seit 2006 besetzungsstabil und folglich auch prima aufeinander eingespielt. So bleibt als Wunsch nur der nach einem neuen Studioalbum - aber das sei in Arbeit, heißt es, und eine dem Rezensenten bisher noch unbekannte Zwischendurch-Single namens "Njepokorjonnij" (ergänzt durch 2013er-Livefassungen von "Wlast Ognja" und einer weiteren Arija-Nummer vom "Generator Sla"-Album, nämlich "Sakat") ist auch bereits erschienen. Bis zum nächsten Fulltime-Werk kann man sich also beispielsweise mit diesen reichlich zwei Stunden feinsten klassischen und gleichzeitig nicht altbackenen Metals bei Laune halten.
Kontakt: www.kipelov.ru

Tracklist:
CD 1:
Intro
Schitj Wopreki
Jeschtscho Powojujem
Wawilon
Nawaschdenije
Ja Sdjes
Glamurnaja Ptiza
Wlast Ognja
Dychanije Poslednjei Ljubwi
Dychanije Tmy

CD 2:
Castlevania
Mjortwaja Sona
Poterjannij Rai
Grjas
Nje Seitschas
Reki Wremen
Oi, To Nje Wetscher
Prisratschnij Wswod
Ja Swoboden
Popurri: Wstan, Strach Preodoljei/Torero/Wolja I Rasum



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