www.Crossover-agm.de KAREL GOTT: Weißt du wohin
von rls

KAREL GOTT: Weißt du wohin   (Koch Universal)

In den alten Zeiten, als das Wünschen zumindest manchmal noch geholfen hat, war es so Brauch, daß nur derjenige den Beruf eines Sängers ergriff, der auch tatsächlich besser singen konnte als der Durchschnitt der restlichen Bevölkerung (von kulturhistorischen Phänomenen wie Florence Foster-Jenkins mal abgesehen). Wie das heute aussieht, ist allgemein bekannt - Karel Gott allerdings stammt tatsächlich noch aus diesen alten Zeiten, und wer schon mit seiner Musik nichts anfangen kann, sollte allermindestens anerkennen, daß die vokalen Leistungen des Sangesgottes den Ehrentitel "Die goldene Stimme aus Prag" zweifellos rechtfertigten. Allerdings ist allgemein wenig bekannt, was der Mann für ein musikstilistisches Spektrum abgedeckt hat - die Beschreibung "Sinatra of the East" auf seiner Myspace-Seite beleuchtet ebenso nur eine Facette seines Schaffens wie die zwei, drei Riesenhits, die er auch in deutschen Landen erzielen konnte, allen voran natürlich das "Biene Maja"-Titellied.
Mit "Weißt du wohin" liegt nun eine 3-CD-Box vor, die einen Überblick über des Gottes Schaffen von 1967 bis 2001 gibt, allerdings auch keinen allumfassenden. Die 42 Songs beschränken sich nämlich auf deutschsprachiges Material, lassen also das naturgemäß viel umfangreichere Werk in seiner Heimatsprache, das allerdings in Deutschland ebenso naturgemäß weniger populär ist, außen vor. Außerdem fehlt leider der wohl kultigste Song, den Gott jemals eingesungen hat, nämlich "Rot und Schwarz", ein teils doch recht psychedelisch angehauchtes Cover von "Paint It Black" der Rolling Stones - für Interessenten auf Youtube nachzuhören (bitte nicht schon nach zwei Dritteln der Spielzeit vom Stuhl fallen, das Beste kommt erst zum Schluß). Und der Compiler hat von Songs, die in verschiedenen Fassungen vorliegen, auch nicht immer die allerbeste erwischt - Paradebeispiel dafür ist "Lady Carneval", hier mit flockigen weiblichen Backings, einer altertümlichen Heimorgel, einem flotten Grundbeat und fetzigen Trompeten zweifellos auch in einer starken Version vertreten, die aber durch die derzeit auf der Myspace-Seite des Gottes zu hörende mit ihren fetten Posaunen nochmal locker getoppt wird, wohingegen die dort ebenfalls zu hörende tschechische Version irgendwie unentschlossen wirkt und daher deutlich abfällt. Zudem mutet die Verteilung der Songs auf die CDs etwas komisch an, nicht von der Anzahl her (dreimal vierzehn), sondern vom "Gewicht" aus betrachtet: Die ganz dicken Dinger stehen allesamt in der ersten Hälfte der ersten CD, die damit fast alleine eine Best Of des Gottes ergeben könnte. Als da wären: "Einmal um die ganze Welt" (das war 1970, also gerade mal zwei Jahre nach der Niederschlagung des Prager Frühlings, noch fast als subversiv zu werten!), "Die Biene Maja" (weiterer Kommentar sicher überflüssig), "Babicka" (der Beweis, daß Ralph Siegel und Bernd Meinunger durchaus Originelles erschaffen konnten, mit geschickt arrangiertem Tempomanagement im Refrain), "Für immer jung" (jawohl, tatsächlich eine eingedeutschte Fassung von Alphavilles "Forever Young", und eine gute noch dazu, sich in den trompetenartigen Keyboards nahe am Original haltend und mit "Hab' Bluejeans in der Seele" eine der kultigsten Textzeilen der Schaffensgeschichte des Gottes beinhaltend), "Wie der Teufel es will" (nochmal von Ralph Siegel, ein flotter Popsong, wieder mit solchen Posaunen, denen die Mauern Jerichos keine zweieinhalb Minuten standgehalten hätten), "Fang das Licht" (das Duett mit Darinka war 1985 ein Riesenhit und wurde vom Rezensenten höchstselbst 1986 im Musikunterricht an der Polytechnischen Oberschule "Kurt Kresse" Prießnitz vorgetragen, als zu Schuljahresbeginn der 5. Klasse jeder ein Wunschlied singen durfte - aus heutiger Perspektive muß man sich an die vibbbbrrrrierenden Keyboards erst mühevoll wieder gewöhnen, aber die Mühe lohnt sich) und das erwähnte "Lady Carneval". Damit haben wir auch nahezu das komplette Herkunftsspektrum der Songs des Gottes abgedeckt. Eine große Zahl seiner Songs schrieb ihm sein Hauskomponist Karel Svoboda (R.I.P.) förmlich auf den Leib, darunter auch "Die Biene Maja". Von Ralph Siegel findet sich eine ganze Menge Material, freilich auch die eine oder andere Schmonzette, die man sich wirklich nur anhand der starken Stimme des Gottes schönhören kann ("Das Mädchen aus Athen"!). Und dann wären da noch die Coverversionen, überwiegend Eindeutschungen englischsprachiger Songs, aber auch einige original deutschsprachige, beispielsweise Udo Lindenbergs "Horizont", an das man sich in der Gott-Fassung auch erst mühevoll gewöhnen muß, das die Beschäftigung aber durchaus lohnt. Eine Auswahl der weiteren Covers gefällig? Bitte: "Star meines Lebens" stammt original von Albert Hammond und Michael Edward Hazlewood, gleich zweimal kommt Material von Andrew Lloyd Webber zum Zuge ("Schau was Liebe ändern kann" und "Traumzeit"), "Time To Say Goodbye" ist kein Fremdling im Repertoire des Gottes, und selbst John Miles' "Music" (hier "Musik, das ist mein Leben") war vor der Verarbeitung nicht sicher und beinhaltet einen der wenigen Momente der etwa 150 Minuten Gesamtspielzeit, in denen auch der Freund verzerrter elektrischer Gitarren mal sein Leibgericht vorgesetzt bekommt. Eindrucksvoll bewiesen wird auch das Talent des Gottes, sich interessante und fähige Duettpartnerinnen auszusuchen. Das kennt man aus seinem tschechischen Schaffen, wo er u.a. mit Lucie Bíla kooperierte, auch der damalige slowakische Kinderstar Darinka macht in der Originalfassung von "Fang das Licht" eine gute stimmliche Figur (auf Youtube gibt es allerdings einen Mitschnitt eines live gesungenen Fernsehauftritts aus dem 21. Jahrhundert, und da trifft der alte Sangesgott immer noch jeden Ton, während die Dame völlig neben der Spur liegt), und CD 1 enthält noch das Duett "Ich bin da, um dich zu lieben" (nochmal eine Albert-Hammond-Komposition) mit Daliah Lavi, die eine ähnlich rauchige Röhre an den Tag legt wie Frau Bíla weiland und auch noch heute.
Freilich: Unter den 42 Songs finden sich etliche, die man freiwillig wirklich nur wegen der fast durchgängig starken Gesangsleistung anhören kann (in "Cara Mia, Ja" kratzt Gott 1995 an seiner damaligen stimmlichen Obergrenze) - bei einem x-beliebigen anderen Sänger würde man eher die Flucht ergreifen. Da fällt beispielsweise der Titeltrack "Weißt du wohin", der älteste vertretene Track, drunter, der doch in gefährliche Nähe zu Peter Alexander und Konsorten rückt. "Du bist da für mich" wiederum hatte der Rezensent (trotz der schönen, wenngleich von Ralph Siegel bei Chers "I Got You Babe" geklauten Oboen) auch irgendwie aufregender in Erinnerung. Und über Karel Svobodas "Süßer die Glocken nie klingen"-Rip Off "Was damals war" darf man durchaus auch geteilter Meinung sein. Zudem muß man beim praktischen Einsatz der Box selbstredend auf den Kontext achten. Auf einer Metalparty beispielsweise sollte man den Zeitpunkt abwarten, bis der durchschnittliche Promillepegel jenseits der 2 angekommen ist, wird dann aber möglicherweise mit enthusiastischen Reaktionen belohnt, wenn man sich auf die absoluten Highlights beschränkt, von denen sich ja etliche finden. Ansonsten bekommt man einen guten Querschnitt durch das deutschsprachige Schaffen des Gottes, der zudem recht preiswert zu haben sein dürfte (dafür muß man sich ausstattungstechnisch aber auf simple Tracklisten und sonst nichts einstellen), und wenn man flankierend noch etwas Außergewöhnliches erwerben möchte, kann man sich ja auf die Suche nach dem Tributesampler "Souvezdí Gott Vol. II" machen, der u.a. auch metallische Adaptionen von Songs des Gottes enthält.
Kontakt: www.karelgott.com, www.kochuniversal.com, www.myspace.com/karelgott

