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Dio, Soul Doctor   13.09.2002   Affalter, Zur Linde
von rls

Findet in der Linde zu Affalter ein Konzert statt (und das ist beileibe nicht selten der Fall), tut der Ortskundige gut daran, die Hauptstraße weiträumig zu umfahren (also in die Nachbarorte auszuweichen - Affalter ist eines dieser typischen Erzgebirgsdörfer Marke "5 Kilometer lang, aber nur zwei Häuser breit"). Ein akuter Mangel an Parkmöglichkeiten führt in der Regel nämlich zu einer massiv zugeparkten Ortslage, und diesmal trat aufgrund der Verlegung von Trinkwasserleitungen und einer darin begründeten halbseitigen Straßenblockade noch ein weiterer erschwerender Umstand hinzu. Trotz dieser Schwierigkeiten und dem nicht gerade geringen Abendkassenpreis von 24 Euro war die Linde gut gefüllt, als mit einer halben Stunde Verspätung Soul Doctor die Bühne betraten. Die hatten - für einen Supportact mehr als ungewöhnlich - ihren eigenen Soundmann mit eigenem Mischpult dabei, und das machte sich akustisch sofort bemerkbar, nämlich mittels eines überlauten, aber immer noch vergleichsweise klaren Sound, der nur wenige Feinheiten verschluckte. Klassischer Hardrock mit ein paar Sleaze-Anleihen stand auf dem Programm der mittlerweile zum Quintett angewachsenen Band aus deutschen Landen. Das selbstbetitelte Debüt (in der Setlist u.a. mit "Shake 'Em On Down" berücksichtigt) habe ich nicht mehr im Ohr, kann mich nur noch erinnern, daß es mich (im Gegensatz zum begeisterten Mario) nicht gerade vom Hocker gerissen hatte, und der aktuelle Zweitling ist mir völlig unbekannt, scheint stilistisch aber keine großen Veränderungen erzeugt zu haben. Mit "Livin' The Life" gaben die Jungs einmal richtig Gas, hatten auch eine schöne Halbballade im Gepäck und hielten sich ansonsten hauptsächlich in nur minimal variierten Midtempogefilden auf. Arrangement- wie umsetzungstechnisch über alle Zweifel erhaben (schließlich steht da mit Tommy Heart ein alter Fair Warning-Recke am Frontmikro, und auch seine Mitstreiter sind keineswegs Greenhorns), war mir das Material in der Gesamtbetrachtung doch einen Tick zu austauschbar, auch wenn die epische Version von "Just Can't Get Over You" einen eindrucksvollen Abschluß bildete und sich Drummer Zacky nahtlos in meine Schlagzeuger-Aktivistenliste einreihte (irgendwie hatte ich auf meinen letzten Konzerten das Glück, reihenweise gute bis exzellente Schlagzeuger zu sehen). Das Publikum spendete reichlich Applaus, mir gefiel die anschließende Umbaupausenmusik von Aerosmith aber trotzdem besser ...
Mit einem fast genauso überlauten, aber positiverweise ebenfalls recht klaren Sound begann Ronnie James Dio dann, den Dragon zu killen, bevor er dem begeisterten Publikum eine Überraschung in Gestalt von "Egypt (The Chains Are On)" vorsetzte (gleich an Setlistposition 2 eine ungewöhnliche Wahl), das im Mittelteil nahtlos in "Children Of The Sea" überging und dem Schlußteil mit einer Mixtur aus Parts beider Songs bestritt. Nach "Push", einem weiteren Track von "Killing The Dragon", folgte die nächste Überraschung: Ein Drumsolo an einer derart frühen Stelle im Set ist ganz und gar außergewöhnlich - und auch Simon Wright gliederte sich meiner Schlagzeuger-Ehrengilde an, trommelte im zweiten Teil des Solos noch zu eingesampelten "Carmina Burana"-Klängen. Aber das sollte auch die letzte Überraschung bleiben, denn abgesehen von "Rock'n'Roll" (auch neu, kein Led Zeppelin-Cover!) und einem Block aus zwei Tracks des 2000er Albums "Magica" konnte kein weiterer Song auf ein Entstehungsdatum nach 1984 verweisen (somit wurde beispielsweise die Chance vertan, mit dem zurückgekehrten Wright sich mal dem oftmals unterschätzten 1990er Album "Lock Up The Wolves", auf dem er auch schon getrommelt hatte, zu widmen), und auch unter den "Oldies" gab's keine Raritäten zu vermelden, sondern man konzentrierte sich auf Material, das in ähnlicher Form schon auf "The Last In Live" konserviert worden war, wobei allerdings "Mistreated" fehlte. Gerne würde ich mal "Kill The King", "A Light In The Black" oder "Rock'n'Roll Children" hören, aber diesen Wunsch erfüllte mir der kleine Mann mit der großen Stimme (er war ausgezeichnet bei derselben) leider nicht. Statt dessen Business as usual: "Heaven And Hell", "Man On The Silver Mountain", "Holy Diver", "Stand Up And Shout", "The Mob Rules" und noch ein paar andere, aber wenigstens spielfreudig und frisch interpretiert. Nur bei Doug Aldrichs Gitarrensolo wäre ich beinahe eingeschlafen - nicht schlecht, aber doch etwas langweilig, ganz im Gegensatz zum ideenreichen Songspiel des Neuzugangs. Seit meinem letzten Dio-Liveerlebnis (das war immerhin im Herbst 1993) hatte sich das Line-up (außer Ronnie selbst natürlich) völlig verändert, und das nicht zum Negativen: Simon Wright und Doug Aldrich wurden ja schon erwähnt, und mit Jimmy Bain am Baß gab es einen weiteren Rückkehrer, der seine Sache sehr gut machte (wer war das eigentlich an den Keyboards?). Auch das Publikum zeigte sich sehr angetan von den insgesamt etwas über anderthalb Stunden (jedenfalls der große Teil, der schon vorher halb ertaubt war oder Ohrstöpsel dabei hatte - an dieser Stelle ein Gruß an das große dunkelhaarige, ausgesprochen hübsche weibliche Wesen rechts neben mir, das offensichtlich phonbedingt weniger beglückt dreinschaute), was Ronnie zu einer lobenden Bemerkung über die "town" Affalter hinriß (hätte er sich den Ort mal bei Tageslicht angeschaut, er hätte Bauklötze gestaunt und sich gefragt, wo denn all die Besucher herkommen sollten). "The Last In Line" markierte den Abschluß des regulären Sets, und auf die Zugaben "Rainbow In The Dark" (immer wieder klasse, das Keyboardthema) und "We Rock" konnte man anhand des vorausgegangenen Hauptsets fast Wetten abschließen. Feine Hardrock-Qualitätsarbeit war das, stets mit eigener Note, obwohl original von drei verschiedenen Bands stammend, und frisch interpretiert, obwohl die Vorlagen meistenteils schon 18 Jahre oder älter sind, also jetzt das Wahlrecht besitzen. Meine Stimme für Dio ist dann nur noch Formsache.



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