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KALLEJON: Man spricht deutsch
von rls

KALLEJON: Man spricht deutsch   (Four Music/Sony)

Anfang 2013 erregte Heinz Georg Kramm einiges Aufsehen mit seinem Album "Mit freundlichen Grüßen", auf dem der besser als Heino bekannte Sänger diverse deutsche Rock- und Poptitel der jüngeren Vergangenheit coverte. Er war freilich nicht der einzige mit einer solchen Idee: Schon vor etlichen Jahren verschaffte sich Karel Gott Aufmerksamkeit bei einer ganz neuen Fangeneration, indem er ein Album namens "Für immer jung" veröffentlichte, das allerdings neben originär deutschen Songs wie Udo Lindenbergs "Hinterm Horizont geht's weiter" auch eingedeutschte Versionen von Alphaville- (der Titeltrack), Eric-Carmen- ("Mein letztes Lied") oder John-Miles- ("Musik, das ist mein Leben") Klassikern enthielt. Und wenige Tage vor der Heino-CD brachten die Metalcoreler Callejon ebenfalls eine Cover-CD mit deutschem Rock- und Popliedgut der letzten 30 Jahre heraus, für die sie sich extra in Kallejon umbenannten (Ähnliches hatten die V8 Wankers getan, wobei das V8-Wixxxer-Album aber im wesentlichen aus Eigenkompositionen bestand, denen statt der englischen Texte deutsche unterlegt wurden). Und siehe da, die elf Tracks der Normaledition (die Premium Edition enthält noch zwei mehr: "Chicago" von Clueso und "Boomerang" aus dem Repertoire von Blümchen, geschrieben allerdings von Lukas Hilbert, den der qualitätsbewußte Deutschrockfreund aus der Band von Udo Lindenberg in den Endachtzigern/Frühneunzigern und später von den kultigen Roh kennt) weisen tatsächlich zwei Überschneidungen mit dem Heino-Album auf, und zwar betreffen diese neben "Ein Kompliment" der Sportfreunde Stiller ausgerechnet dessen Titeltrack, also "MfG", original eine Abrechnung mit dem Aküfi (dem Abkürzungsfimmel) aus der Feder der Fantastischen Vier. Eine Beeinflussung dürfte hier aus chronologischen Gründen ausgeschlossen sein (es sei denn, jemand von der Band hat bei Heino im Studio "gelinst"), aber eine andere erscheint möglich, denn es gibt auch gleich zwei Tracküberschneidungen zum 2012er Global-Kryner-Album "Coverstories", nämlich Peter Schillings "Major Tom" und "Alles nur geklaut" von den Prinzen. Das musikalische Ergebnis ist natürlich ein völlig anderes, die Herangehensweise aber durchaus vergleichbar: Sowohl die Global Kryner als auch Callejon/Kallejon fügen die Originaltracks jeweils so paßgenau in ihren jeweiligen Bandsound ein, daß man das Ergebnis jeweils auch für ein "normales" Bandalbum mit Eigenkompositionen halten könnte (wobei das Global-Kryner-Konzept ja von Anfang an eigentlich auf Coverversionen ausgelegt war und die Eigenkompositionen erst schrittweise Eingang ins Schaffen der Österreicher fanden). In dieser Strategie liegt bei Kallejon allerdings auch das Problem: Es entsteht, blendet man die Unterschiede der Vorlagen aus, ein relativ monotones Gesamtbild, vor allem im Gesang, der mehr oder weniger in allen Tracks dem Schema folgt, eine rauhe, aber gelegentlich noch melodische Hauptstimme mit einer zweiten, wildes Gekreisch absondernden Stimme zu hinterlegen. Auch die beiden Gastauftritte von Bela B. im Opener "Schrei nach Liebe" (der die umstrittene Textpassage "Zwischen Störkraft und den Onkelz steht 'ne Kuschelrock-LP" in ihrer Originalfassung bringt) und von K.I.Z., der schon Stammgast auf Alben der Band ist, in Tic Tac Toes "Ich find dich scheiße" machen das Kraut hier nicht mehr fett. Diese beiden sind übrigens in der Tracklist vermerkt, aber in "Alles nur geklaut" ist definitiv die Stimme von Tobias Künzel zu hören, der aber nicht genannt wird. Einige der Songs weisen im Original Rap-Parts auf, aber deren Umsetzung in Geschrei hat problemlos funktioniert, und für manchen Rockfan dürfte die Erkenntnis, daß etwa in Peter Fox' "Alles neu" oder dem erwähnten Tic-Tac-Toe-Track trotz der ungenießbaren Originalversionen doch eine grundsätzlich brauchbare Songidee steckt, durchaus als wertvoll zu betrachten sein. Und das bereits erwähnte "Ein Kompliment" gerät hier zu einem durchaus veritablen Melodic-Death-Metal-Hit, dem die typischen Göteborg-Gitarren eine Extraportion Pfiff verleihen. Eine relativ starke, aber durchaus gelungene Umgestaltung hat "Major Tom", der älteste hier vertretene Song, erfahren, während etwa "Hier kommt Alex" der Toten Hosen in seiner Grundstruktur fast unangetastet blieb, mit einer Silbenverschiebung in der "Zwanzig gegen einen"-Bridge aber trotzdem eine interessante Variation erfahren hat. Und der bombastische Einstieg in "Alles nur geklaut" kann definitiv auch was. So bleibt ein insgesamt doch positives Bild, das natürlich auch maßgeblich von der Einstellung des Hörers gegenüber dem Original geprägt und daher stark individuell ausfallen wird. "Schrei nach Liebe" und "Schwule Mädchen" (letzteres original von Fettes Brot) haben mittlerweile auch Eingang ins Liveprogramm der Band gefunden, so daß man die Coverversionen auch mit ihren Eigenkompositionen in Beziehung setzen kann. Und an der rein technischen Umsetzung ist definitiv nichts zu beanstanden. Texte enthält das landwirtschaftlich-vernebelt gehaltene Booklet der Normaledition nicht, aber die kennt man in etlichen Fällen ja eh auswendig. An dieser Stelle noch ein Wunsch für "Man spricht deutsch II": 2raumwohnungs "36 Grad" mit Gastvocals von Angela Gossow ...
Kontakt: www.fourmusic.com, www.callejon.de

Tracklist:
Schrei nach Liebe
Schwule Mädchen
Alles neu
Ich find dich scheiße
Durch den Monsun
Mein Block
Ein Kompliment
Hier kommt Alex
Major Tom
MfG
Alles nur geklaut


 



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