Tracklist:
CD 1:
Einmal um die ganze Welt
Die Biene Maja
Babicka
Für immer jung
Wie der Teufel es will
Fang das Licht (Duett mit Darinka)
Lady Carneval
Das sind die schönsten Jahre
Star meines Lebens
Ich bin da, um dich zu lieben (Duett mit Daliah Lavi)
Das Mädchen aus Athen
Wenn ich dich nicht hätte
Die Liebe lebt
Ich freu' mich auf das Leben mit dir

CD 2:
Weißt du wohin
Cara Mia, Ja
Du bist da für mich
Mandy
Ein Lied kann eine Brücke sein
Musik, das ist mein Leben (Music)
Eine Liebe ist viele Tränen wert
Amapola (im Sommer komm' ich wieder)
Du bist für mich wie die Sonne am Morgen
Horizont
Bis ans Ende aller Straßen (He Ain't Heavy, He's My Brother)
Bleib deinem Traum immer treu
Du bist alles was ich will (Always On My Mind)
Auch Wunder geh'n vorbei

CD 3:
Nie mehr Bolero
Schau was Liebe ändern kann
Etwas ist geschehen (Something's Gotten Hold Of My Heart)
C'est La Vie
Der Traum ist vorbei (All Out Of Love)
Nun bist du da
Was damals war
Es muss ja nicht der Himmel sein
Traumzeit
Ein besonderer Klang
Zeit zu geh'n (Con Te Partiro)
Schicksalsmelodie
Halt mich
Mein letztes Lied (All By Myself)





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