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INQUISIÇÃO: Reborn
von rls

INQUISIÇÃO: Reborn   (Metal Soldiers Records)

Das Phänomen, daß traditionsorientierte Metalbands Jahrzehnte nach ihrer Auflösung wieder zusammenfinden, ist natürlich kein auf die europäische oder nordamerikanische Szene beschränktes - in Südamerika gibt es sowas auch, wobei hier der kommerzielle Aspekt der Ausschlachtung eines alten Namens in den wenigsten Fällen im Vordergrund steht, da es in den Achtzigern in Südamerika deutlich weniger reguläre Plattenveröffentlichungen gab, auf deren Material man eine solche Reunion mit ausschließlich alten Grundleistungen aufbauen könnte. Aber der gute alte Name zählt natürlich auch heute noch, und davon profitieren sicherlich auch Inquisição. Die Brasilianer hatten in den 80ern insgesamt drei Demos herausgebracht, das dritte aus dem Jahre 1987 immerhin sogar auf Vinyl, bevor sie sich 1989 auflösten. 2006 beschlossen Sänger Silvio Mazzei und Gitarrist Luiz F. Machado, die Band wiederzubeleben, aber "Reborn" ist nun nicht etwa das erste Album seit dieser Wiederbelebung, wie man anhand des Titels mutmaßen könnte, sondern schon das zweite, wobei der Rezensent den Vorgänger "One More Battle" bisher nicht kennt. Im Gegensatz zu früher haben die "neuen" Inquisição einen festen Keyboarder in der Besetzung, und der wird auch durchaus gebraucht: Er steht klanglich zwar nicht im Mittelpunkt, aber der Traditionsmetal Marke Dio, den Inquisição heute spielen, lebt von der Besetzung mit einem Gitarristen und einem Keyboarder. Zwar weist das Bandfoto auf der CD-Rückseite fünf Kurzhaarige aus, die teilweise gar eine moderne Metalband vermuten lassen, aber musikalisch sprechen Inquisição eine ganz andere Sprache. Ihre Musik ist zwar in den Achtzigern beheimatet, aber in den Siebzigern verwurzelt, wie das eben seinerzeit bei Dio auch der Fall gewesen war. Dazu kommt die sehr altertümlich anmutende Produktion, die sicherlich Absicht gewesen sein dürfte, und auch der Leadgitarrensound im Solo von "Bullets Flying" wird wohl nicht zufällig gewählt worden sein - es handelt sich um eine Verbeugung vor dem Tony Iommi der ersten Dio-Ära bei Black Sabbath. Mazzeis Stimme siedelt dazu in einer ähnlichen Lage wie die Dios, wobei an seiner der Zahn der Zeit allerdings hörbar stärker genagt hat wie an der des kleinen großen Amerikaners. Trotzdem macht er seine Sache gut, vielleicht stellt ihn die Produktion auch nur etwas zu weit in den Hintergrund, so daß man sein Können nicht ganz so detailliert würdigen kann. Darunter legen die vier Instrumentalisten temposeitig abwechslungsreiche Klänge, oftmals auch innerhalb eines Songs variiert, was ja eigentlich weniger der alten Siebziger-Schule entspricht. Man höre sich mal "Burn You Down" mit seinen drei Tempolagen in Strophe, Bridge und Refrain an - aber die Konstruktion funktioniert! Das schleppende, fast balladesk zu nennende Intro von "Death Of The Sun" läßt auch nicht unbedingt den Speedbrecher erwarten, der sich aus ihm entwickelt. So halten die Komponisten Mazzei und Machado immer wieder die songwriterische Spanung aufrecht und verhindern damit das Aufkommen von Langeweile beim Hörer, zumal gerade die Solistenfraktion auch reichlich Spielfreude an den Tag legt. Ganz neu scheinen übrigens nicht alle der elf Songs im regulären Teil von "Reborn" zu sein: "Burn You Down" nennt als Co-Komponist João H. Machado, der in der Achtziger-Aktivitätszeit der Band Baß spielte, und "Grey Skies" stammt in Gänze von Láercio Figueiredo, der von 1984 bis 1986 am Mikrofon von Inquisição stand, bevor er durch Mazzei abgelöst wurde. "Grey Skies" hatte allerdings original portugiesische Lyrics, und Mazzei hat neue englische geschrieben - seit der Reaktivierung nutzen Inquisição die englische Sprache, während zumindest das komplette in den Achtzigern veröffentlichte Material in Portugiesisch gehalten ist. Der Beweis dafür findet sich als Bonustracks auf der vorliegenden, knapp 78 Minuten dauernden CD: Offensichtlich just for fun haben sich Mazzei und Machado mit ihrem aktuellen Bassisten Marcio Chicralla sowie zwei Ex-Mitgliedern aus den Achtzigern, dem Gitarristen Alex Berger und dem Drummer Leonardo Pagani, im August 2010 im Studio ihres aktuellen Keyboarders Sidney Sohm verschanzt und ebendort live alle ihre in den Achtzigern veröffentlichten Songs nochmal neu eingespielt - und die sind alle in Portugiesisch betextet. Daß es nur sechs sind und nicht neun, wie der Mathematiker mutmaßen könnte (Demo 1: 2, Demo 2: 2, Demo 3: 5), liegt darin begründet, daß das dritte Demo, eben jenes auch auf Vinyl erhältliche, nur zwei neue Songs enthält und dazu noch drei, die schon auf den ersten beiden Demos vertreten waren. Der Rezensent besitzt das alte Material nicht und kann somit keine Direktvergleiche zu den Neueinspielungen anstellen, wohl aber die Neueinspielungen mit den regulären neuen Songs vergleichen. Die Besetzung mit zwei Gitarristen anstelle des Keyboarders, der sich aufs Aufnehmen beschränkt zu haben scheint, läßt natürlich einen etwas anderen Fokus aufkommen: Traditionsmetal steht logischerweise auch hier im Mittelpunkt, aber die Dio-Parallelen sind längst nicht so stark ausgeprägt - statt dessen entdeckt man in den doppelläufigen Leadgitarren im Intro von "Cães Malditos" Parallelen zu Iron Maiden, und in den Kreischansätzen in "Cruz De Ferro" bewegt sich Mazzei hörbar vom Dio-Stil weg. Die Neigung zu anfangs überraschenden Tempowechseln hatten Inquisição übrigens auch damals schon, was man auch in "Grey Skies" schon hatte feststellen können. Witzigerweise läßt das Intro von "Napalm" einen Tribut an Diamond Heads "Am I Evil?" vermuten, aber nach nicht mal einer Viertelminute bricht Speed Metal los, freilich wieder mit einem Hauptsolo in halber Geschwindigkeit garniert. Dem heutigen Traditionsmetaller dürften beide Inkarnationen von Inquisição gut ins Ohr gehen, es sei denn, er lehnt Keyboards aus Prinzip ab. Geht man nur vom neuen Material aus, sollten Anhänger von Dio, Jorn, Astral Doors etc. auf jeden Fall einen Hörtest unternehmen.
Kontakt: www.myspace.com/inquisicao, www.metalsoldiersrecords.webs.com

Tracklist:
Darkest Dreams
Midnight Wanderer
Bullets Flying
Break Down The Walls
Reborn
Burn You Down
Death Of The Sun
Judgement Day
One Man Revolution
Grey Skies
Brand New Day
Cães Malditos
Cruz De Ferro
Tempo Fechado
Insano
Napalm
O Exorcista


 



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